Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien hat die internationale Staatengemeinschaft erneut aufgefordert, Verantwortung für die internierten Mitglieder der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu übernehmen. Das erklärten die Ko-Vorsitzenden Berivan Xalid und Abid Hamid al-Mihbash am Dienstag auf einer Pressekonferenz zu dem IS-Angriff vom 20. Januar auf das Sina-Gefängnis in Hesekê. Weitere zentrale Forderungen an die internationale Gemeinschaft sind die Anerkennung der Autonomieverwaltung und der Abzug der türkischen Truppen aus Syrien.
12.000 Gefallene im Kampf gegen den IS
Xalid und al-Mihbash sprachen den Angehörigen der 121 Gefallenen, die im Zuge des IS-Angriffs ums Leben gekommen sind, ihr Beileid aus, und wünschten den Verletzten rasche Genesung. Weiter führten die Ko-Vorsitzenden aus, dass die Territorialherrschaft des IS von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) im März 2019 in al-Bagouz in Ostsyrien beendet worden ist. Seit dem Kampf um Kobanê im Jahr 2014 seien 12.000 Mitglieder der QSD, der YPJ und der Kräfte der inneren Sicherheit im Kampf gegen den IS gefallen, um die gesamte Menschheit zu schützen. Über 25.000 Personen wurden dabei verletzt.
Verantwortung für Islamisten aus über 50 Staaten
Weiter hieß es in der Erklärung der Autonomieverwaltung: „Der Terror wird jedoch bis heute von verdeckten Zellen des IS und in ideologischer Hinsicht in den früher jahrelang besetzten Gebieten fortgesetzt. Diese Last tragen wir weiterhin. In den Händen der Autonomieverwaltung befinden sich knapp 12.000 IS-Mitglieder. Davon stammen 2000 aus dem Irak, 2000 aus 50 verschiedenen Ländern und 5000 aus Syrien. Darüber hinaus sind Tausende IS-Frauen und Kinder in den Camps Hol und Roj untergebracht. Die Sicherheit obliegt der Autonomieverwaltung und den QSD und stellt eine hohe Last dar. Die QSD setzen ihre Operationen gegen den IS trotzdem fort und haben zahlreiche weitere Mitglieder verhaftet.“
International anerkannter Gerichtshof für IS-Verbrecher
Die Autonomieverwaltung habe seit Jahren auf die Gefährlichkeit der Lage hingewiesen und erklärt, dass dieser Zustand die internationale Gemeinschaft etwas angehe, so die Ko-Vorsitzenden auf der Pressekonferenz in Hesekê: „Dieses Problem muss koordiniert von der Autonomieverwaltung und den involvierten Staaten gelöst werden. Es muss entweder ein internationaler unabhängiger Gerichtshof eingerichtet werden oder die IS-Mitglieder müssen hier im Autonomiegebiet vor ein international anerkanntes Gericht gestellt werden. Der Gerechtigkeit muss Genüge getan werden. Die Regierungen der jeweiligen Länder müssen Verantwortung für ihre Staatsangehörigen innerhalb des IS übernehmen. Vor allem die Kinder und Frauen müssen in ihre Herkunftsländer überführt werden. Die Autonomieverwaltung muss darin unterstützt werden, die Minderjährigen zu rehabilitieren und die Sicherheit und die humanitären Bedingungen in den Camps und Haftzentren zu verbessern. Weil die internationale Gemeinschaft keine Verantwortung übernimmt, sind wir mit gefährlichen Problemen konfrontiert. In Camp Hol kommt es fast täglich zu Massakern. Menschen werden geköpft und Zelte angezündet.“
Damaskus und Ankara wollen vom IS profitieren
Mit dem monatelang geplanten Angriff von knapp 200 aus der türkischen Besatzungszone und dem Irak in Hesekê eingesickerten Islamisten auf das Sina-Gefängnis sei eine Wiederbelebung des IS und die Eliminierung des Projekts der Selbstverwaltung in Nordostsyrien angestrebt worden. Parallel zu der versuchten Erstürmung des Haftzentrums habe der türkische Staat mit seinen dschihadistischen Söldnertrupps die Zivilbevölkerung von Ain Issa angegriffen. „Sowohl die Regierung in Damaskus als auch Erdogan und seine Partner wollten von dieser Situation profitieren. Sie haben der QSD und der globalen Koalition Kriegsverbrechen vorgeworfen, um die Autonomieverwaltung zu schwächen und die Terroristen zu unterstützen. Gleichzeitig haben sie versucht, in der Region ethnische Konflikte zu schüren. Beide Seiten müssen von dieser schmutzigen Politik absehen, weil sie damit der Wiederbelebung des Terrors dienen.“
Direkte humanitäre Unterstützung
Die Autonomieverwaltung fordert zudem internationale Unterstützung für den Antiterrorkampf und für die Verbesserung der Lebensumstände in Nordostsyrien. Das Embargo gegen die Region müsse aufgehoben werden, weil der IS die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse für seine Rekrutierung innerhalb der Bevölkerung ausnutze. Die humanitäre Versorgung müsse verbessert werden und dafür sei die Wiedereröffnung des Grenzübergangs Til Koçer (ar. Al-Yarubiyah) notwendig, so die Autonomieverwaltung: „Die Hilfslieferungen über Damaskus reichen nicht aus. Die Vereinten Nationen sagen, dass aufgrund der Vorfälle in Hesekê 36 Lastwagen mit Hilfsgütern geschickt wurden. Diese Hilfsgüter kommen jedoch in dem von Damaskus kontrollierten Zentrum in Qamişlo an und erreichen uns nicht.“