Anklage gegen IS-Paar wegen Versklavung ezidischer Mädchen

Die Bundesanwaltschaft hat vor dem Staatsschutzsenat des OLG München Anklage gegen zwei irakische Staatsangehörige wegen mutmaßlicher Beteiligung am Völkermord in Şengal erhoben. Sie sollen zwei ezidische Mädchen versklavt haben.

OLG München

Die Bundesanwaltschaft hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) München Anklage gegen zwei irakische Staatsangehörige erhoben. Bei dem Ehepaar soll es sich um mutmaßliche Mitglieder der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) handeln, teilte die Karlsruher Behörde am Montag mit.

Die Anklageerhebung gegen Twana H. S. und Asia R. A. erfolgte demnach bereits am 9. Dezember. Beide seien des Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit – unter anderem durch Versklavung und Folter – sowie Kriegsverbrechen gegen Personen dringend verdächtig. Diese Taten erfüllen demnach zudem die Tatbestände des Menschenhandels und des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, so die Bundesanwaltschaft. Daneben steht der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung im Raum. Die Frau soll zur Tatzeit teilweise als Heranwachsende gehandelt haben.

Aus Şengal verschleppte Mädchen auf Basar gekauft und vergewaltigt

Laut Anklageschrift waren Twana H. S. und Asia R. A. nach islamischem Recht verheiratet und gehörten zwischen Oktober 2015 und Dezember 2017 im Irak sowie in Syrien dem IS als Mitglieder an. Auf Wunsch der Frau soll der Mann im Herbst 2015 auf einem Basar in Mossul ein damals fünfjähriges ezidisches Mädchen als Sklavin gekauft haben. Anfang Oktober 2017 habe das Ehepaar ein weiteres, damals zwölfjähriges ezidisches Mädchen erworben. Die Kinder hatte der IS beim Völkermord von 2014 aus Şengal (Sindschar) verschleppt.

Am 3. August 2014 überfiel der IS die Şengal-Region im Irak mit dem Ziel, eine der ältesten Religionsgemeinschaften auszulöschen: Die Ezidinnen und Eziden. Durch systematische Massakrierung, Vergewaltigung, Folterung, Vertreibung, Versklavung von Mädchen und Frauen und der Zwangsrekrutierung von Jungen als Kindersoldaten erlebte die ezidische Gemeinschaft den 74. Völkermord in ihrer Geschichte. Etwa 10.000 Menschen fielen jüngeren Schätzungen nach Massakern zum Opfer, mehr als 400.000 weitere wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Über 7.000 Frauen und Kinder wurden verschleppt, bis heute werden 2.500 von ihnen vermisst. Daher stellt dieser Genozid in seiner Form zugleich auch einen Femizid dar.


Twana H. S. soll beide Kinder mehrfach vergewaltigt haben. Seine Frau habe dafür das Zimmer hergerichtet und eines der Mädchen geschminkt, so die Bundesanwaltschaft. Zudem hätten die Angeschuldigten die Sklavinnen wirtschaftlich ausgebeutet, indem sie diese unentwegt zur Hausarbeit und Kinderbetreuung heranzogen. Die Ausübung ihrer eigenen Religion sei den Mädchen untersagt gewesen; stattdessen hätten sie nach den Vorgaben der Angeschuldigten islamische Gebete und Glaubensregeln befolgen müssen.

Unfassbare Gräueltaten zur Vernichtung des ezidischen Glaubens

Auf vermeintliche Verfehlungen der Kinder sollen die Angeschuldigten mit harscher körperlicher Gewalt reagiert haben. So sollen sie die Kinder regelmäßig geschlagen haben, zum Teil auch mit harten Gegenständen. Bei einer Gelegenheit habe die Angeklagte die Hand des jüngeren Mädchens mit heißem Wasser verbrüht. Vor ihrer Ausreise aus Syrien im November 2017 soll das Paar die Mädchen an andere IS-Mitglieder weitergereicht haben. Dies alles habe dem erklärten Ziel des IS gedient, den ezidischen Glauben zu vernichten, so die Bundesanwaltschaft.

Seit April in U-Haft

Twana H. S. und Asia R. A. waren im vergangenen April in Regensburg und im Landkreis Roth durch Beamt:innen des Bundeskriminalamts festgenommen worden und befinden sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Der Staatsschutzsenat des OLG München muss nun über die Zulassung der Anklage entscheiden.

Foto: Ezid:innen flüchten vor dem anrückenden IS ins in Şengal-Gebirge © Abdurrahman Gök/MA