Yekbûn Şoreş und Rustem Hemdem im Metîna-Widerstand gefallen

Die YJA-Star-Kämpferin Yekbûn Şoreş und der HPG-Kämpfer Rustem Hemdem sind bei der Verteidigung von Metîna gefallen. Die HPG würdigen ihren Widerstand und sprechen der kurdischen Bevölkerung ihr Mitgefühl aus.

Kampf der Würde

Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben den Tod von Yekbûn Şoreş und Rustem Hemdem bekannt gegeben. Die Guerillakämpfer:innen kamen im Mai im Widerstand gegen die türkische Besatzung in der Metîna-Region ums Leben, teilten die HPG am Montag in Behdînan mit und sprachen den Angehörigen der Gefallenen sowie dem kurdischen Volk ihr Mitgefühl aus. Zur Biografie von Yekbûn Şoreş und Rustem Hemdem machte die Guerillaorganisation folgende Angaben:

Codename: Yekbûn Şoreş

Vor- und Nachname: Nisan Ay

Geburtsort: Amed

Namen von Mutter und Vater: Ayhan – Mehmet Emin

Todestag und -ort: 19. Mai 2024 / Metîna

Codename: Rustem Hemdem

Vor- und Nachname: Sedat Özen

Geburtsort: Mûş

Namen von Mutter und Vater: Perihan – Misbeh

Todestag und -ort: 20. Mai 2024 / Metîna


Yekbûn Şoreş

Yekbûn Şoreş wurde in Amed (tr. Diyarbakır) geboren. Sie wuchs in einer der Kultur Kurdistans und dem kurdischen Befreiungskampf nahestehenden Familie auf. Ihre Kindheit verbrachte sie im Dorf ihrer Eltern. Hier begegnete sie auch infolge von Überfällen und Gewalt der türkischen Armee erstmals der Realität des Staates. Unter diesem Eindruck migrierte die Familie nach Izmir, eine Stadt an der türkischen Ägäisküste.

Mit dem Älterwerden wurde die Auseinandersetzung Yekbûn Şoreşs mit dem Kriegszustand in Kurdistan und der dort allgegenwärtigen Unterdrückung noch deutlicher. Prägend wirkte sich in dieser Phase die Tötung eines Onkels mütterlicherseits durch den Staat aus. Sie selbst erlebte ebenfalls die Repression des Systems. Diese Tatsache führte dazu, dass sie die Schule verließ und stattdessen verschiedenen Tätigkeiten nachging – auch, um ihre Familie zu unterstützen.

„Während Hevala Yekbûn arbeitete, vertiefte sie die Hinterfragung des Systems. Sie betrachtete die den Frauen zugewiesene Rolle in der Gesellschaft, lehnte den Akt der Kommerzialisierung der Frau und den Missbrauch ihres Körper als Werbeträger entschieden ab“, so die HPG. In diese Zeit fiel der Widerstand für Selbstverwaltung 2015 in den kurdischen Provinzen. Schon damals wollte sich Yekbûn Şoreş der Befreiungsbewegung anschließen, musste die Umsetzung dieser Entscheidung jedoch um einige Jahre verschieben. 2019 gelang es ihr, die Hürden zu überwinden und zur Guerilla zu gehen.


In den Bergen durchlief Yekbûn Şoreş zunächst eine militärische und ideologische Grundausbildung. Dabei setzte sie sich intensiv mit dem Frauenbefreiungsparadigma von PKK-Begründer Abdullah Öcalan auseinander. Über die Jahre betonte der kurdische Vordenker oft, dass der Grad der Befreiung der Frau ein Maßstab für die Befreiung der Gesellschaft sei. Yekbûn Şoreş wurde mit dem Leitspruch „Gesellschaftliche Freiheit und Frauenbefreiung sind untrennbar“ Teil der Frauenpartei PAJK und der autonomen Frauenguerilla YJA Star (Verbände freier Frauen). Mit der Eskalation des Krieges in Südkurdistan ging sie zu Beginn der 2020er nach Metîna. Hier kämpfte sie an verschiedenen Fronten gegen die Besatzung. Am 19. Mai 2024 wurde sie bei einem feindlichen Angriff auf Metîna schwer verletzt. Dennoch habe sie bis zu ihrem letzten Atemzug gekämpft. „Hevala Yekbûn war eine apoistische Militante. Mit ihrer selbstlosen Art, ihrer unerschütterlichen Liebe und Freundschaft, hat sie ihren Namen in die Geschichte unseres Widerstands eingetragen und in den Herzen aller Weggefährt:innen bleibende Spuren hinterlassen. Als Zeichen unserer Verbundenheit begreifen wir es als unserer Verpflichtung, das von Hevala Yekbûn hinterlassene Erbe des Kampfes mit Erfolg anzutreten.“

Rustem Hemdem

Rustem Hemdem stammte aus dem Kreis Tîl (Korkut) in der Provinz Mûş. Er wuchs in einem der kurdischen Sache verbundenen Familienumfeld auf und empfand schon als Kind Sympathie für den Befreiungskampf. In diese Zeit fiel auch seine erste Konfrontation mit der Assimilationspolitik des türkischen Staates gegenüber den Kurdinnen und Kurden. Schon als Schüler erkannte er die widersprüchliche Rolle der Schule als Instanz der Assimilation und Aufklärung zugleich. Er selbst bekam vor allem die assimilative Funktion der Schule zu spüren, da sie die Leugnung der kurdischen Identität erzwang.

Diese Erfahrungen setzten sich auch fort, als die Familie von Rustem Hemdem Mûş verließ und in den Westen der Türkei migrierte. Er nahm dies zum Anlass, sich noch intensiver mit seiner Identität und Kultur auseinanderzusetzen. An der Trakya-Universität in Edirne bot sich ihm während seines Informatik-Studiums die Möglichkeit, die Realität der Assimilation noch deutlicher zu analysieren. Er betrachtete das Bildungssystem in der Türkei als Mechanismus der Entfremdung von der eigenen Identität; die Schulen in Kurdistan sah er als Komponente der staatlichen „Sicherheitspolitik“, die Region unter Kontrolle zu halten.


Seine eigene politische Antwort darauf lieferte Rustem Hemdem mit seinem Beitritt in die Revolutionäre Jugend Kurdistans. Es waren die Jahre Ende der 2000er, als die kurdische Bewegung ihre Kampagne „Edî bes e“ führte. 2008 wurde er im Zuge dieser Aktivitäten verhaftet und verbrachte die nächsten zehn Jahre im türkischen Kerker, darunter in Edirne, Tekirdağ und Bandırma. Nach seiner Entlassung im Jahr 2018 ging er in die Berge.


Bei der Guerilla durchlief Rustem Hemdem zunächst eine militärische Grundausbildung. Auch im ideologischen Bereich intensivierte er sein Wissen. Erste praktische Erfahrungen im Kampf leistete er beim Widerstand gegen die im Februar 2021 eingeleitete Besatzungsoperation in Gare. Nach erfolgreicher Abwehr der Invasion zog er sich zunächst für eine Weile in den akademischen Bereich zurück, bevor er wieder an die Front wechselte – diesmal in Metîna. Er war Teil der mobilen Guerillateams in Girê Hekarî und war auch in Golka im Einsatz gegen die Invasion. Mit Beginn der jüngsten Offensive der türkischen Armee auf Metîna am 16. April war unter den ersten Guerillaeinheiten, die gegen die Besatzung vorgingen. Am 20. Mai wurde Rustem Hemdem bei einem Feindkontakt und darauffolgenden Gefechten schwer verletzt. Um nicht in Gefangenschaft zu geraten, sprengte er sich mit einer Handgranate selbst in die Luft.

„Als Hevalê Rustems Kameraden wiederholen wir unser Versprechen, dass wir den Träumen all unserer Gefallener folgen und mit der Fahne des Kampfes, die sie uns anvertraut haben, auf die Siegesgerade ziehen werden“, erklärten die HPG.