Polizei verbietet Grabbesuch bei Opfern der Todeskeller von Cizîr

In Pirsûs wurde ein Grabbesuch bei dem Journalisten Rohat Aktaş und dem Politiker Mehmet Yavuzel von der Polizei verboten. Die beiden Kurden waren 2016 während der Militärbelagerung von Cizîr in einem der Todeskeller verbrannt worden.

Die Polizei in Pirsûs (tr. Suruç) hat einen Grabbesuch bei Opfern der türkischen Militärgewalt verboten. Zur Begründung hieß es, die Anwesenheit mehrerer Menschen auf dem Friedhof würde eine Störung der Totenruhe bedeuten. Das von Angehörigen, politischen Parteien und NGOs veranstaltete Gedenken wurde daraufhin auf den Vorplatz der Begräbnisstätte verlagert. Aus Protest gegen die als willkürlich bezeichnete Unterbindung durch die Polizei fand ein stilles Sit-in vor dem Friedhof statt.

Grund für die Zusammenkunft in Pirsûs war der Wunsch der Anwesenden, an Rohat Aktaş und Mehmet Yavuzel zu erinnern. Beide Kurden wurden am 13. Februar 2016 zusammen mit 59 weiteren Menschen in einem der „Todeskeller von Cizîr“ getötet. In dem Wohnhaus hatten Menschen Schutz vor der Belagerung der kurdischen Stadt durch das türkische Militär gesucht. Armeeangehörige leiteten Benzin in den Keller des Gebäudes, niemand überlebte das bis heute ungesühnte Massaker.

Ähnliche Szenen wie heute hatten sich vor dem Friedhof in Pirsûs auch vor zwei Jahren abgespielt (c) MA

Rohat Aktaş war Journalist und arbeitete als Redakteur für Azadiya Welat (ku. Freie Heimat), der einzigen kurdischsprachigen Tageszeitung, die später per Notstandsdekret verboten wurde. Mehmet Yavuzel engagierte sich auf lokaler Ebene bei der Partei der demokratischen Regionen (DBP), einer Schwesterpartei der HDP-Nachfolgerin DEM. Zum Friedhof waren neben ihren Angehörigen auch Mitglieder der Provinz- und Bezirksverbände der DBP und DEM sowie des Journalistenvereins Dicle-Firat (DFG) gekommen. Anwesend waren auch Familienangehörige des YSP-Kämpfers Mazlum Yeşil, der am 5. Februar 2016 von der türkischen Armee in Şirnex (Şırnak) ermordet wurde und ebenfalls in Pirsûs begraben liegt.

Protestmarsch durch Pirsûs nach dem Sit-in am Friedhof (c) MA

In mehreren Redebeiträgen, die umringt von türkischen Polizisten gehalten wurden, verurteilten die Anwesenden das Verbot des Friedhofbesuchs. Der Journalist Serdar Altan, der zugleich Ko-Vorsitzender des DFG ist, bezeichnete die Maßnahme als einen „ungeheuerlichen und erbärmlichen Versuch der Staatsgewalt“, das kollektive Gedächtnis der kurdischen Bevölkerung disziplinieren zu wollen. „Auch wenn Jahrhunderte vergehen, werden wir die barbarischen Taten der Militärbelagerung nicht vergessen“, sagte Altan. Der DEM-Abgeordnete Ömer Öcalan verurteilte das Vorgehen der Polizei als „große Schande“, die noch lange auf der Türkei lasten werde. Nach weiteren Ansprachen führte die Menge einen spontanen Protestmarsch durch das Zentrum von Pirsûs durch.