Der Exekutivrat der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) wendet sich mit einen dringenden Appell an die kurdische Öffentlichkeit. Durch die Belagerung von Guerillagebieten durch militärische Kräfte der PDK drohe die Lage in Südkurdistan zu eskalieren. Um einen innerkurdischen Krieg abzuwenden, sei jetzt eindringliches Handeln erforderlich:
Während in Metîna, Avaşîn und Zap schwere Gefechte zwischen der Guerilla und der türkischen Armee stattfinden, hält die PDK (Demokratische Partei Kurdistans) Spannungen aufrecht, die jederzeit zu Auseinandersetzungen zwischen militärischen Kräften der PDK und der Guerilla führen können. Auch Murat Karayılan, Oberkommandierender des zentralen Hauptquartiers der HPG (Volksverteidigungskräfte), betonte zuletzt, PDK-Kräfte würden zahlreiche Stellungen in der Nähe von Guerillagebieten installieren wollen, wodurch eine Risikolage vorliege. Er rief zudem das kurdische Volk, Intellektuelle, Künstlerinnen und Künstler und politischen Kräfte dazu auf, ihrer Verantwortung zur Verhinderung derartiger Gefechte gerecht zu werden.
In Europa haben kurdische Kunstschaffende und Intellektuelle – das Gewissen des kurdischen Volkes – umgehend auf diesen Appell reagiert. Sie haben deutlich gemacht, dass Gefechte zwischen den PDK-Spezialeinheiten und der Guerilla dem Freiheitskampf des kurdischen Volkes großen Schaden zufügen würden und riefen die PDK dazu auf, die Guerillagebiete nicht zu belagern. Die Gefühle der Künstlerinnen und Künstler sind zugleich die Gefühle und Wünsche des gesamten kurdischen Volkes. Wir gratulieren ihnen zu ihrerseits unter Beweis gestellten aufmerksamen Haltung. Wir sind fest davon überzeugt, dass sie durch eine Ausweitung ihrer Aktivitäten eine historische Rolle dabei spielen werden, solch einen Krieg zu verhindern, der nur dem türkischen Staat als führender Kraft der Kurdenfeindlichkeit nutzen würde.
Die Stimme kurdischer Kunstschaffender und Intellektueller ernst zu nehmen, stellt eine nationale Verantwortung Aller dar. Dadurch werden das gesamte kurdische Volk und all seine politischen Kräfte ihrer Verantwortung gerecht werden und eine klare Antwort auf den Aufruf unseres Freundes und HPG-Oberkommandierenden Murat Karayılan geben. In der kurdischen Öffentlichkeit ist bereits ein wichtiges Maß an Aufmerksamkeit entstanden, um derartigen Konflikten vorzubeugen, die nur dem kolonialen türkischen Staat dienen würden.
Murat Karayılan hat die Haltung unserer Bewegung eindeutig dargestellt. Wir verfolgen eine Politik, die keinerlei Auseinandersetzungen mit anderen kurdischen politischen und militärischen Gruppen vorsieht. Ganz im Gegenteil: trotz der seit mehr als einem Jahr andauernden Schritte der PDK gegen uns haben wir aufgrund unseres Verantwortungsgefühls für das kurdische Volk und dessen Freiheitskampf Auseinandersetzungen stets vermieden. Trotz der Haltung der PDK, welche die Grundlage für die Besatzungsangriffe des türkischen Staates schafft, haben wir uns geduldig und verantwortungsvoll verhalten. Wir haben somit kontinuierlich versucht, uns nicht zu einem Teil der Spiele des türkischen Staates machen zu lassen. Wir haben alle nötigen Anstrengungen dafür unternommen, durch Verhandlungen existierende Spannungen aufzulösen und die Grundlage für mögliche Auseinandersetzungen zu beheben. Doch die Entscheidung der PDK, ihre militärischen Kräfte in Guerillagebiete zu verlegen, während der türkische Staat seine Besatzungsangriffe intensiviert, hat aktuell zu einer Lage geführt, in der es zu Gefechten kommen kann, welche negative Auswirkungen auf die kurdische Geschichte haben würden. Trotz des Befehls der HPG-Zentralkommandantur an die Guerilla, Geduld zu beweisen und sich nicht in Gefechte verwickeln zu lassen, führt die derzeitige Haltung der PDK dazu, dass es jederzeit zu Auseinandersetzungen [zwischen Guerilla und Peschmerga] und folglich zur Ausweitung möglicher Gefechte kommen kann. Erklärungen von PDK-Kommandanten, die klingen, als befänden sie sich bereits in einem offenen Krieg gegen die Guerilla, und provozierende Veröffentlichungen in PDK- nahen Medien sind Ausdruck dieser aktuellen Lage. Unser gesamtes Volk und die Öffentlichkeit sollten sich darüber bewusst sein, dass wir als Bewegung bis zum letzten Moment derartige Auseinandersetzungen vermeiden werden. Doch sollte es in dieser Situation trotzdem zu Gefechten kommen, ist dafür ausschließlich die PDK verantwortlich.
Der von der PDK gestellte Innenminister [der Region Kurdistan-Irak] bezichtigt selbst Personen, die aus Europa in die Kriegsgebiete in Südkurdistan reisen möchten, um dort als lebende Schutzschilder einen Krieg zwischen der Guerilla und den militärischen Kräften der PDK zu verhindern, der Provokation. Das ist ein offensichtlicher Versuch, die eigenen Provokationen und die eigene Kriegspolitik durch derartige Verfälschungen und Propaganda zu verdecken. Jeden Tag verbreitet die PDK Propaganda gegen die PKK und Guerilla und verhöhnt die Bevölkerung. Diese Haltung und Herangehensweise verdeutlicht den Ernst der Lage. Demgegenüber gewinnt der Aufruf von Murat Karayılan noch einmal zusätzlich an Bedeutung.
Jüngst kritisierte Ethem Barzani, selbst Mitglied der PDK-Führung, die Politik seiner Partei und deren Beziehungen mit dem türkischen Staat und distanzierte sich von ihr. Verantwortliche der YNK (Patriotische Union Kurdistans) erklärten öffentlich, dass sie sich nicht an einem innerkurdischen Krieg beteiligen würden. Auch die Kommunistische Partei Südkurdistans (Hizbu Şui) bezog Haltung. Zudem stellten zahlreiche prominente Persönlichkeiten Südkurdistans ihre aufmerksame Haltung unter Beweis, viele Institutionen wandten sich mit Erklärungen an die Öffentlichkeit. All das geschah, weil die unmittelbare Gefahr eines innerkurdischen Krieges erkannt wurde. Die vor dem Hintergrund dieser unmittelbaren Kriegsgefahr erfolgten Erklärungen sind Beispiele für zutiefst verantwortungsvolles Verhalten.
Die Guerilla und die kurdische Freiheitsbewegung leisten einen historischen Widerstand gegen die Besatzung durch den türkischen Staat. Und sie werden ihren Widerstand auch in Zukunft fortsetzen. Durch ihr selbstloses Handeln riskieren kurdische junge Frauen und Männer ihr Leben und leisten Gegenwehr gegen die Aggressoren. Es ist somit die historische Verantwortung aller Kurdinnen und Kurden, die Belagerung von Guerillagebieten durch die PDK zu verhindern. Wir wünschen uns, dass die PDK keine negative Rolle gegenüber dem riesigen Widerstand spielt, der gegen die türkische Besatzung geleistet wird. Selbst wenn die PDK unseren Kampf gegen die Invasion nicht unterstützt, sollte sie doch von Maßnahmen absehen, die ihn schwächen. Aktuell wird der Widerstand negativ beeinflusst, da zahlreiche Guerillaeinheiten sich gegen PDK-Truppen schützen müssen, obwohl sie eigentlich gegen die Besatzer kämpfen sollten. Aufgrund der Belagerung durch die PDK wird der Kontakt zwischen den einzelnen Guerillagebieten unterbrochen. Damit dienen die PDK-Kräfte bereits den Interessen der Besatzer. Diese Haltung muss aufgegeben werden. Denn während der Krieg gegen die Invasion andauert, ist derartiges Handeln einer kurdischen Partei und ihrer militärischen Kräfte nicht akzeptabel.
Das kurdische Volk, alle Künstlerinnen und Künstler, Intellektuelle und politische Kräfte müssen den Ernst der derzeitigen Lage erkennen. Sie müssen dementsprechend aktiv werden, um die Politik der PDK zu stoppen, die einen sehr negativen Einfluss auf den Freiheitskampf des kurdischen Volkes hat. Sie müssen ihren Einfluss nutzen, um in dieser schwierigen Phase einzugreifen und die Pläne der Türkei zu durchkreuzen. Das ist aktuell die drängendste Aufgabe aller Kurdinnen und Kurden. Es ist Zeit, die kurdischen Jugendlichen zu unterstützen, die gegen die Besatzung Widerstand leisten, und gegen jegliche Haltungen Position zu beziehen, die den Widerstand negativ beeinflussen und zu schweren Verlusten führen können. Wir sind davon überzeugt, dass sich das kurdische Volk überall erheben und so seinen Beitrag zum Erfolg seines Freiheitskampfes leisten wird.