HPG erinnern an Botan-Gefallene

Das Pressezentrum der HPG veröffentlicht die Identitäten der 2022 in Botan gefallenen Guerillakämpfer Xemgîn Hêşetî und Abbas Herekol.

Das Pressezentrum der HPG teilt mit, dass die beiden Kämpfer Xemgîn Hêşetî (Irfan Çağla) und Abbas Herekol (Serhat İpekten) am 12. Oktober 2022 bei einem Gefecht mit der türkischen Armee in Berwarî in der nordkurdischen Provinz Sêrt gefallen sind. Die türkische Armee habe die beiden, die mit Sturmgewehren gegen die modernste Technik kämpfen, erst durch ein massives Bombardement aus Kampfflugzeugen töten können.

„Die Genossen Xemgîn und Abbas, die einander in ihrem Wesen, ihrer Persönlichkeit, Herkunft, und ihrer Wege zur Teilnahme am Kampf ebenso wie in ihrem Lebensalter ähnlich waren, verbrachten ihre Jahre im Kampf in verschiedenen Bereichen, aber auf dieselbe Weise“, erklären die HPG. „Sie befinden sich unter den wertvollsten und bedeutendsten Kindern unseres Volkes. Sie haben zum Freiheitskampf unseres Volkes beigetragen und sind zu wegweisenden Militanten unserer Partei geworden. In ihren Persönlichkeiten verband sich die Identität der Menschen von Botan mit apoistischer Opferbereitschaft. So trugen sie den mutigen Kampf durch die Berge und Ebenen Kurdistans. Die Dörfer Hêşet und Ewrex, das Volk von Botan und das gesamte kurdische Volk werden immer stolz auf sie sein, und sie werden als Symbole unseres Kampfes und beispielhafte Militante in Erinnerung bleiben. In dieser Überzeugung und mit diesen Gefühlen sprechen wir ihren werten patriotischen Familien und dem gesamten kurdischen Volk unser Beileid aus und bekräftigen unser Versprechen, dass wir die Linie der Gefallenen konsequent weiterverfolgen werden.“

Codename: Xemgîn Hêşetî
Vor- und Nachname: Irfan Çağla
Geburtsort: Sêrt
Namen von Mutter und Vater: Makbule – Ramazan
Todestag und -ort: 12. Oktober 2022 / Botan
Codename: Abbas Herekol
Vor- und Nachname: Serhat İpekten
Geburtsort: Sêrt
Namen von Mutter und Vater: Emine – Halil
Todestag und -ort: 12. Oktober 2022 / Botan


Xemgîn Hêşetî – Kampf in den Bergen und Städten

Xemgîn Hêşetî kam im Jahr 1984, dem Jahr des Beginns des bewaffneten Kampfes der PKK, im Dorf Hêşet im Kreis Perwarî in der nordkurdischen Provinz Sêrt zur Welt. Er wuchs in dem Dorf an den Hängen des für den Widerstand der Guerilla berühmten Bergs Herekol auf und erlebte dort den Freiheitskampf mit eigenen Augen und Ohren. Das Dorf Hêşet ist bekannt für die vielen Guerillakämpfer:innen, die aus ihm stammen. Es kann auf eine jahrhundertealte Widerstandstradition von den Kämpfen der Stämme um Mîr Bedirxan bis zum Freiheitskampf der Guerilla zurückblicken. Diese Geschichte prägte das Dorf patriotisch und beeinflusste Xemgîn Hêşetî in seiner Kindheit und Jugend. Als Kind aus einer Landarbeiterfamilie beteiligte er sich an allen Arbeiten des Dorfes und lernte die Wege durch die Berge kennen. Die von Assimilationspolitik geprägten türkischen Schulen, die er gezwungenermaßen einige Jahre besuchen musste, ließ er schnell hinter sich.


Er empfand immer einer große Sehnsucht nach Freiheit, freiem Leben und Befreiung und so strebte er zur Guerilla. Nach der vernichtenden Niederlage der türkischen Armee 2008 im Zap herrschte Aufbruchsstimmung und viele Menschen traten der Guerilla bei. Auch Xemgîn Hêşetî ergriff die Gelegenheit und schloss sich zusammen mit einem Freund aus seinem Dorf im Sommer 2009 am Berg Kato in der nordkurdischen Region Botan dem bewaffneten Freiheitskampf an. Dort erhielt er 15 Tage Grundausbildung und ging sofort in der schwierigen Region in die Praxis. In seiner Biographie heißt es: „In den beschränkten und schwierigen Verhältnissen in Nordkurdistan genügten unserem Freund Xemgîn nur 15 Tage lang Ausbildung. Diese Ausbildung wurde zur Grundlage seines Weges durch den Guerillakampf. Tatsächlich kämpfte Hevalê Xemgîn die folgenden acht Jahre auf der Grundlage dieser Ausbildung ununterbrochen in Botan.

Die Praxis und das Leben des Genossen Xemgîn haben gezeigt, dass es beim Verstehen der PKK nicht darum geht, mehr oder weniger Bildung zu haben, tagelang zu reden oder nicht zu reden; es geht darum, ein reines Herz, eine aufrichtige Moral, eine engagierte Herangehensweise, ein klares Bewusstsein und eine beständige Persönlichkeit zu haben.“ Zwischen 2009 und 2017 kämpfte Xemgîn Hêşetî vor allem am Berg Kato und im allgemeinen in der Region Botan. Er kannte jeden Stein am Kato und nahm an allen Tätigkeiten teil, vom Kämpfer bis zum Kleingruppen- und Einheitskommandanten, vom Kurier bis hin zu logistischen Aktivitäten, von der Teilnahme an Aktionen bis zur Basisarbeit. So beteiligte er sich auch eine Zeitlang mit großem Erfolg am Kampf der Zivilen Verteidigungseinheiten (YPS) in den Städten.


Das Pressezentrum der HPG schreibt dazu: „Der Genosse Xemgîn war sich bewusst, dass der revolutionäre Volkskrieg nicht auf die Guerilla beschränkt sein kann, sondern dass sich auch das kurdische Volk auf allen Ebenen verteidigen muss. So fokussierte er sich auf die Selbstverteidigungsaktivitäten. Er beteiligte sich an diesen Aktivitäten auf führender Ebene mit dem Ziel, die Selbstverteidigungskraft der Menschen in Botan zu stärken. Unser Freund Xemgîn war durch seinen starken volksnahen Charakter in der Gesellschaftsarbeit erfolgreich. Er erwarb sich in allen Gebieten, in denen er tätig war, den Respekt des Volkes und insbesondere die große Liebe und das Interesse der kurdischen Kinder.“

Xemgîn Hêşetî bildete sich theoretisch und ideologisch immer weiter und wechselte 2017 in die Medya-Verteidigungsgebiete, um eine Weiterbildung an der zentralen Parteischule Mazlum Doğan zu erhalten. Dort beschäftigte er sich eingehend mit der apoistischen Ideologie, den Paradigmen der Freiheitsbewegung, dem Freiheitskampf, Organisationsfragen und der modernen Guerillataktik. Gleichzeitig gab er seine umfassenden praktischen Erfahrungen weiter. Aufgrund seiner selbstlosen Beteiligung an allen ihm übertragenen Aufgaben wurde er für eine weitere Bildungseinheit vorgeschlagen und ging 2019 zurück nach Botan, um seine neuen Kenntnisse in die Region zu tragen. Mit großer Begeisterung übernahm er eine Aufgabe im Gebietskommando und wurde schnell wieder Teil der Praxis. Die Tatsache, dass er wieder zurück in Botan war, gab seinen Genoss:innen dort Kraft und Moral. Sein Kommando wird von den HPG als „ein Beispiel von Opferbereitschaft“ beschrieben: „Er zögerte nicht, dem kolonialistischen Feind, wann immer sich die Gelegenheit dazu ergab, Schläge zu versetzen. Er zeigte größten Mut und Entschlossenheit, Ergebnisse im Kampf zu erzielen.“

Abbas Herekol – „Alle PKK-Militanten sind Kommandant:innen“

Abbas Herekol stammte aus dem Kreis Perwarî in der nordkurdischen Provinz Sêrt. Sein Dorf Ewrex liegt an den Hängen des Berges Herekol und es bestehen enge Verwandtschaftsbeziehungen zum benachbarten Ort Hêşet. Ewrex ist tief mit der kurdischen Gesellschafts- und Widerstandstradition verbunden und hat sich bis heute seinen eigenen Charakter bewahrt. Mit dem Beginn des bewaffneten Kampfes in Botan haben die Menschen in der Region eine sehr enge Verbindung mit der Freiheitsbewegung aufgebaut; unzählige von ihnen haben sich in den vergangenen 40 Jahren am Kampf der Guerilla beteiligt und viele sind gefallen. Die Familie von Abbas Herekol steht beispielhaft dafür. Der große Bruder von Herekol, Isa Ipekten, ist 1990 in Gever gefallen, sein Cousin Ahmet Ipekten (Ömer) ist 1988 gefallen, seine Cousine Jiyan Herekol (Hindistan Ipekten) und sein Cousin Zinar (Talat Ilhan) sind 2015 bei der Verteidigung von Kobanê gefallen, seine Cousine Serhildan (Dilan Ayhan) ist 2020 am Herekol gefallen. Das ist die Realität, in der auch Abbas Herekol aufwuchs.


Er besuchte keine Schule des türkischen Staates, sondern lernte selbst Lesen und Schreiben. Er wuchs im natürlichen, kommunalen Dorfleben auf. Seine Familie betrieb Landwirtschaft jenseits von Profitorientierung und Kapitalismus. So lernte er bereits in jungen Jahren die apoistische Ideologie kennen. Er war tief von dem berührt, was er über den Apoismus, über die Genossenschaftlichkeit in der PKK und die Biographien der Gefallenen erfuhr, und sah seinen Weg selbst im Freiheitskampf. In diesem Sinne arbeitete er einige Zeit als Milizionär für die Guerilla am Berg Herekol. Dabei hat er alle Risiken der Arbeit eines Milizionärs, der in der Legalität für die Guerilla arbeitet, in Kauf genommen und war sehr erfolgreich bei der Unterstützung und Versorgung der Kämpfer:innen. Das reichte ihm aber nicht aus und so entschloss er sich, selbst dem Kampf beizutreten. Im Jahr 2010 schloss er sich am Berg Herekol der Guerilla an. Es war sein Wunsch dort, in seiner Heimatregion, den Kampf zu führen. Daher gab er sich den Namen Abbas Herekol. Er liebte das Leben in den Bergen und überwand alle Schwierigkeiten der harten Bedingungen in Botan schnell. In der nordkurdischen Region Besta erhielt er einige Tage Grundausbildung und ging dann in die Praxis. In seiner Biographie heißt es: „Obwohl Hevalê Abbas aufgrund seiner mangelnden Schulbildung nicht über viel theoretisches Wissen verfügte, war er in der Lage, das wahre Wesen der PKK durch seine entschlossene, ehrliche und aufrichtige Beteiligung zu begreifen und in diesem Sinne mit einer starken Überzeugung in die Praxis umzusetzen. Das Engagement von unserem Freund Abbas ist ein konkreter Beweis dafür, dass edle und aufrichtige Gefühle ein sehr starkes Bewusstsein und einen starken Willen im Menschen hervorbringen können.“

Abbas Herekol kämpfte bis 2013 in der Region Besta und nahm in den Jahren 2010, 2011 und 2012 an revolutionären Volkskriegsoperationen teil. Der Guerilla war es damals in vielen Regionen in Nordkurdistan gelungen, befreite Gebiete zu errichten und zu verteidigen. 2011 wurde er bei einem türkischen Angriff verletzt und setzte seinen Kampf fort.

Gleichzeitig befand er sich voller Neugier in einem ständigen ideologischen Weiterbildungsprozess. So kämpfte er auch mit sich selbst für die Entwicklung einer revolutionär-sozialistischen Persönlichkeit und die Schaffung eines freien Individuums. Mit dem Rückzug der Guerilla aus Nordkurdistan im Rahmen des Waffenstillstands 2013 wechselte er in die Medya-Verteidigungsgebiete. Dort nahm er an Bildungsprogrammen teil und ging anschließend 2014 auf eine Akademie für militärische Spezialisierung. Danach besuchte er die Akademie Şehîd Îbrahîm zur Vorbereitung auf ein Kommando. In der Ausbildung machte er große Entwicklungsschritte. Mit dem Angriff 2014 auf Kobanê ging Abbas Herekol sofort dorthin und stellte sich dem IS entgegen. Er trug mit seinen Erfahrungen im Guerillakrieg entscheidend zum Widerstand von Kobanê bei. Anschließend wurde er zum Teil einer Sicherheitseinheit, deren Aufgabe es war, eine Person aus dem Kommando der kurdischen Freiheitsbewegung zu schützen. Zwei Jahre lang übernahm er diese sensible und kritische Aufgabe mit größter Sorgfalt und Hingabe. Dabei lernte er viel von den Führungspersönlichkeiten der Freiheitsbewegung und gewann selbst an organisatorischer Erfahrung. Nach Abschluss dieser mit großem Erfolg erfüllten Aufgabe ging er zur Ausbildung als Führungskader an die zentrale Parteischule Mazlum Doğan. Auch dort machte er weitere wichtige Entwicklungen. Er fühlte sich dafür verantwortlich, die Linie der Frauenbefreiung zu übernehmen und das Patriarchat in sich selbst zu brechen. In seiner Biographie steht: „In diesem Sinne kämpfte er gegen die feudalen Aspekte seiner Persönlichkeit, er versuchte, den Kampf um Geschlechterbefreiung wirksam zu führen, und verstand es, die Liebe und den Respekt all seiner Genoss:innen, insbesondere der Frauen, in seinem Umfeld zu gewinnen.“

Abbas Herekol übernahm Aufgaben vom Einheitenkommandanten bis hin zum Frontkommandanten. Dazu heißt es: „Unser Freund Abbas betrachtete das Kommando nicht als eine Pflicht oder einen Rang, sondern als eine Lebensweise und als Vorreiterarbeit in der PKK. Aus diesem Grund erklärte er, dass alle PKK-Kämpfer:innen Kommandant:innen und Avantgarde sind. Dieser Grundsatz begleitete ihn sein ganzes Leben als Guerillakämpfer.“

Im Frühjahr 2018, nach Abschluss seiner Ausbildung, bestand Abbas Herekol darauf, wieder nach Botan zurückzukehren. Dort kämpfte er als Gebietskommandant des Gebietes Herekol und dann des Kato. Durch seine genauen Kenntnisse der Region konnte er für alle möglichen Probleme Lösungen finden und führte die Arbeiten in allen Bereichen an.

Kein Kompromiss bis zum letzten Atemzug“

Abschließend heißt es in der Erklärung des Pressezentrums: „Unsere Genossen Abbas und Xemgîn sind während der Ausübung ihrer Aufgaben mit dem Feind in ein Gefecht geraten. Sie kämpften in dem Gefecht mit größtem Mut. Der Feind konnte sie nicht bezwingen, daher ermordete er sie durch den massiven Einsatz von Kriegstechnik. Unsere Freunde Abbas und Xemgîn haben bis zu ihrem letzten Atemzug keinen Kompromisse im Leben ihrer aufopferungsvollen Militanz gemacht und sind gemeinsam gefallen.“