Guerillakämpferinnen im Zap ertrunken

Jiyanda Laşer und Berfîn Zîlan sind im April bei der versuchten Überquerung des Zap in Südkurdistan ertrunken. Die HPG würdigen die Kurdin Jiyanda aus Bakur und die Araberin Berfîn aus Rojava als wertvolle Militante des Frauenbefreiungskampfes.

Berfîn Zîlan und Jiyanda Laşer

Die Guerillakämpferinnen Jiyanda Laşer und Berfîn Zîlan sind im April bei der versuchten Überquerung des Zap in Südkurdistan ertrunken. Das teilte das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) heute in einem Nachruf mit. Die HPG sprechen von einem „bedauerlichen Unfall“ und würdigen die Kurdin Jiyanda aus Bakur und die Araberin Berfîn aus Rojava als wertvolle Militante des Frauenbefreiungskampfes. Den Angehörigen und der Bevölkerung Kurdistans sprechen die HPG ihr Beileid aus.

Aus dem Nachruf gehen folgende Angaben zur Identität und den Lebensläufen der gefallenen Kämpferinnen der Verbände freier Frauen (YJA Star) hervor:

Codename: Jiyanda Laşer
Vor- und Nachname: Fatma Kaynak
Geburtsort: Colemêrg
Namen von Mutter und Vater: Remziye – Abdulhalik
Todestag und -ort: 7. April 2024 / Zap

 

Codename: Berfîn Zîlan
Vor- und Nachname: Rîma Abdullah
Geburtsort: Efrîn
Namen von Mutter und Vater: Hamide – Muhammed
Todestag und -ort: 7. April 2024 / Zap


Jiyanda Laşer


Jiyanda Laşer ist in der nordkurdischen Provinz Colemêrg geboren und in einem der PKK nahestehenden Umfeld aufgewachsen. Sie war noch ein Kind, als sie das erste Mal Guerillakämpfer:innen sah. Die Begegnung hinterließ einen bleibenden Eindruck und Jiyanda nahm sich vor, eines Tages selbst eine Freiheitskämpferin in den Bergen zu werden. Als Heranwachsende blieb sie ihren Kindheitsträumen treu und engagierte sich in der revolutionären Jugendbewegung. Als der IS 2014 in Kurdistan einfiel, wollte sie sich an der Verteidigung von Kobanê und Şengal beteiligen. Aufgrund ihrer wichtigen Position in der Jugendbewegung musste sie diesen Wunsch zurückstellen. Dann kam Laşer (Köksal Çabuk), einer der ersten Guerillakämpfer, den sie persönlich kennengelernt hatte, in Cîlo ums Leben. Daraufhin ging Jiyanda 2015 ins Zagros-Gebirge und schloss sich der Guerilla an.


Aus dem Gebiet Cîlo kam Jiyanda für eine Grundausbildung in die Region Avaşîn. Weil sie an den Ausläufern des Zagros aufgewachsen war, bereitete ihr die Eingewöhnung in das Leben in den Bergen keine Schwierigkeiten. Durch ihre Arbeit in der Jugendbewegung hatte sie bereits organisatorische Erfahrung, in der Ausbildung erweiterte sie ihr ideologisches Wissen und erwarb militärische Kenntnisse. Nach ihrer Grundausbildung blieb Jiyanda bis 2021 in Avaşîn. In dieser Zeit lernte sie sich selbst besser kennen und wurde sich der Stärke von Frauen bewusst. Sie setzte sich mit der Philosophie von Abdullah Öcalan auseinander und sagte einmal, den Gefallenen könne man nur durch einen ununterbrochenen Kampf gerecht werden. Im Zuge der zunehmenden Angriffe der türkischen Armee nahm sie auf eigenen beharrlichen Wunsch an Guerillaaktionen gegen die Invasionstruppen teil. Sie kämpfte mit großem Mut und Opferbereitschaft und trug zu vielen erfolgreichen Aktionen bei. 2018 wurde sie verwundet, nach ihrer Genesung setzte sie ihren Kampf entschlossen fort. In den knapp sieben Jahren in Avaşîn lernte sie die gesamte Region kennen und reifte zu starken Kämpferin der YJA Star heran.


Um sich ideologisch weiterzubilden, kam Jiyanda an eine Guerillaakademie, an der sie sich mit ihrer bisherigen Praxis und ihrer eigenen Persönlichkeit auseinandersetzte. Danach kämpfte sie in Metîna und in der Zap-Region. Als sie im April bei ungünstigen Wetterbedingungen den Zap überqueren wollte, wurde sie von den Fluten mitgerissen und konnte nicht mehr gerettet werden. „Hevala Jiyanda wird in unserem Kampf mit ihrer Opferbereitschaft, ihrer Sensibilität für Frauen, ihrer innigen Kameradschaft und ihrem Lächeln in Erinnerung bleiben und uns den Weg weisen“, erklären die HPG.

Berfîn Zîlan


Berfîn Zîlan ist als Tochter arabischer Eltern in Efrîn geboren und in einer überwiegend kurdischen Nachbarschaft aufgewachsen. In Efrîn lebten damals viele verschiedene Bevölkerungsgruppen und Glaubensgemeinschaften friedlich zusammen. Als Jugendliche wurde Berfîn bewusst, dass eine Spaltung der Bevölkerung von staatlicher Seite absichtlich vorangetrieben wird. Ihr war dieser Ansatz fremd und sie bewahrte ihre Überzeugung von der Geschwisterlichkeit der Völker. Durch ihre kurdischen Nachbar:innen erfuhr sie von der PKK und dem Freiheitskampf in Kurdistan. Mit der Revolution von Rojava wuchs ihr Interesse an der Befreiungsbewegung und den Vorstellungen Abdullah Öcalans von einer auf Basisdemokratie, Frauenbefreiung und Ökologie gründenden Gesellschaftsordnung. Sie sah mit eigenen Augen, dass es sich dabei nicht nur um eine Theorie handelte, sondern diese Idee tatsächlich in die Praxis umgesetzt wurde.

Als Angehörige einer „Demokratischen Nation“ wollte sie zum Gelingen beitragen und die Revolution gegen Angriffe verteidigen. 2017 trat sie einer bewaffneten Einheit bei und wurde ideologisch und militärisch ausgebildet. Dabei wurden ihr viele Dinge klar, vor allem die Frauenbefreiungsideologie hatte einen prägenden Einfluss auf ihre weitere Entwicklung. Sie beteiligte sich am Widerstand gegen die Angriffe dschihadistischer Gruppen und kämpfte mutig und entschlossen gegen Islamisten. Bei einem Gefecht erlitt sie eine schwere Bauchverletzung, die sie jedoch nicht von ihrem Kampf abbringen konnte. Als der türkische Staat begriff, dass er die Revolution von Rojava nicht ausschließlich mit dschihadistischen Söldnerbanden zurückschlagen konnte und Anfang 2018 in Efrîn einfiel, nahm Berfîn an dem legendären Widerstand teil und wurde ein weiteres Mal verwundet.

Nach der Besatzung von Efrîn war Berfîn in verschiedenen Gebieten von Rojava aktiv. Sie kam für eine Ausbildung an die Akademie „Şehîd Ezîz Ereb“ und lernte zusammen mit weiteren arabischen Genossinnen und Genossen mehr über die Philosophie von Abdullah Öcalan. Von dort aus ging sie in die Berge zur Guerilla, die sie schon immer fasziniert hatte. Das Guerillaleben in der Natur begeisterte sie und sie nahm mit großem Enthusiasmus daran teil. Ihre militärische Erfahrung aus Rojava ergänzte sie durch einen Lehrgang, in dem sie spezielle Guerillataktiken trainierte. Nach einer Fachausbildung für schwere Waffen kam sie in eine halbmobile Einheit und kämpfte gegen die türkischen Invasionstruppen. Mit jeder erfolgreichen Aktion übte sie Rache für die Besatzung von Efrîn. 2022 ging sie in die Zap-Region und kämpfte sowohl in mobilen Einheiten als auch im Tunnelkrieg. Die HPG beschreiben Berfîn als furchtlose und opferbereite Kämpferin der YJA Star, die ihre Mitkämpfer:innen mit ihrem Mut und ihrer Verbindlichkeit ansteckte und im Kampf weiterlebt.