Gedenken an Polizeiopfer Aydın Erdem

Am 6. Dezember 2009 wurde der Student Aydın Erdem auf einer Demonstration in Amed von der Polizei erschossen. Ein öffentliches Gedenken konnte heute auf Druck der Militärpolizei nicht stattfinden, die Eltern mussten „allein und im Stillen“ trauern.

Aus Anlass des zwölften Todestages ist in Mêrdîn das Grab von Aydın Erdem besucht worden. Das öffentliche Gedenken musste jedoch ausfallen. Im Vorfeld des Grabbesuches im Kreis Mehser (tr. Ömerli) wurden die Eltern Meles und Mahmut Erdem von der türkischen Militärpolizei unter Druck gesetzt, „allein und im Stillen” zu trauern. Andernfalls würde der Zugang zum Friedhof auch für sie gesperrt werden. Das Ehepaar sprach Gebete, auch für den anderen Sohn Cengiz Erdem. Dieser war aktiv in der kurdischen Lokalpolitik und saß im Kreisvorstand der DBP in Qoser (Kızıltepe). Am 12. Januar 2016 wurde er zusammen mit drei weiteren Personen von paramilitärischen Spezialeinheiten der Polizei extralegal hingerichtet. Die Gruppe befand sich in einem Fahrzeug, als das Feuer auf sie eröffnet wurde. Später hieß es, es habe sich um „PKK-Mitglieder“ gehandelt.

Aydın Erdem studierte bis zu seinem Tod an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Dicle-Universität in Amed (Diyarbakir). Am 6. Dezember 2009, einem Sonntag, beteiligte sich der 23-Jährige in der als kurdische Widerstandshochburg bekannten Metropole an einer Demonstration gegen das damals drohende Verbot der Partei der demokratischen Gesellschaft (DTP) teil, die sich für nationale Anerkennung der Kurdinnen und Kurden einsetzte. Mehr als 15.000 Menschen demonstrierten an jenem Tag in Amed. Als Sicherheitskräfte dem Protestzug den Weg versperrte, eskalierte die Situation: Die Polizei ging mit Wasserwerfern, Tränengas und scharfer Munition gegen die Demonstrierenden vor, die wiederum Steine warfen. Am Ende war Aydın Erdem tot, getroffen von einer Kugel. Zwei weitere Menschen wurden verletzt und mehr als 113 festgenommen, darunter 19 Minderjährige. Fünf Tage nach den Vorfällen wurde die DTP durch Entscheid des türkischen Verfassungsgerichts verboten.

Das Transparent zeigt Aydın (l.) und Cengiz Erdem

Zur Rechenschaft gezogen wurde niemand. Die Eltern von Aydın Erdem schöpften zunächst den nationalen Rechtsweg aus, bevor sie die Türkei vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verklagten. Im Ergebnis stellte das Straßburger Gericht eine zweifache Verletzung von Artikel 2 der Menschenrechtskonvention (EMRK) fest, der das Recht auf Leben regelt: eine Verletzung der Schutzverpflichtungen des Staates und eine Verletzung der Aufklärungs- und Untersuchungspflicht. Der gewaltsame Tod eines Menschen muss eine wirksame amtswegige Untersuchung des Falles zur Folge haben. Bei Aydın Erdem war dies nicht der Fall.

Fall vor EGMR, aber...

Überraschenderweise erkannte die Regierung in Ankara an, gegen die EMRK verstoßen zu haben. Daraufhin entschied der Menschengerichtshof im vergangenen Juli über eine gütliche Einigung und sprach den Eltern von Aydın Erdem eine Entschädigung in Höhe von 13.500 Euro zu.