Soja, Hitler und Efrîn

Wir beobachten aufgeregt die Entwicklungen in Efrîn. Seit 18 Tagen erleben wir einen großen Widerstand gegen brutalste Techniken und Methoden.

Panzer und Mörser auf der einen Seite, Menschen jeden Alters, die ihr Land nicht verlassen wollen, auf der anderen Seite. Und es gibt die Kinder dieser Menschen, die sich voller Überzeugung und Leidenschaft gegen die Besatzer wehren und alles daran setzen, ihr Land zu verteidigen. Sie sind entschlossen, keinen Schritt zurückzuweichen.

Wir versuchen, die Nachrichten augenblicklich zu verfolgen. Wir haben die Namen aller Dörfer, Hügel und Berge Efrîns gelernt. Wir hören zu, wir schauen zu. Unsere Augen und Ohren sind immer auf Efrîn gerichtet.

Es kommt ein Moment, in dem unsere Augen erstarren. Sie bleiben auf den Bildschirm gerichtet.

Ein Bild sticht uns ins Auge.

Der blutüberströmte und entblößte Körper einer Kämpferin.

Wir schweigen, schweigen und schweigen. Die wievielte ist sie, denken wir. Ekin, Siyabend, Harun, Zafer ...

Wir fragen warum.

Die Antwort ist eigentlich leicht ... Schwäche, Hilflosigkeit und Barbarei.

Sie senden uns damit eine Botschaft, mit der sie Angst verbreiten wollen.

Tatsächlich wissen sie, dass sie selbst jeden Tag und in jeden Moment Botschaften erhalten:

Entweder leben diese jungen Menschen für die Freiheit oder gar nicht.

Ich schweige und denke wieder nach.

Nach dem Anblick dieses Fotos denke ich darüber nach, was man schreiben und sagen kann.

Es heißt ja, dass man in die Geschichte zurückblicken muss, wenn man die Gegenwart verstehen will.

Und ich gehe zurück in die Vergangenheit.

Soja Anatoljewna Kosmodemjanskaja tritt nach der Barbarossa-Operation, die Hitler am 22. Juni 1941 befohlen hat, in eine Partisaneneinheit ein. Am 27. Mai 1941 erhält sie den Befehl, das Dorf Petritschewo, in dem viele Deutsche ihr Quartier haben, in Brand zu legen. Bei dieser Aktion gerät sie in Gefangenschaft. Trotz der harten Folter, die die ganze Nacht andauerte, spricht sie kein Wort. Selbst ihren echten Namen verrät sie nicht.

Als die Folteroffiziere nach ihrem Namen fragen, antwortet sie lediglich: Tanja.

Am nächsten Morgen wird sie in die Kreisstadt gebracht und dort hingerichtet.

Lächelnd tritt sie vor den Galgen. Und ihre letzten Worte sind:

„Warum seid ihr Genoss*innen so düster? Ich habe keine Angst zu sterben. Ich bin glücklich, für mein Volk zu sterben.“ Den Soldaten, die sie erhängen sollen, ruft sie zu: „Ihr erhängt mich jetzt, aber ich bin nicht allein. Wir sind 200 Millionen Menschen. Ihr könnt uns nicht alle erhängen.“

Leider wurde Soja Kosmodemjanskaja am 29. November 1941 hingerichtet.

Bis zum Januar 1942, bis die Sowjetunion ihr Territorium befreit hatte, blieb der tote Körper von Soja am Galgen.

In den Köpfen bleiben einzig ihr Bild am Galgen und das Gedicht „Tanja“ von Nazim Hikmet. Tanja war erst achtzehn, als sie hingerichtet wurde.

Die Geschichte wird nie dokumentieren, wer sie erhängen ließ, aber Sojas Name wird niemals aus der Geschichte verschwinden.

Während Soja als Heldin ihres Volkes in Erinnerung bleiben wird, wird Hitler nur einen Platz auf den verfluchten und dunklen Seiten der Geschichte finden.

Nachdem Soja hingerichtet und ihre Leiche zur Schau gestellt wurde, schoss Hitler sich in Berlin in den Kopf.

Ort: Berlin

Datum: 30. April 1945...

Eine Patrone explodiert, Soldaten dringen ins Zimmer ein.

Im Zimmer liegen die Leichen einer Frau und eines Mannes. Es sind die Verantwortlichen für die Ermordung von Millionen von Menschen, Adolf Hitler und seine Frau Eva Braun. Nachdem klar wird, dass Deutschland den Krieg verliert und die Hoffnung immer weiter schwindet, schließen sie sich in einem Zimmer ein. Schließlich beißt Eva Braun auf eine Kapsel mit Zyanid - das Gift wirkt innerhalb weniger Sekunden. Gleich danach entschließt sich auch Hitler, auf die mit Zyanid gefüllte Kapsel zu beißen und schießt sich gleichzeitig in die rechte Schläfe. In seinem Testament ernannte er Joseph Goebbels zum deutschen Bundeskanzler, jedoch begangen Joseph Goebbels und seine Frau Magda Goebbels am 1. Mai 1945 ebenfalls Selbstmord und teilten somit das Schicksal Hitlers.

Frauen wie Soja, die mit 18 Jahren kämpfend in den Tod gegangen ist, waren für den Fall Hitlers maßgebend. Für Erdoğan werden es hingegen Frauen wie Barin und Arin sein.

Barin, mit dunklem Teint, einem stolzen Lächeln, in Kobane aufgewachsen, in Efrîn gefallen. Ihr Fall war nicht gewöhnlich. Jeder einzelne der zehn Tage verging mit Zehntausenden Schüssen, mit Dutzenden Flugzeugen, mit dem Widerstand gegen Dutzende von Angriffen. Und trotz alledem hat sie es geschafft. Warum? Sie hatte verstanden ... Ein Leben ohne Widerstand hat sie für sich als verboten angesehen.

Der Sinn dahinter wird von Tag zu Tag klarer und durch viele verkörpert. Es wird eine ganz neue Soja erschaffen. Soja bedeutet Leben. Bei den Kurden heißt es: Frau bedeutet Leben. Deswegen haben es die Kurden wohl geschafft, sich trotz Tausender Jahre der Zerstörung nicht vernichten zu lassen. Denn nichts kann verschwinden solange es da ist.

Erdal CEYLAN / YENI ÖZGÜR POLITIKA