Saleh Muslim zu den Äußerungen Assads und zu Sotschi

Saleh Muslim spricht mit ANF über Assads Äußerungen und die Entwicklungen in Sotschi

Saleh Muslim kommentierte Assads Verratsbeschuldigungen gegenüber den Kurd*innen und sagte: „Sie wollen eine kurdisch-arabische Allianz verhindern, indem sie die Araber*innen in der Föderation durch Äußerungen wie, ‚die Kurden betrügen ihr Land durch ihr Bündnis mit den USA‘ zu beeinflussen versuchen."

Das Mitglied des TEV-DEM-Diplomatiekomitees Saleh Muslim wies darauf hin, dass die Beschuldigungen des syrischen Regimechefs Bashar Assad gegenüber den Kurd*innen, ein Ergebnis der anti-kurdischen Politik sei, die im Iran, in der Türkei und in Syrien wiederbelebt wurde. Muslim sagte, das wahre Ziel der „geheimen Allianz, um Kurd*innen des Verrats und Terrorismus anzuklagen", sei die Isolierung der Kurd*innen in der politischen und diplomatischen Arena.

Muslim nannte das geplante „arabische Clan-Führertreffen", das am 25. Dezember in der Stadt Hatay in der Türkei „einen Versuch, neue Werkzeuge für die Türkei zu schaffen, um eine anti-kurdische Politik auch nach der Niederlage des IS umzusetzen". Muslim sagte: „Selbst wenn sie in Hatay zusammenkommen sollten, arbeiten ihre Brüder und Cousins mit uns hier. Diese Bemühungen werden keine Ergebnisse zeigen, aber der türkische Staat will das Bild erzeugen, dass sie die Araber*innen durch Werkzeuge des psychologischen Krieges erfolgreich zusammengebracht haben."

Saleh Moslem beantwortet die Fragen von ANF zu den neuesten Entwicklungen in Syrien wie folgt:

Bashar Assad hat Kurden des „Verrats" bezichtig. Was sind die Konsequenzen davon?

Diese Aussage drückt einen neuen Ansatz aus. Es macht die Haltung der syrischen Regierung deutlich. Nach der Niederlage des IS und dem Erfolg des Kampfes gegen den Terror hat eine neue Periode in Syrien begonnen. Der Schwerpunkt dieses neuen Prozesses wird auf der Zukunft Nordsyriens liegen. Die Entwicklungen in den politischen und diplomatischen Bereichen werden sich beschleunigen. Natürlich hat jeder seine Pläne. Assads Aussage ist Teil einer antikurdischen Diffamierungspolitik. Aussagen wie diese zielen auf die arabische Gemeinschaft. Mit der Behauptung, dass „Kurd*innen ihr Land durch ein Bündnis mit den USA verraten", zielen sie darauf ab, die Araber in der Föderation zu beeinflussen um ein arabisch-kurdisches Bündnis zu verhindern. Diese Aussagen sind Teil eines Plans. Zweifellos ist dies auch im Interesse des türkischen Staats und des Irans. Denn das demokratische System, das in Nordsyrien aufgebaut wird, ist nicht mit den Interessen dieser drei Staaten vereinbar.

POLITIK ZUR ISOLATION DER KURD*INNEN

Auf der anderen Seite sehen sie, dass die Kurd*innen nicht betrügen oder sich ihnen gegenüber wie in der Vergangenheit verhalten können. Weder Syrien noch der Iran, noch die Türkei wollen freie Kurd*innen. Sie sind es gewohnt, dass sie ihre Soldaten sind. Aber die neue Situation ist genau gegenteilig. Kurd*innen sind die Avantgarde eines demokratischen Systems. Die kurdisch-arabische Allianz dehnt sich jeden Tag aus. Das neue System bietet eine Perspektive, die die ganze Region anspricht. Ziel der Angriffe ist es, solche Entwicklungen zu verhindern und Kurd*innen in der politischen und diplomatischen Arena zu isolieren.

Wenn das Regime von sich überzeugt ist, dann wird es auch kämpfen wollen, aber sie sind im militärischen Sinne so schwach, dass sie weder diese Entscheidung alleine treffen, noch unsere Gebiete angreifen können. Wenn sie ihre Angriffe im militärischen Sinne fortsetzen wollen, können sie das mit iranischer Unterstützung tun. Es ist Irans Politik, die USA und diejenigen, die mit den USA handeln, zum Feind zu erklären. Assads Kommentare sollten aber auch in Bezug auf die anti-kurdische Politik der Türkei berücksichtigt werden. Dies ist das Ergebnis eines geheimen Bündnisses, das darauf beruht, Kurd*innen des Verrats und des Terrorismus zu beschuldigen.

Sie sagen, Assads Kommentare sind darauf ausgerichtet, die kurdisch-arabische Allianz zu durchbrechen. Genau wie Assad solche Kommentare macht, sind die Vorbereitungen für ein Treffen arabischer Clanführer in Hatay im Gange. Als Ziel des Treffens soll die Entscheidung stehen, „eine Armee aufzubauen, um gegen die USA, die YPG und das Regime zu kämpfen". Was steckt hinter dem Treffen in Hatay?

Der türkische Staat will nach der Niederlage des IS neue Instrumente zur Umsetzung seiner anti-kurdischen Politik schaffen. Der IS war ein Werkzeug, das der türkische Staat für seine Ziele verwendete. Als sie in der internationalen Arena für ihre Beziehung zum IS-Terrorismus bloßgestellt wurden, konnten sie diese Beziehung nicht länger fortsetzen. Erdoğan hat lange Zeit versucht, Spannungen zwischen Kurd*innen und Araber*innen zu erzeugen. Sie haben keine politische Partei oder eine moderne Organisation, um alle Araber*innen darin zu versammeln. Sie orientieren sich weiterhin an den Stämmen.

SIE KÖNNEN SELBST UNTEREINANDER KEINE EINHEIT BILDEN

In den arabischen Clans gibt es jetzt eine neue Situation, die bisher wenig diskutiert wurde. Es gibt keine Clans mehr, die sich hinter einem einzigen Anführer versammelt haben. Es gibt immer ein paar Leute, die in jedem Clan Gewicht haben. Es gibt diejenigen, die mit uns gemeinsam handeln, und diejenigen, aus demselben Clan, die mit dem Regime und Erdoğan zusammenarbeiten. Erdoğan versucht nun, durch Geld und materielle Ressourcen einige Leute um sich herum zu sammeln, um sie gegen uns einzusetzen. Katar steht auch hinter diesem Projekt. Dieses Projekt hat aber nicht gegriffen, denn diese Leute waren Menschen, die den Kampf aufgegeben haben und geflohen sind. Sie sind geflohen, weil sie schwach sind. Sie können keine Einheit untereinander, geschweige denn eine Armee bilden. Wir haben diesbezüglich in diesem Bereich keine Bedenken.

Selbst wenn sie sich in Hatay versammeln, arbeiten ihre Brüder und Cousins hier mit uns zusammen. Bemühungen dieser Art werden nicht zu Ergebnissen führen, aber der türkische Staat möchte die Wahrnehmung schaffen, dass sie die Araber durch Mittel der psychologischen Kriegsführung zusammengebracht haben. Das haben sie auch während der Invasion versucht, die sie Euphrat-Schild genannt haben. Wer steht aber hinter diesem Euphrat-Schild? Diejenigen, die ihren Leuten oder ihrem Land nicht geholfen haben. Sie tragen Kleidung der türkischen Armee, sie wurden zu türkische Soldaten. Wenn sie die Clanführer in ihren eigenen Kleidern ankleiden und sie nach Hatay schicken wollen, ist das eine andere Sache. Aber ich glaube nicht, dass die Clans zusammenkommen und gegen uns kämpfen werden.

Es gibt Analysen, dass die Türkei die Überreste des IS organisieren und sie unter als arabische Clans nach Syrien zurückschicken wird.

Sie werden das tun, wenn sie es können. Der IS bestand aus zwei Gruppen, eine war die, die direkt Teil der türkischen Armee und Polizei waren und den IS mit finanziellen und logistischen Ressourcen versorgten, diese Leute nahmen gelegentlich an Kämpfen teil, und die andere war eine Gruppe, die aus verschiedenen Ländern zusammengewürfelt war und in den Kampf geschickt wurde. Bis jetzt waren die, die uns bekämpft haben, diejenigen jenseits der türkischen Armee und Polizei, sie wurden besiegt. Der türkische Staat kann höchstens die mit IS-Kleidung angezogenen Soldaten und Polizisten unter einem neuen und anderen Namen neu versammeln. Nichts anderes wird aus den Treffen in Istanbul, Urfa und Hatay heraus kommen.

DAS ZIEL VON SOTCHI IST EINE LÖSUNG DER KURDISCHEN LAGE

Der „Syrische Nationale Dialogkongress" steht auf der Tagesordnung. Sie als TEV-DEM wurden eingeladen. Es wird behauptet, dass der türkische Staat und Russland sich auf 25 Namen geeinigt haben. Kennen Sie eine solche Liste, die Ihnen vorgelegt wurde?

Das Sotschi-Treffen findet tatsächlich statt, um eine Lösung für die kurdische Frage zu finden. Aus diesem Grund müssen die Kurd*innen unbedingt anwesend sein. Das Verwaltungssystem für Syrien wird diskutiert werden. Schwerpunkt ist, wie die zukünftige Verfassung sein soll. Die Verfassung sollte neu gestaltet werden, es sollte ein Dokument sein, das nicht zentralistisch ist und das den Föderalismus anerkennt. Für die Verfassung werden Ausschüsse gebildet, Vertreter aller Ethik- und Glaubensgruppen sollen Teil dieser Komitees sein.

Ein russisches Komitee war im Vorfeld zu uns gekommen. Sie trafen sich mit allen Gruppen der Demokratischen Föderation Nordsyrien, Kurd*innen, Araber*innen und Soryoye. Sie sagten, dass 140 Personen an dem Treffen teilnehmen sollten. Die Delegation wird im Namen der Demokratischen Föderation Nordsyrien teilnehmen. Obwohl die Einladungen an Einzelpersonen verschickt werden, werden die Teilnehmer*innen dort sein, um die Forderungen der Föderation zum Ausdruck zu bringen. Ich weiß nicht, ob die Türkei, der Iran und Russland in Astana eine Einigung in dieser Angelegenheit erzielt haben. Aber wenn sie die Kurd*innen und die Vertreter*innen der Föderation aus Sotschi herauslassen, bedeutet das, dass sie keine Lösung wollen. Die Russen wollen nicht, dass Sotschi scheitert. Weil sie es sind, die eine neue Verfassung in Syrien wollen.

Der türkische Staat und einige andere Kräfte versuchen, das Treffen zu verhindern, weil dort die Lösung der kurdischen Frage auf der Tagesordnung steht. Wenn es eine Lösungsinitiative gibt, sollten wir ein Teil davon sein. Es muss gewollt sein, dass dort Nordsyrien vertreten wird. Die Forderungen der Föderation sollten in den Kommissionen, die an der Verfassung arbeiten, geäußert und diskutiert werden. Auf der anderen Seite hat sich unsere Position nicht geändert, wir haben keine anderweitigen Informationen erhalten.

TÜRKEI-KATAR-LINIE HAT SICH IN GENF AUFGELÖST

In Genf und bei anderen Konferenzen hat der Ausschluss der Kurd*innen keine Ergebnisse gezeigt. Wenn Kurd*innen an Treffen wie in Genf teilnehmen, wird unser System hier an Legitimität gewinnen. Die Türkei und das Regime versuchten, das von Anfang an zu verhindern. Soweit wir gesehen haben, steht der türkische Staat, aufgrund seiner Politik uns gegenüber, bei den internationalen Treffen unter starkem Druck. Saudi-Arabien und andere Staaten sagten, sie hätten keine Einwände gegen unsere Teilnahme in Genf und sie seien nicht diejenigen, die das Hindernis verursachten. Nach Informationen, die uns vorliegen, versuchen die USA und Frankreich eine Lösung zu finden, damit Vertreter*innen der Demokratischen Föderation Nordsyrien, gegen die der türkische Staat nichts einzuwenden hat, an internationalen Treffen teilnehmen können. Erdoğans Position ist ein Hindernis. Auf dem Genf 8 Treffen hat sich vieles geändert. Gruppen, die mit der Türkei und Katar verbündet sind, wurden aufgelöst. Im Moment sind die im Namen der syrischen Opposition versammelten Gruppen, Gruppen, die mit Saudi-Arabien und den Golfstaaten verbündet sind.

Aber ich muss sagen, unsere Position ist sehr stark und wir haben ein umfassendes Projekt und starke Vorschläge. Es gibt keine Parteien, um die syrische Krise zu lösen, die stärker sind als wir. Die Anerkennung der Nordsyrischen Föderation hängt von einer politischen Lösung in Syrien ab. Weil wir ein Teil von Syrien sind.

FALSCHE POLITIK WIRD DEN KRIEG IN DEN IRAN TRAGEN

Ein anderer Staat, der die Zukunft Syriens mit verhandeln wird, ist der Iran. Was sind die Pläne des Iran für Syrien?

Der Iran will ein neues schiitisches Imperium bilden wie die Safawiden es in der Vergangenheit waren. Ihr Konflikt mit Israel und alle politischen Praktiken, die sie zur Expansion in der Religion umsetzen, sind auf dieses Ziel ausgerichtet. Mit dieser Politik schufen sie innerhalb des Iran eine Einheit und verteidigten den Iran bis heute. Wenn der Iran diese Politik aufgibt, könnte es dort zum Chaos kommen. Die anti-iranische Politik gewinnt im Mittleren Osten an Bedeutung. Irans Aktivitäten im Libanon, im Irak und anderen Gebieten stellen eine Bedrohung für Israel dar. Die Hisbollah führt jetzt den Libanon, und das treibt viele Gruppen in die falsche Richtung. Der Iran will nicht, dass das Regime in Syrien fällt. Obwohl Alawiten keine Schiiten sind, unterstützen sie Assad und wollen ihn an der Macht halten.

Es scheint, dass der Iran Feindseligkeiten von allen Parteien, den USA, der EU, Israel und arabischen Staaten auf sich gezogen hat. Die arabischen Staaten fürchten das Chaos in ihren eigenen Ländern. In vielen Golfstaaten, von Saudi-Arabien über Kuwait bis zu den anderen, gibt es sowohl eine sunnitische als auch eine schiitische Bevölkerung. Irans Außenpolitik schafft ein großes Problem für die Golfstaaten. Irans Unterstützung für Katar wurde aufgedeckt. Aus all diesen Gründen muss der Iran zurückgedrängt werden. Das ist ein weiteres Merkmal des Krieges in der kommenden Periode. Der Iran will den Krieg aus seinen eigenen Grenzen heraushalten und ihn in Ländern wie Syrien, dem Libanon und dem Jemen stattfinden lassen, aber in der Zukunft könnten Konflikte mit Saudi-Arabien oder einem anderen Golfstaat den Krieg in den Iran bringen.

FEINDSCHAFT GEGEN UNS WIRD DEM IRAN DIE NIEDERLAGE BRINGEN

Was wird in Nordsyrien passieren, wenn sich der Krieg dem Iran zuwendet?

Für uns aus Rojava, gibt es keinen Grund, der es notwendig macht, mit dem Iran in Konflikt zu treten. Der Grund für die iranische Politik, die unseren Erfolgen hier entgegen steht, ist ihr eigenes antidemokratisches System. Die Bildung der Föderation hier wird die Kurd*innen in eine Macht verwandeln. Im Iran gibt es verschiedene ethnische Gruppen wie Kurd*innen, Aseris, Suryoye und Araber*innen. Sie befürchten, dass die Föderation ein demokratisches Verwaltungsmodell für die iranischen Völker sein könnte.

Das kurdische Volk im Iran hat die Rojava-Revolution von Anfang an unterstützt. Und sie sammelten Erfahrungen aus den Entwicklungen hier. Morgen, wenn die Kurden im Iran für ihre nationalen Rechte kämpfen, müssen wir sie unterstützen. Der Iran hat Angst vor der kurdischen Frage und dem Modell, das sich in Nordsyrien entwickelt hat, deshalb stehen sie uns feindselig gegenüber. Es gibt Szenarien, dass Hashd al-Shaabi und die „Armee von Jerusalem“, die mit dem Iran verbündet sind, im Namen des syrischen Regimes gegen uns kämpfen werden, aber ich glaube nicht, dass so etwas möglich ist. Da unsere Streitkräfte nicht auf die leichte Schulter genommen werden können, wird es nicht leicht sein, sie zum Aufgeben zu zwingen. Es gibt niemanden, der innerhalb des Regimes gegen uns kämpfen könnte. Wenn der Iran uns angreift, wird er verlieren.