Monate der Repression

Seit Beginn dieses Jahres kommt es bundesweit zu kontinuierlichen Repressionsschlägen gegen progressive Strukturen.

Eingeläutet und öffentlich legitimiert wurden die aktuellen repressiven Maßnahmen bereits im Dezember 2017. Zu dieser Zeit veröffentlichte die „Soko Schwarzer Block“ umfangreiches Bildmaterial in Bezug auf den vielfältigen Widerstand gegen das Treffen der G20 in Hamburg im Juli 2017 auf ihrer Internetseite. Begleitet von populistischen Medien, zahlreichen Pressekonferenzen, Interviews und Fernsehauftritten des Chefermittlers Jan Hieber begann die bisher größte Öffentlichkeitsfahndung in der Geschichte der Bundesrepublik. Zahlreiche Hausdurchsuchungen, Meldeauflagen und Verhaftungen waren bisher die Folgen.

Doch nicht nur im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel häufen sich die repressiven Maßnahmen. So ereigneten sich in den letzten Monaten zahlreiche Hausdurchsuchungen, die sich gegen kurdische Strukturen, solidarische Aktivist*innen und anarchistische Zusammenhänge in Berlin richteten. Auffällig ist, dass die als Vorwand genutzten (konstruierten) Vorwürfe zum Großteil lapidar sind, jedoch dazu genutzt werden, um Strukturen, politische Zusammenhänge und Freundeskreise zu durchleuchten und öffentlich zu denunzieren.

Der Privatkrieg des Berliner Staatsschutzdezernats

Den Auftakt der derzeit stattfindenden Repressionswelle bildete die Festnahme von Isa, eines Bewohners des Vorderhauses der Rigaerstraße 94 in Berlin-Friedrichshain am 29. März dieses Jahres. In den frühen Morgenstunden wird er bei einem Spaziergang mit seinem Hund in der Zellestraße verhaftet. Kurze Zeit später verschafft sich die Polizei Zugang zur Rigaer94, in der Isa mit seiner Familie im Erdgeschoss lebt. Eine Armada von 350 eingesetzten Polizist*innen riegelt die Straße in Richtung Zellestraße und Liebigstraße ab, während Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) die Wohnung durchsuchen und die anwesende Familie samt Kindern drangsalieren.

Wegen des Tatvorwurfes der gefährlichen Körperverletzung wird er am selben Tag in die Untersuchungshaft der JVA Moabit verbracht. Im derzeit laufenden Prozess gegen ihn entpuppen sich die Tatvorwürfe als konstruiert und nicht weiter haltbar, weshalb eine Haftverschonung angewiesen wurde. Federführend für die Anklage und die Betreuung der (belastenden) Zeugen war das Staatsschutzdezernat des LKA, welches in jüngster Vergangenheit durch das Verwenden von Nazi-Parolen im medialen Fokus stand.

Die Solidaritätsgruppe für die Freiheit von Isa berichtet auf ihrem Blog ausführlich zum Stand des Verfahrens, den Hintergründen sowie den Machenschaften des Berliner LKA.

Gefolgt von der Festnahme Isas werden am 27. April fünf Personen im Bereich der anarchistischen Bibliothek „Kalabalik“ nach einer Auseinandersetzung mit BVG-Kontrolleuren vorübergehend festgenommen.

Anderthalb Wochen später kommt es am 9. Mai zu Hausdurchsuchungen in Kreuzberg, Neukölln und Tempelhof. Betroffen sind vier Privatwohnungen und die anarchistische Bibliothek „Kalabalik“. Als Vorwand der Durchsuchungen fungiert dieses Mal das Anbringen eines Plakats, welches mit dem Titel „Terroristen gesucht“ die Verantwortlichen der teilweise schwer Verletzten und Verhafteten des Widerstands gegen den G20-Gipfel abbildet. Um sich Zugang zum „Kalabalik“ zu verschaffen, wird um 5.15 Uhr die Tür aufgeflext und im Laufe der Durchsuchung Laptops, Computer und Festplatten beschlagnahmt.

Während der Durchsuchungen der Privatwohnungen werden vorübergehend zwei Personen festgenommen und zur Erkennungsdienstlichen Behandlung (ED) bzw. zur unfreiwilligen DNA-Abnahme in die Gefangenensammelstelle (GESA) Tempelhof gebracht. Zudem werden mindestens zwei der betroffenen Wohnungen durch die eingesetzten Polizisten der Einsatzhundertschaften komplett verwüstet. Federführend für die Ermittlungen und Durchsuchungen ist hierbei wieder das Staatsschutzdezernat des LKA.

Adbustings als Grundlage für Repression

Auf der Suche nach weiteren Plakaten, dieses Mal mit anderem Motiv, beginnt das LKA am 31. Mai um 6.00 Uhr morgens mit einer Hausdurchsuchung.

Gesucht wird ein Plakat mit der Aufschrift „Hirn einschalten. Rassismus ausschalten.“ Beschlagnahmt werden Plakate, Schablonen, Werkzeug, Warnweste und eine Arbeitshose.

Durchsuchen und Verhaften im Dienste der AKP

Nachdem der türkische Staat am 20. Januar begann, den nordsyrischen Kanton Efrîn anzugreifen, kam es weltweit zu Aktionen, die sich gegen die Militärinvasion und die Politik der Türkei im Allgemeinen richteten. So auch in Berlin, wo neun Tage nach Kriegsbeginn die Bundespressekonferenz kurzzeitig gestört wurde. Die Aktion richtete sich gegen die deutsche Unterstützung des Krieges der Türkei gegen Efrîn, der mit umfangreichen Waffenexporten Deutschlands geführt wird.

Diese Aktion wurde am 5. Juni dazu genutzt, um mit der Beschuldigung des Hausfriedensbruchs drei Privatwohnungen und ein Hausprojekt zu durchsuchen. Auf der Suche nach Transparenten und Kleidung der Beschuldigten wurde um 6.00 Uhr gleichzeitig damit begonnen, die Wohnungen in Kreuzberg, Neukölln sowie das Hausprojekt „Scharni38“ in Berlin-Friedrichshain zu durchsuchen.

Acht Tage später und elf Tage vor den vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei rückt das Berliner LKA in den frühen Morgenstunden des 13. Juni aus, um die Räumlichkeiten des kurdischen Vereins NAV-DEM sowie das kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit „Civaka Azad“ und fünf Privatwohnungen zu durchsuchen.

Als Grundlage für die Durchsuchungen diente der mehr als schwammige Vorwurf des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz. Im Verlauf der Durchsuchungen wurden Computer, Sticks und Telefone beschlagnahmt, zahlreiche Türen und Fenster zerstört und die Räumlichkeiten verwüstet. Die Durchsuchung der Räumlichkeiten von Civaka Azad war zudem rechtswidrig, da kein Durchsuchungsbefehl vorlag.

Alles was uns fehlt, ist die Solidarität

Die derzeitige Repressionspolitik steht in der Tradition des Kampfes der Herrschenden gegen politisch Unbeugsame, progressive Strukturen. So unterschiedlich die Auswahl der Verfolgten auch erscheinen mag, eint sie doch im Kern, dass sie dem herrschenden System ein Dorn im Auge sind. Dementsprechend gilt es sich trotz aller inhaltlichen wie praktischen Unterschiede aufeinander zu beziehen, sich solidarisch mit denen zu zeigen, die betroffen sind von den Maßnahmen des Staates.

Kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit wie im Fall von Isa oder die Offenlegung staatlicher Methoden wie zuletzt durch den „Autonomen Sonderermittlungssauschuss“ dienen der Analyse und schaffen Bewusstsein, wie Repression funktioniert und wie Strategien und Gegenmaßnahmen entwickelt werden können. Gegenmaßnahmen, die in Zeiten stetiger Gesetzesverschärfungen, Gefährder-Paragrafen, flächendeckender Überwachung in allen Lebensbereichen längst eine Frage der politischen Existenz geworden sind.