Nuri und Selim sind Kurden, die in der Bekaa-Ebene im Libanon leben. Sie sind vor langen Jahren aus der nordkurdischen Provinz Mêrdîn (Mardin) in den Libanon gegangen. Als Anfang der 1980er Jahre die ersten PKK-Kader in die Region kamen, schlossen sie Bekanntschaft und wurden zu Zeitzeugen der damaligen Aktivitäten der kurdischen Befreiungsbewegung. Das erste PKK-Mitglied, das sie kennenlernten, war Kemal Pir, der später im Todesfasten im Kerker von Diyarbakir (Amed) ums Leben kam. Nuri und Selim gehörten zu den ersten Menschen aus der kurdischen Bevölkerung, die an die Mahsum-Korkmaz-Akademie in der Bekaa-Ebene kamen, und sie sind immer noch in der Gegend.
Die Bekaa-Ebene ist eine strategisch wichtige Region im Dreiländereck Libanon, Syrien und Israel. Die Hochebene erstreckt sich zwischen zwei Gebirgszügen auf ungefähr 120 Kilometer Länge und ist ein wichtiges landwirtschaftliches Anbaugebiet im Libanon. Die Ortschaften in der Region liegen dicht beieinander, in den letzten Jahren sind immer mehr Flüchtlingslager dazu gekommen. Ungenutzte Flächen gibt es fast gar nicht mehr. Die Verbindungsroute zwischen Damaskus und Beirut verleiht der Region eine eigene Lebendigkeit.
Für die Völker der Region hat die Bekaa-Ebene eine historische Besonderheit. In den 1970er und 1980er Jahren wurde das Gebiet überwiegend von Palästinensern kontrolliert. Im Süden liegen die Golan-Höhen. Die von den Palästinensern in den 1970er Jahren errichteten Camps sind fast leer, dafür gibt es an vielen Stellen Zeltstädte für Geflüchtete aus Syrien. Heute ist die Bekaa-Ebene hauptsächlich unter der Kontrolle der Hisbollah. Die Grenze nach Syrien und Israel wird komplett von der Hisbollah kontrolliert. Offen bewegen kann sich die Organisation nicht, ihre bewaffneten Kräfte bleiben in der Regel unsichtbar, aber sie haben Einfluss in allen Lebensbereichen.
Eine der wichtigsten antiken Städte im Libanon ist Baalbek im Norden der Bekaa-Ebene. Der Ort ist für seine Tempelanlagen berühmt und gilt seit 1984 zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Die Bedeutung der Bekaa-Ebene für die Kurden
Die Bekaa-Ebene spielt in der jüngeren kurdischen Geschichte eine große Rolle. In den 1980er Jahren befand sich hier das zentrale Camp der PKK, direkt an der Grenze zu Syrien gegenüber von dem drusischen Dorf Helve.
Die PKK hat das Camp bis 1992 genutzt. In einem Teil des Gebiets ist jetzt die Hisbollah, auf der anderen Seite sind syrische Soldaten. Es ist militärisches Sperrgebiet, Zivilisten ist der Zugang verboten. Um das ehemalige PKK-Camp zu betreten, ist sowohl von der Hisbollah als auch vom syrischen Militär eine Erlaubnis nötig. Was aus dem Gefallenenfriedhof der PKK geworden ist, ist nicht bekannt. Auf dem Friedhof befinden sich 16 Gräber. Zuletzt ist der Friedhof vor zwei Jahren besucht worden.
Nuri und Selim haben die gesamte Zeit seit der ersten Ankunft der PKK-Mitglieder bis zum Schluss miterlebt. Sie kennen den PKK-Gründer Abdullah Öcalan und fast alle Kader der ersten Generation persönlich. Das PKK-Camp hatte zunächst einen anderen Namen und wurde nach dem Tod des legendären Guerillakommandanten Mahsum Korkmaz (Egîd) am 28. März 1986 nach ihm benannt. Die Mahsum-Korkmaz-Akademie wurde 1992 auf Druck eines Abkommens zwischen Syrien und der Türkei geschlossen.
Der Einfluss der PKK ist in der Region weiter spürbar. Als vor einigen Jahren weltweit Unterschriften für die Freiheit des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan gesammelt wurden, kamen in der Bekaa-Ebene ungefähr 60.000 Unterschriften zusammen.
Die Bekaa-Ebene galt einst als Hauptquartier unterschiedlicher revolutionärer Strömungen aus Palästina, Kurdistan, der Türkei und weiteren Ländern. Heute ist die Region dichtbesiedelt. Der Konflikt zwischen Hisbollah, Syrien und Israel ist deutlich spürbar, im Luftraum herrscht ständige Bewegung.