Erste Verhaftung nach „Bella Ciao“ statt Gebetsruf

Nachdem am Mittwoch aus mehreren Moschee-Lautsprechern in der westtürkischen Stadt Izmir das antifaschistische Partisanenlied „Bella Ciao“ ertönte, ist es nun zu einer Verhaftung gekommen. Die betroffene Frau hatte Videos der Aktion bei Twitter geteilt.

Aus mehreren Moschee-Lautsprechern in der westtürkischen Provinz Izmir erklang am Mittwoch das italienische Widerstandslied „Bella Ciao“ statt dem Gebetsruf des Muezzins. Sofort ging die Aktion viral, wurde in Online-Communities geteilt und zahlreiche Medien berichteten darüber. Unbekannte hätten sich in das Lautsprechersystem von 30 Gebetshäusern gehackt, teilte die türkische Behörde für Religionsangelegenheiten Diyanet mit. Es sei sehr traurig, dass dies im heiligen Fastenmonat Ramadan und kurz vor den hohen Eid-Feiertagen geschehen sei, sagte der Diyanet-Chef in Izmir.

Ob es sich tatsächlich um eine Hacker-Aktion handelte, ist unklar. Die in Izmir abgespielte Version stammt von der sozialistisch-revolutionären Band Grup Yorum, die für Protestlieder bekannt ist. Erst kürzlich starben zwei ihrer Mitglieder, Helin Bölek und Ibrahim Göçek, an den Folgen eines Hungerstreiks, den sie aus Protest gegen die staatliche Repression begonnen hatten, mit der Grup Yorum seit Jahren systematisch überzogen wird.

Die Staatsanwaltschaft von Izmir ließ am Donnerstag verlauten, sie habe wegen der „öffentlichen Herabwürdigung religiöser Werte“ Ermittlungen eingeleitet. Diese richteten sich auch gegen Menschen, die Videos von der Aktion mit positiven Kommentaren geteilt hätten. Zwei Personen wurden seitdem festgenommen, eine kam wieder frei. Gegen die Lokalpolitikerin Banu Özdemir, ehemals stellvertretende Vorsitzende des Provinzverbands der CHP in Izmir, wurde Untersuchungshaft angeordnet. Sie hatte Videos der Aktion auf Twitter geteilt, allerdings ohne Kommentar, und lediglich mit einem Notenzeichen versehen. Seit Freitag befindet sie sich in einem Gefängnis in Izmir. Wann es zum Prozess kommt, ist unklar. Regierungsnahe Blätter und die Troll-Armee des Präsidenten Erdoğan haben bereits eine Diffamierungskampagne gegen Özdemir angelegt und bezeichnen die Oppositionspolitikerin als „Terroristen-Freundin“. Hintergrund ist ein Foto der Frau vor einer Hauswand mit dem Schriftzug: „Tausend Grüße an die Frauen, die in Kobanê Widerstand leisten.“