Die Wahlen in der Türkei führten zu einem Rekordtief der türkischen Lira im Verhältnis zum Dollar. Ein Dollar wurde am Sonntagabend für 20,09 Lira gehandelt. Der Negativtrend setzte sich auch am Dienstag fort. Mittlerweile liegt der Lira-Kurs bei 20,22 Dollar. Auch der Kurs im Verhältnis zum Euro fiel nach den Wahlen nochmals deutlich. Mit Bekanntgabe der Wahlergebnisse sank der Lira-Kurs im Verhältnis zum Euro am Sonntag um 19.30 Uhr auf 21.69 Lira, sprang dann wieder auf 21,47 Lira/Euro, um seine Talfahrt bis zur Stunde auf 21,63 Lira/Euro fortzusetzen. Damit sind die Weichen für eine weitere Verschärfung der ökonomischen Krise in der Türkei gestellt.
Die türkische Lira steckt in einer tiefen Entwertungskrise. Offiziellen Angaben zufolge lag die Inflation im vergangenen Jahr bei 85 Prozent, das regimeunabhängige Institut ENAG berechnet jedoch 170 Prozent. Das Regime versucht, die Inflation zu verbergen, galoppierende Miet- und Nahrungsmittelpreise machen die Krise jedoch überall spürbar. Erdoğan versuchte, seine gescheiterte Wirtschaftspolitik mit nationalistischen Verschwörungserzählungen zu legitimieren, und scheint damit bei den Wahlen trotz Inflation gepunktet zu haben.
Religiös legitimierte Inflationspolitik
Ökonom:innen in Europa sehen vor allem Erdoğans Zinspolitik als Ursache für die Krise. Erdoğan ließ entgegen der ökonomischen Lehre den Leitzins bei der Zentralbank weiter sinken und sorgte damit für ein Galoppieren der Inflation. Auf diese Weise sollen Investitionen angelockt und Importe verteuert werden, so dass die Menschen mehr lokale Produkte kaufen. Eine absurde Logik, die seit Jahren ihr Scheitern bewiesen hat. Erdoğan hält an dieser Niedrigzinspolitik dogmatisch fest und hat sogar mehrere Zentralbankchefs entlassen, weil sie seiner Finanztheorie widersprachen. Für seine Ausverkaufspolitik missbraucht der Regimechef den Islam. Immer wieder zog der Regimechef den Koran und das darin enthaltene Verbot der Zinsannahme für die Legitimierung seiner Zinssenkungspolitik heran.
Kriegshaushalt explodiert
Die Krise wird aber nicht nur durch Erdoğans Zinspolitik verschärft. Die Inflation wird sich aufgrund der Schäden in Höhe von 34 Milliarden Dollar durch die Folgen des Erdbebens im Februar weiter vertiefen. Treibender Faktor der ökonomischen Krise in der Türkei ist jedoch die Kriegspolitik. Gewaltige Beträge fließen in die Versorgung der Armee mit modernsten Waffensystemen, den Einsatz von Drohnen und sogenannten „intelligenten Bomben“. Der türkische Staat hat im Jahr 2021 ein Viertel seines Budgets für Militärausgaben ausgegeben. Das waren 139,7 Milliarden Lira, damals 15,4 Milliarden Dollar. Ab 2022 ist der Kriegshaushalt (Sicherheits- und Verteidigungspolitik) weiter auf 181 Milliarden Lira gestiegen. Für 2023 hat sich dieser Haushalt sogar fast verdreifacht auf 468,7 Milliarden TL. Damit wurde das höchste Budget für die Verteidigungsindustrie in der Geschichte der Republik erreicht.