Mit „Jin Jiyan Azadî“ gegen Vergewaltigung und Ermordung in Indien

Die Vergewaltigung und Ermordung einer jungen Medizinerin hat in Indien eine heftige Protestwelle ausgelöst, es wird „Jin Jiyan Azadî“ skandiert. Die Frauenkoordination in der DAANES verurteilte die Tat als „Akt im schmutzigen Krieg gegen Frauen“.

Die Vergewaltigung und Ermordung einer jungen Medizinerin hat in Indien eine heftige Protestwelle ausgelöst. Mehr als eine Million Ärztinnen und Ärzte traten am Samstag landesweit in einen 24-stündigen Streik, um gegen die zunehmende Gewalt gegenüber medizinischem Personal und Frauen zu demonstrieren. Bereits seit Tagen gibt es in dem bevölkerungsreichsten Land der Welt Proteste, bei denen „Wir wollen Gerechtigkeit“ skandiert wird. Bei einigen Demonstrationen war auch die kurdische Losung „Jin Jiyan Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit) zu hören, aber auch zu lesen.

Anlass der Wut ist der gewaltsame Tod einer Assistenzärztin in Kolkata (früher Kalkutta), der Hauptstadt des ostindischen Bundesstaates Westbengalen. Die 31-jährige Medizinerin wurde am 9. August leblos und halbnackt in einem Seminarraum eines staatlichen Krankenhauses gefunden, wo sie nach einer langen Schicht geschlafen hatte. Eine Autopsie bestätigte Spuren sexueller Gewalt und zahlreiche Verletzungen.

Der Fall erregte großes Aufsehen und lenkte den Blick auf die bestehenden Sicherheitsprobleme für Frauen sowie medizinisches Personal in Indien. Die Polizei nahm einen Tatverdächtigen fest, der als „Freiwilliger“ in der Klinik tätig gewesen sei. Er soll erkrankten Menschen gegen Geld Termine bei ärztlichem Fachpersonal vermittelt haben, heißt es in indischen Medien. Die Ermittlungen dauern weiter an, auch weil es Vermutungen gibt, die Frau könnte Opfer einer Gruppenvergewaltigung gewesen sein.

Weltweit unzureichender Schutz vor patriarchaler Gewalt

In der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien (DAANES) sorgte die brutale Vergewaltigung und Tötung der indischen Ärztin ebenfalls für Wut und Empörung. Die Frauenkoordination der Selbstverwaltung im Kanton Tabqa verurteilte die Tat als einen weiteren „skrupellosen Akt im schmutzigen Krieg gegen Frauen“, der weltweit geführt werde. In einer Erklärung, die auf einer öffentlichen Pressekonferenz vor dem Sitz der Autonomieverwaltung in Raqqa auch im Namen der arabischen Frauenorganisation Zenobiya, der kurdischen Frauenkulturbewegung Hîlala Zêrîn und der Zukunftspartei Syriens verlesen wurde, kritisierte die Koordination unzureichenden Schutz von Frauen vor sexuellen Übergriffen in vielen Ländern.

Nach Angaben des indischen Kriminalamtes NCRB wurden 2022 in Indien im Schnitt fast 90 Vergewaltigungen pro Tag gemeldet. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen, da viele Opfer aus Angst vor Stigmatisierung schweigen. Frauen, die fast 30 Prozent der indischen Ärzteschaft und 80 Prozent des Pflegepersonals ausmachen, gelten als besonders gefährdet. Laut einer Studie der Indian Medical Association von 2019 sind bis zu 75 Prozent der Ärzt:innen Drohungen oder körperlichen Übergriffen ausgesetzt. Oft greifen Angehörige von Patient:innen das medizinische Personal an, insbesondere wenn diese sterben. | Foto: PK der Frauenkoordination in Raqqa / ANHA


Geschlechtsspezifische Gewalt als „geduldetes Verbrechen“

„Die weitverbreitete Gewalt gegen Frauen in vielen Teilen der Welt ist schon fast epidemisch. Wir fordern, dass Vergewaltigung zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt wird“, hieß es in der Erklärung. Gerade in patriarchal strukturierten Gesellschaften, in denen ein Macht-Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern besteht, komme es häufig vor, dass geschlechtsspezifischer Gewalt als „geduldetes Verbrechen“ gilt, auch in Indien. Dennoch würde die Diskriminierung von Frauen auf staatlicher Ebene ignoriert. Zwar hat die Regierung Indiens in den letzten Jahren die Gesetze verschärft, um Vergewaltigungen vorzubeugen und Betroffene zu schützen. Eine abschreckende Wirkung hätten die Regeln auf Täter aber nicht, kritisierte die Frauenkoordination.

DAANES-Frauen fordern härtere Strafen für Täter

„Wir verurteilen die Vergewaltigung und Ermordung der jungen Ärztin in Kolkata auf das Schärfste. Wir verachten alle Verbrechen, die an Frauen verübt wurden und weiter werden, und stehen allen Menschen, die dagegen kämpfen, solidarisch bei. Als Frauenkoordination Nord- und Ostsyriens fordern wir die indische Regierung auf, Täter von patriarchaler Gewalt und Femizid härter zu bestrafen. Frauenorganisationen und feministische Bewegungen rufen wir auf, sich unter dem Leitspruch ‚Jin Jiyan Azadî‘ zu vereinen und ein internationales Netzwerk gegen patriarchal motivierte Verbrechen an Frauen zu gründen.“ Beendet wurde die Erklärung der Frauenkoordination mit der Parole „Bijî Berxwedana Jinan“ – zu Deutsch: Es lebe der Widerstand der Frauen.