Züricher Juch-Areal droht die Räumung

Dem seit Ende Oktober von Aktivist*innen besetzten Juch-Areal in Zürich-Altstetten droht die Räumung. Dutzende Menschen sollen nach dem Willen der Stadtverwaltung inmitten der Coronakrise auf der Straße landen.

Dem Juch-Areal in Zürich-Altstetten droht die Räumung. Gestern wurden die Aktivist*innen von der Stadt darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Gelände ab kommendem Montag (27. April) für eine potenziell künftige Nutzung vorbereitet werden soll. Umbau- und Abrissarbeiten sollen ebenfalls am 27. April beginnen. Die Besetzer*innen und Aktivist*innen des Juch-Areals, einst ungenutzt und seit einem halben Jahr – gegen das Verschwinden von Freiräumen – eine Begegnungszone für alle, sollen das Gelände bis Freitag räumen. Ihnen bleiben nur vier Tage Zeit ein Areal aufzulösen, welches seit Ende Oktober aufgebaut wurde.

„Die Stadt Zürich fordert mit dem Slogan „Bleiben Sie Zuhause. Bitte. Alle“ die Bevölkerung dazu auf, zuhause zu bleiben. Die Menschen, welche auf dem Areal wohnen, haben keinen zweiten Wohnsitz. Ihr Zuhause ist das Juch-Areal. Wenn das Juch-Areal geräumt wird, gibt es mehrere Dutzend Menschen, die keinen Ort haben, um sich und andere zu schützen“, heißt es in einer Stellungnahme der Besetzer*innen. Weiter teilt das Kollektiv mit: „Die Aufwertung dieser Stadt und die daraus resultierenden steigenden Mieten, sind schon lange ein großes Problem. Im Schatten der Coronakrise fragen sich nun immer mehr Leute, wie sie ihre Miete bezahlen sollen. Trotzdem wird gerade in dieser Zeit versucht, uns kommentarlos auf die Straße zu setzten.

Weder wurden wir über die geplante Nutzung des Areals informiert, noch wurden uns Bau- oder Abrissfreigaben vorgelegt. Nach unserem Wissensstand bedarf es für eine polizeilich durchgeführte Räumung konkrete Nutzungspläne. Wenn kein Plan für eine Nutzung des Areals durch die Stadt kommuniziert wird, stellt sich unweigerlich die Frage, ob ein Abriss auf Vorrat vorgenommen wird.

Das Sozialdepartement der Stadt Zürich will sich uns Besetzer*innen, ohne die Gründe dafür ersichtlich zu machen, in einer Zeitspanne, mit kaum einzuhaltender Frist entledigen. Dies ist nicht nur in Zeiten von Corona, sondern immer absolut inakzeptabel.

Seit der Besetzung vom 31. Oktober 2019 ist auf dem Areal einiges passiert: Wir haben einen kollektiv verwalteten und freien Raum geschaffen. Wir haben Austausch, Aufführungen, Ausstellungen und Konzerte organisiert. Es gibt eine offene Werkstatt, Siebdruck, Bibliothek, einen Fitness- und Veranstaltungsraum. In unserem selbstverwalteten Radio wird produziert und im Bandraum nebenan geprobt. Mit einem minimalen Budget beleben wir diesen Raum und sind somit ein Gegenpol zum vorherrschenden Konsumzwang in dieser Stadt. Dieser Raum wird endlich selbstbestimmt organisiert. Vor der Besetzung war dieser Ort ein Gefängnis und ein Ort, in dem Menschen aufgrund ihrer Herkunft unterdrückt wurden.

Die Baracken hat man für Gastarbeiter*innen erstellt, die ökonomisch ausgebeutet und geografisch teilweise unfreiwillig verschoben wurden. Später betrieb dann die AsylOrganisation Zürich (AOZ) die Baracken als Lager für geflüchtete Personen. Hier wurde ausprobiert, welche Repressionsmaßnahmen besonders gut funktionieren. Hier wurden Menschen kontrolliert, eingesperrt, an der Teilnahme an der Gesellschaft gehindert, ihnen wurden grundlegende Rechte verwehrt. Heute sehen wir das Resultat davon, in Embrach und im Bundeslager auf dem Duttweiler-Areal, im immer gewaltvolleren Diskurs in den Medien über Geflüchtete, im kollektiven Wegschauen vor racial profiling der Polizei.

Dass dadurch ein Rechtsrutsch von gesellschaftlichen Denkmustern vorangetrieben wird, ist das traurige Resultat gegen das wir hier auf dem Juch-Areal, unserem täglichen Zuhause, ankämpfen.

Es ist nicht verwunderlich, dass gerade jetzt wo Grundrecht wie die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden versucht wird, die Besetzung des Juch-Areals still und leise zu beenden.

Gemeinsam werden wir dafür weiterkämpfen, dass dieses Areal unser Zuhause bleibt – solidarisch und frei von Kontrolle. Wir sind hier, wir bleiben hier.“