Vierter Jahrestag von Hanau: Antifaschismus geht nur gemeinsam

Die Föderation der Demokratischen Gesellschaften Kurdistans e.V. ruft am vierten Jahrestag des rechtsextremistischen Anschlags in Hanau zu einem gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und rechte Gewalt auf.

Die Föderation der Demokratischen Gesellschaften Kurdistans e.V. (FCDK KAWA) hat am vierten Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau zu einem gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und rechte Gewalt aufgerufen. Da es wieder Deportationspläne von Nazis gebe, Antifaschismus skandalisiert und ein Klima gefördert würde, in dem „Ideologien der Ungleichwertigkeit gedeihen“ könnten, sei es umso wichtiger, sich dem zusammen entgegenzustellen, erklärte der Verband am Montag in einer Mitteilung. ANF veröffentlicht nachfolgend die vollständige Erklärung:

Hanau hat einem ganzen Land den Spiegel vorgehalten

Vier Jahre nach dem Anschlag sind wir traurig und wütend. Zum Jahrestag und an vielen Tagen dazwischen, sind unsere Gedanken immer wieder bei den Opfern und ihren Angehörigen. Vier Jahre sind seit dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau vergangen. Vier Jahre ohne Aufklärung und Konsequenzen. Vier Jahre, in denen die Familien und Freundinnen und Freunde der Todesopfer unermüdlich für Gerechtigkeit kämpfen. Genau vier Jahre ist es her, dass neun junge Menschen durch den Nazi Tobias R. aus dem Leben gerissen wurden: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Hanau hat einem ganzen Land den Spiegel vorgehalten: Denn der Anschlag von Hanau hat System und unzählige Verantwortliche und ist alles andere als ein Einzelfall.

Neun Familien kämpfen seit dem ersten Tag für ein würdiges Gedenken, für Gerechtigkeit, für lückenlose Aufklärung, für Konsequenzen wir als Föderation der Demokratischen Gesellschaften Kurdistans FCDK KAWA solidarisieren uns seit dem ersten Tag mit den Familien der Opfer und stehen zu Ihnen, fordern um wahrheitsgemäße Berichterstattung, um juristische Urteile und kämpfen für Öffentlichkeit.

Seit Jahren erlebt der Rassismus in Europa und in Deutschland einen radikalen Aufschwung. Besonders hier hat sich der Diskurs der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ stark nach rechts verschoben. Die alltägliche Bedrohung von Menschen mit Migrationsgeschichte nimmt zu. Wir alle erleben den sogenannten Rechtsruck: Wahlerfolge der AfD, Deportationspläne von Nazis, eine sogenannte „Politik der Mitte", die Kriminalität ethnisiert, Antifaschismus skandalisiert, Migration und Einwanderung als Probleme unserer Gesellschaft bezeichnet, seit Jahrzehnten an Feindbildern feilt und damit ein Klima fördert, in dem mörderischer Rassismus und Ideologien der Ungleichwertigkeit erst gedeihen können. Hanau ist ein Appell an uns alle. Wir stehen gesamtgesellschaftlich vor einem großen strukturellen Problem. Wir dürfen nicht nachlassen im Kampf gegen Rassismus und rechte Gewalt.

Rassistische Kontinuitäten

Als kurdische Community in Hessen und in Deutschland sahen wir uns bei der Aufarbeitung des Hanauer Anschlags zusätzlich mit einer rassistischen Kontinuität konfrontiert: Die Identität der kurdischstämmigen Opfer des Hanauer Anschlags wurde geleugnet, kaschiert und ignoriert. Sie wurden als türkischstämmig bezeichnet und erhielten eine Beileidsbekundung des Faschisten und Islamisten Erdogan. Damit wurde der antirassistischen Aufarbeitung ein Riegel vorgeschoben und Betroffene, Angehörige und Mitfühlende ein weiteres Mal retraumatisiert. Ein Zitat von Serpil Unvar, der Mutter von Ferhat Unvar lautete: „Wir mussten vor dem Faschismus fliehen und werden hier immer noch kriminalisiert, statt dass man uns zuhört“. Die kurdische Familie von Ferhat Unvar ist vor dem türkischen Faschismus und der Repressionen in der Türkei geflohen und nun musste Ferhat in Hanau wegen eines Rassisten sterben.

Eine der wichtigsten Lehren aus Hanau muss sein: Antifaschismus geht nur gemeinsam und ist nicht verhandelbar! Verantwortung für die Gesellschaft liegt in der Hand von uns allen! Unsere Antwort muss daher lauten: Gemeinsam erinnern! Gemeinsam kämpfen! Gemeinsam verändern! Und mit diesem Satz wollen wir auch in diesem Jahr schließen und erinnern: Geschossen wurde auf sie - gemeint sind wir alle!

Wir möchten nochmals allen Angehörigen der Opfer unser tiefstes Beileid bekunden. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten ihnen.“