Es war eine Katastrophe auf Ansage. Im nordkurdischen Wansee ertranken am 27. Juni bis zu 100 Schutzsuchende, als das Boot, auf dem sie heimlich über den See weiter in den Westen gebracht werden sollten, kenterte. Das Boot liegt mitten im See auf 106 Metern Tiefe. Bisher konnten nur 13 Leichen geborgen werden. Auch sie wurden nicht von Rettungsteams gefunden, sondern ans Ufer gespült. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wurden fünf Personen verhaftet. Allerdings liegen keinerlei Informationen über das Verfahren vor, da eine Geheimhaltungsverfügung verhängt wurde.
AKP-Kreisvorsitzender Besitzer des Bootes
Nun wurde bekannt, dass das Boot dem AKP-Kreisvorsitzenden von Westan (Gevaş), Tahsin Değirmencioğlu, gehört. Der AKP-Kreisvorsitzende habe selbst die Behörden angerufen, da der einzige Überlebende auf seinem Schiff sein Neffe sei. Der Parteifunktionär habe die Behörden aufgefordert, seinen Neffen zu unterstützen.
Güzel: Straflosigkeit ermutigt die Täter
Hanife Güzel vom Forschungszentrum für Migration sagt, die Straflosigkeit ermutige die Profiteure am skrupellosen Geschäft mit den Schutzsuchenden und weist insbesondere dem AKP/MHP-Regime die Verantwortung zu: „Die Schutzsuchenden werden regelrecht ihrem Schicksal überlassen. Wenn der Staat keine Verantwortung übernimmt, dann fallen sie in die Hände von Menschenschmugglern, solche Katastrophen sind die Folge. Die Straflosigkeit hat auch die Zahl solcher Morde erhöht. Das ist das schlimmste Verbrechen, dieser Missbrauch von Menschen. Alle müssen wachsam sein, sonst können wir noch viel Schlimmeres erleben.“
Armee schaut beim Sterben an der Grenze zu
Die nordkurdischen Provinz Van (Wan) liegt an der iranischen Grenze und damit an einer der Hauptfluchtrouten. Die Grenze wurde mit Hilfe der EU-Beitrittshilfen hochgerüstet. Schutzsuchende werden von Schmugglern auf immer gefährlicheren Routen durch das Hochgebirge geführt und dort ihrem Schicksal überlassen. Statt den Menschen zu helfen, schaut die omnipräsente Armee dem Sterben im Hochgebirge immer wieder tatenlos zu oder geht selbst gegen die Schutzsuchenden vor. Während sich die Türkei rühmt, Millionen von Schutzsuchenden aufgenommen zu haben, leben die Menschen, welche die gefährliche Reise überleben, unter furchtbaren Bedingungen meist in Obdachlosigkeit auf den Straßen von Städten wie Wan oder Istanbul. Für das AKP-Regime sind Schutzsuchende offensichtlich genauso viel wert, wie sie als Druckmittel gegen die EU-Staaten taugen.