Der Anfang der Woche zusammen mit weiteren Linken in der türkischen Küstenmetropole Izmir festgenommene Politiker und Aktivist Kerim Altınmakas befindet sich mittlerweile in Untersuchungshaft. Dem 71-Jährigen werde zur Last gelegt, durch materielle Unterstützung für politische Gefangene „Terrorismusfinanzierung“ betrieben zu haben, teilte die Sozialistische Partei der Unterdrückten (ESP) mit. Derselbe Vorwurf wird auch gegen Didar Gül von der Partei der gesellschaftlichen Freiheit (TÖP) sowie die Aktivisten Aytaç A., Mehmet Ali K. und Kadir I. erhoben.
Die Festnahmen in Izmir waren am vergangenen Dienstag im Rahmen eines koordinierten Vorgehens von Polizei und Gendarmerie erfolgt. Die Leitung der „Antiterroroperation“, wie es von offizieller Seite hieß, liegt bei der Oberstaatsanwaltschaft Izmir. Die Behörde ließ insgesamt 30 Personen zur Fahndung ausschreiben, von denen 24 seit Beginn des Repressionsschlages in Gewahrsam genommen wurden – neben Izmir auch in Manisa, Istanbul, Tekirdağ, Samsun, Mersin, Hatay, Meletî (tr. Malatya) und Amed (Diyarbakır). In mindestens sechs Fällen ordneten die Gerichte polizeiliche Meldeauflagen an. Der Mechanismus gilt als Alternative zur Haft und wird von der türkischen Justiz exzessiv ausgeschöpft, um unliebsame Personen unter Kontrolle zu halten. Ob und wann Anklage gegen die Verhafteten erhoben wird, ist derweil noch offen.
Didar Gül bei einer Demonstration nach der Ermordung der HDP-Mitarbeiterin Deniz Poyraz durch einen türkischen Ultranationalisten im Sommer 2021 in Izmir. Die Aktivistin, die auch Mitglied der Frauenorganisationen „Lila Solidarität“ und „Frauen sind gemeinsam stark“ ist, war im vergangenen November vom Vorwurf der Beleidigung von Süleyman Soylu freigesprochen worden. Gül hatte den ehemaligen türkischen Innenminister wegen dessen Verbindungen zum organisierten Verbrechen als „Verbechensminister“ bezeichnet. Der Vorfall ereignete sich bei der Urteilsverkündung gegen Poyraz-Mörder Onur Gencer, das viele Menschen in der Türkei als zu milde bezeichneten. Gül war damals auf Anordnung von Soylu vorübergehend festgenommen worden. (c) Anka
ESP und TÖP: Angriff auf die Solidarität
Die ESP und TÖP verurteilten die Inhaftierung ihrer Mitglieder und bezeichneten das Vorgehen der türkischen Justiz als „Angriff auf die Solidarität, die gegenseitige Hilfe und das Mitgefühl“. Die stellvertretende ESP-Vorsitzende Ebru Yiğit sagte: „Dieser Angriff zeigt uns einmal mehr, dass alle Menschen, die sich mit den Gefangenen solidarisieren, eingeschüchtert werden sollen.“ Die Verhaftung von Altınmakas, der Vorsitzender des Provinzverbands der ESP in Izmir ist, sowie aller anderen Linken sei das Ergebnis der Isolationspolitik in den Gefängnissen des Landes. Erkan Gökber, TÖP-Sprecher in Izmir, rief die Öffentlichkeit auf, die Solidarität mit den „revolutionären Gefangenen“ auszuweiten.