Solidaritätsaktionen: „Mexmûr ist nicht allein!“

„Mexmûr ist nicht allein“ - Unter dieser Devise haben sich Aktivist:innen in Deutschland, Österreich, Schweiz und Zypern mit dem Widerstand des Flüchtlingslagers in Südkurdistan solidarisiert und einen Abzug des irakischen Militärs gefordert.

In Deutschland, Österreich, der Schweiz und auf Zypern haben am Samstag Unterstützungsaktionen für den Widerstand im Flüchtlingslager Mexmûr gegen die Belagerung der irakischen Armee stattgefunden. Das selbstverwaltete Camp in Südkurdistan/Nordirak leistet seit zwei Wochen Widerstand gegen die Militärbelagerung und konnte bisher verhindern, dass das Lager in ein militärisch gesichertes Freiluftgefängnis verwandelt wird.

Berlin


In Berlin protestierten Aktivist:innen vor dem irakischen Konsulat und erklärten, es sei nicht hinnehmbar, dass Menschen, die vor dreißig Jahren vor der Unterdrückung in der Türkei nach Südkurdistan geflohen seien, auf diese Weise behandelt werden. „Die Bevölkerung von Mexmûr schüttet mit bloßen Händen die von der irakischen Armee um das Lager gezogenen Gräben zu. Diese mutigen Menschen sind nicht allein, wir stehen hinter ihnen. Das Flüchtlingslager steht unter UN-Schutz und es ist nicht zu akzeptieren, dass die Vereinten Nationen dazu schweigen. Wir erklären hier vor dem irakischen Konsulat, dass wir solidarisch mit der Widerstand leistenden Bevölkerung von Camp Mexmûr sind. Die irakische Armee muss sich sofort zurückziehen“, hieß es in einem Redebeitrag. Die Aktivist:innen riefen: „Es lebe Mexmûr - Hoch die internationale Solidarität!"

Bremen


In Bremen kamen Menschen vor dem Hauptbahnhof zusammen, um über die Situation in Mexmûr zu informieren und sich mit dem Widerstand der Bevölkerung solidarisch zu zeigen. In einem Redebeitrag wurde die irakische Regierung scharf kritisiert und zum sofortigen Rückzug des Militärs aufgefordert. Das Camp stehe unter dem offiziellen Schutz des UNHCR, die Vereinten Nationen müssten ihrer Verantwortung nachkommen und die Menschen in Mexmûr schützen.

Wien

Vor der irakischen Botschaft in Wien fand eine Protestkundgebung statt. „Die irakische Armee will das unter UN-Schutz stehende Flüchtlingslager Mexmûr mit Stacheldraht einzäunen, um es vollständig von der Außenwelt abzuschneiden und zu isolieren. Die Menschen leisten Tag und Nacht Widerstand und schütten die ausgehobenen Gräben um das Lager mit bloßen Händen wieder zu. Wir sind heute hier, um uns solidarisch zu zeigen und ihren Widerstand zu unterstützen. Die Bevölkerung von Mexmûr ist nicht allein, das wollen wir der irakischen Regierung und der internationalen Öffentlichkeit in aller Deutlichkeit zeigen. Wir rufen dazu auf, den Widerstand von Mexmûr zu unterstützen“, erklärten die Aktivist:innen.

Genf


In Genf fand eine Demonstration statt, zu der die Demokratische Kurdische Gemeinde in der Schweiz (CDK-S) aufgerufen hatte. Auftakt war auf dem Mont-Blanc-Platz, die Demonstration endete im Beaulieu-Park. In Redebeiträgen wurde der sofortige Rückzug der irakischen Sicherheitskräfte aus Mexmûr gefordert.

Aktivist:innen der kurdischen Jugendbewegung wiesen auch auf die Isolation von Abdullah Öcalan hin, von dem es seit März 2021 kein Lebenszeichen mehr gibt. Der Versuch, Mexmûr von der Außenwelt abzuschotten, stehe in direktem Zusammenhang mit der Isolation des kurdischen Vordenkers und den Vernichtungsangriffen auf die Guerilla. Die kurdische Jugend werde dieses Vorgehen nicht akzeptieren und den Kampf weiterführen, erklärte ein Vertreter der Jugendbewegung.

Limassol


In Limassol auf Zypern protestierten Aktivist:innen auf einer Kundgebung in der Innenstadt gegen die Belagerung von Mexmûr. Der kurdische Aktivist Lezgin Serhat wies in einer Rede darauf hin, dass der türkische Präsident Erdogan nach seiner Wiederwahl einen großen Krieg in Kurdistan anzetteln will. Die Belagerung von Mexmûr, die Schließung des Grenzübergangs Sêmalka und die Drohnenangriffe auf Şengal seien parallel laufende Vorbereitungen darauf: „Dass der irakische Staat sich daran beteiligt und die UN dazu schweigen, bedeutet, dass die internationalen Mächte dem auf einem Völkermord an den Kurdinnen und Kurden abzielenden Krieg ihr Einverständnis geben und darin eingebunden sind.“

Hintergrund: Größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit

In Mexmûr, das sich südwestlich von Hewlêr (Erbil) in einem zwischen der südkurdischen Regionalregierung und der irakischen Führung in Bagdad umstrittenen Gebiet befindet, leben etwa zwölftausend Menschen. Ein Großteil der Bevölkerung wurde in den 1990er Jahren im Zuge der antikurdischen „Aufstandsbekämpfung“ und der sogenannten Politik der verbrannten Erde – unter dem Vorwand, die PKK zu bekämpfen, wurden damals etwa 3.000 Dörfer entvölkert oder niedergebrannt – vom türkischen Staat vertrieben. Nach einer mehrjährigen Odyssee und Aufenthalten in verschiedenen Camps haben die Menschen 1998 am Rand der Wüste das Lager Mexmûr gegründet. Die Campbevölkerung bildet damit die größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit, ist jedoch bis heute mit Schwierigkeiten konfrontiert.

Offiziell unter UN-Schutz

Offiziell steht Mexmûr unter dem Schutz und der Kontrolle des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR), praktisch ist die Organisation allerdings nur noch nominell präsent. Sie verließ das Lager bei den Angriffen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im Jahr 2014 und kehrte danach nicht mehr zurück. Seit 2019 ist das Lager einem Embargo der von der Barzanî-Partei PDK dominierten Regionalregierung ausgesetzt, zusätzlich zu existenzbedrohenden Angriffen der Türkei und des IS. Ankara kriminalisiert das Lager als „Brutstätte“ der kurdischen Arbeiterpartei PKK und droht immer wieder damit, es zu „säubern“. In der Vergangenheit kam es wiederholt zu türkischen Luftangriffen auf Mexmûr, zuletzt im vergangenen August. Dabei wurde ein sechsfacher Familienvater von einer Drohne getötet. In den vergangenen Tagen wurden wiederholt Drohnen im Luftraum über Mexmûr beobachtet. Der kurdische Europaverband KCDK-E hat zur Unterstützung von Mexmûr aufgerufen.