Solidaritätswandbild mit den YPJ an der Hafenstraße in Hamburg

Ein neues Wandbild wurde heute in der Hamburger Hafenstraße enthüllt. Riesengroß prangt das Symbol der YPJ, der Frauenverteidigungseinheiten von Rojava, an einem der Häuser.

Riesengroß prangt das Symbol der YPJ, der Frauenverteidigungseinheiten von Rojava, an einem der Häuser der Hafenstraße, dem sogenannten 6er-Block. Die Bewohner*innen der Hafenstraße wollen damit ihre Solidarität gegen die Verfolgung der kurdischen Bewegung in der Bundesrepublik, als auch die Verbundenheit mit den Kämpfen in Efrîn und Rojava zum Ausdruck bringen.

Am Freitag hatte man ein Gerüst aufgebaut, um die Malerarbeiten durchzuführen. Samstag wurde gemalt und heute Morgen wurde das neue Wandbild enthüllt und das Gerüst abgebaut.

Insbesondere der Überfall auf den Mezopotmamien Verlag in Neuss war der Anstoß für die Solidaritätsaktion, so einer der Bewohner. Die Bundesrepublik unterstütze den Faschismus und die kulturelle Vernichtung in Kurdistan, erklärte er.

Schon 1994 wurde die Fassade eines anderen Hauses, die Hafenstraße 116, mit der ERNK Fahne, der heutigen PKK Fahne, bemalt, um damit gegen das Verbot kurdischer Organisationen 1993 und die Ermordung des kurdischen Jugendlichen Halim Dener zu protestieren. Damals war die Fassade kurz vor dem Einlaufen der Queen Elisabeth, einem touristischen Event zu dem zehntausend Besucher*innen kamen, bemalt worden. Die Polizei konnte aufgrund der vielen Tourist*innen nicht dagegen vorgehen, kam jedoch kurz danach, um das gesamte Symbol mit schwarzer Teerfarbe zu überstreichen. 

In wenigen Tagen steht der Hafengeburtstag vor der Tür. 25 Jahre später sind die Bäume vor den Häusern deutlich höher als 1994, dennoch werden wohl viele Besucher*innen das Wandbild sehen.

Heute ist auch die rechtliche Grundlage eine andere, die Häuser gehören einer Genossenschaft, ohne eine rechtliche Grundlage könnten die Fassaden heute nicht einfach durch die Polizei übermalt werden, „dagegen würden wir uns auch juristisch wehren“, so der Bewohner.

Im Folgenden dokumentieren wir die Presseerklärung der Bewohner*innen:

Solidarität ist eine Waffe!

Afrin – Rojava – ein seltener Ort in der Kriegszone

Wir haben unsere Süd-Fassade mit einem Symbol der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) im syrischen Kurdistan gestaltet. Damit drücken wir unsere Wut über die staatliche Repression aus, welche die kurdische Bewegung in Deutschland erfährt.

Ein Versuch der Selbstverwaltung und eines Zusammenlebens sehr unterschiedlicher Leute und Bevölkerungsgruppen ist ab Januar 2018 in Afrin durch die türkische Armee und ihrer islamistischen Unterstützer erstickt worden. Viele Leute – Zivilist*innen wie Kämpfer*innen – sind bei der Verteidigung dieses Versuches gestorben. Noch mehr Leute wurden vertrieben oder sind vor der türkischen Armee geflüchtet.

Die türkische Armee hat mit Bewaffnung und Ausrüstung der Bundesregierung und weiterer NATO-Staaten sowie Billigung Russlands ihren Feldzug geführt. In der Bundesrepublik hat die Polizei die Symbole der kurdischen Selbstverwaltung in Nordsyrien unter den Generalverdacht des PKK-Verbotes gestellt. Dementsprechend wurden und werden kritische Berichterstattung, Protest und Solidarität immer wieder behindert und mundtot gemacht. Auf und nach Demonstrationen werden Fahnen, Transparente und Plakate beschlagnahmt, die Symbole der YPG zeigen. Wohnungen und Geschäfte mit pro-kurdischen Statements werden durchsucht. Kurdische Literatur und Tonträger werden ebenfalls beschlagnahmt. Rede- und Versammlungsfreiheit sind offensichtlich kein selbstverständliches Gut, wenn es um postkoloniale Staatlichkeit, Waffenexporte, Staatsräson und Deals zwischen der EU und der Türkei geht.

Wir haben unsere Fassade mit einem Symbol gestaltet, das mal mehr, mal weniger Anlass für Beschlagnahmungen, Polizeieinsätze und Ermittlungsverfahren ist. Die Polizei hat sich mit ihrer „Soko – Wand und Farbe“ schon einmal zum Gespött gemacht. Das Verbot der PKK hilft niemandem weiter außer aktuell Präsident Erdogan. Die außenpolitische Heuchelei der Bundesregierung und ihre Geschäftemacherei mit der Türkei paßt hier vielen Leuten nicht.

Die kurdische Bevölkerung hat in Nordsyrien die Gelegenheit genutzt, eigene Selbstverwaltungen aufzubauen, zivile Strukturen zu stärken und Emanzipationsprojekte zu starten. Frauen haben verstärkt Möglichkeiten wahr genommen, ihre Lebenssituationen selbst zu gestalten – weit über die konventionellen Rahmenbedingungen hinaus. Viele Frauen können gesellschaftliche Nachbarschaften, ökonomische Entwicklungen und soziale Kooperationen nun mit definieren. Es gibt Frauenquoten von 40%, die in der Bundesrepublik nicht realisiert sind.

Inmitten des Zerfalls der postkolonialen Ordnungen sowie der Kriegsfronten im mittleren und nahen Osten ist das kein konfliktfreier Prozess. Es ist und war den Leuten vor Ort leider nicht gegeben, ihr(e) Projekt(e) und Strukturen frei von Kriegsgewalt, militärischen Logiken und ökonomischen Elend zu entwickeln. Sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, ist jedoch ein Motiv, mit dem viele etwas anfangen können.

Unsere Hauswand nutzen wir als ein großes Transparent für Solidarität und Hoffnung, dass Rojava und die kurdische Selbstverwaltung noch eine echte Chance bekommt und nicht wie Afrin auf dem Altar geopolitischer Interessen geopfert wird.

Heute steht auf dieser Häuserwand die Situation im kurdischen Syrien im Mittelpunkt. Morgen werden wir auf einer anderen Wand vom racial Profiling der Hamburger Polizei rund um unsere Häuser und den rassistischen Totschlägen in dieser Republik sprechen. Es braucht und es gibt noch viele Wände zum Malen.

Use your wall. Spraydose zisch. Pinsel schwing, Parole sprech. Let the colour run.

Mieter*innen aus der St. Pauli-Hafenstr.