1. September: Friedens- und Demokratiekonferenz in Berlin
Am 1. September, dem Weltfriedenstag, wird in Berlin eine Friedens- und Demokratiekonferenz unter dem Titel „Die Zukunft gemeinsam weben” stattfinden.
Am 1. September, dem Weltfriedenstag, wird in Berlin eine Friedens- und Demokratiekonferenz unter dem Titel „Die Zukunft gemeinsam weben” stattfinden.
Der Weltfriedenstag steht am 1. September bevor. In Berlin findet am 31. August und am 1. September eine von aus der Türkei exilierten Intellektuellen, Schriftsteller:innen, Akademiker:innen, Journalist:innen und Politiker:innen organisierte „Konferenz für Frieden und Demokratie“ statt. Die Aktivist:innen hatten sich auf dem Arbeitstreffen „Frieden, Dialog und Demokratie“ am 2. Juni auf Format und Termin geeinigt. Der Akademiker Dr. Hakan Altun, einer der Organisatoren der Konferenz, äußerte sich im ANF-Interview zu der bevorstehenden Konferenz.
Wie kamen Sie auf die Idee einer solchen Konferenz und wie liefen die Vorbereitungen?
Die Welt steht in Flammen, überall finden Massaker statt. Natürlich zerreißt das uns allen das Herz und diejenigen die näher an den Orten sind, wo das Feuer niedergeht, leiden am stärksten. Dieser Schmerz hat uns zusammengeführt, wir sind Menschen, deren Herzen in Flammen stehen und deren Herzen mit denjenigen schlagen, die mitten im Feuer stehen. Wir sind von unseren eigenen kleinen Gipfeln heruntergekommen und haben uns auf einer Ebene getroffen. Wir sind viele Menschen, die in den Himmel schauen müssen. Wir haben diesen Ort, an dem wir uns treffen, zu einem solchen Ort gemacht, zu einem Ort, um es mit den Worten von Turgut Uyar zu sagen, um in den Himmel zu schauen. Wir blicken gemeinsam in den Himmel, und der Himmel ist klar und mit dem Rot des Sonnenaufgangs bedeckt. Rot ist eine Farbe, die es eilig hat, sie kommt wie ein Bote. Aufgeregt bringt sie uns die Neuigkeiten des aufgehenden Tages. Wir sind ein bunter Haufen von Menschen, die ihre Aufregung teilen und hartnäckig in den Himmel schauen, um den Sonnenaufgang zu sehen. Ich kann sagen, dass das Europäische Forum für Freiheit und Frieden (AÖBF/EFFP) aus dem Bedürfnis heraus geboren wurde, gemeinsam in den Himmel zu schauen.
„Magie ist ein hochpolitischer Akt“
J. Huidzinga beschreibt den Menschen als „spielendes Tier“. Dies ist eine meiner Lieblingsdefinitionen. Das Spiel ist eines der ausgefeiltesten Produkte, die die menschliche Spezies hervorbringen kann, und entgegen der landläufigen Meinung ist es eine sehr ernste Angelegenheit. M. And zieht eine Parallele zwischen Spiel und Magie. Ursprüngliche Menschen, die in egalitären Gesellschaften leben, wissen nicht, was Ausbeutung und Unterdrückung sind, sie erleben nicht, dass es eine Macht gibt, die größer ist als sie selbst (nennen wir sie irgendeine Regierung), daher wissen sie nicht, wie sie gehorchen sollen. Sie finden die Kraft in sich selbst und glauben, dass sie das Leben/die Welt beeinflussen können, und sie nennen das Magie. Starhawk charakterisiert Magie als die Kunst, das Negative ins Positive zu verwandeln. In diesem Zusammenhang ist Magie ein hochpolitischer Akt, dessen Ziel Veränderung und Transformation ist. Magie ist ein kollektiver Akt, sie braucht Freundschaft und Dialog. Sympathische Magie ist das Zusammenkommen der ursprünglichen Menschen, um die Natur mit ihrer eigenen Kraft zu unterstützen und die Jahreszeit vom Winter in den Frühling zu verwandeln. Wenn man die Welt verändern will, wenn man will, dass der Frühling wiederkommt, muss man persönlich die Ärmel hochkrempeln und aktiv werden. Das ist es, was wir von den ursprünglichen Menschen gelernt haben. Wenn wir wollen, dass die Sonne aufgeht, müssen wir handeln, wir müssen die Ärmel hochkrempeln und tun, was wir können, um den Ort des Feuers in die Frische eines neuen Tages zu verwandeln. Wir haben diesen Ort zu einem Forum gemacht, um gemeinsam zu überlegen, was wir für eine bunte Welt von Menschen tun können, die sich hier treffen, um in den Himmel zu schauen. Einig sind wir uns darin, dass wir gemeinsam Frieden gestalten müssen. Unser Aufruf geht in diese Richtung, die Herrschenden haben die Welt in Brand gesetzt und verbrennen sie, wir sind diejenigen, die dieses Feuer löschen werden, wir sagen, lasst uns zusammenkommen und gemeinsam Frieden schaffen.
„Jede Katastrophe trägt auch ein Versprechen in sich“
Was ist die Motivation für die Organisation der Konferenz?
Ich denke, ich habe die Motivation des Forums (AÖBF/EFFP) schon teilweise zum Ausdruck gebracht. Zweifelsohne steht dahinter eine historische und soziale Dynamik. Kein Problem kann verstanden werden, ohne es als Teil der Geschichte zu betrachten. Die historisch-soziale Grenze, die wir gerade überschreiten, markiert eine Periode zügelloser globaler Ausbeutung aber auch des Zusammenkommens derjenigen, die sich dieser Ausbeutung widersetzen und die Welt wieder zu einem geschwisterlichen Ort ohne Ausbeutung, ohne Grenzen und ohne Klassen machen wollen. Der immer grausamer werdende Kapitalismus inszeniert vor unseren Augen die sechste große, diesmal vom Menschen verursachte, globale Vernichtung und besteht darauf, alles, was er in die Finger bekommt, mit allen Mitteln auszubeuten. Wir haben einen großen Teil der menschlichen Lebensformen verloren, Hunger und Ausbeutung grassieren, und es herrscht ein System unsichtbarer Sklaverei. Während sich das Kapital von einem immer engeren Kreis akkumuliert wird, breitet sich die Armut aus. Naturzerstörung, Völkermord, Artenvernichtung sind heute an der Tagesordnung. Obwohl die Forscher:innen diese Periode, die manche als Kapitalozän bezeichnen, mit unterschiedlichen Namen beschreiben, sind sie sich über den mörderischen Charakter des Kapitalismus einig. Dieses weltweite Phänomen hat auch lokale Ausprägungen. Um den gegenwärtigen neoliberalen Kolonialismus aufrechtzuerhalten, sehen die kolonialistischen Länder mehr Unterdrückung in den Metropolen (die ungleiche Entwicklung hat sich in diesem Zusammenhang tendenziell angeglichen) und eine Totalitarisierung der Gesellschaften vor, während in entfernten Regionen mit Faschismen in Lokalkolorit experimentiert wird. Diese Katastrophe, die die Welt erfasst, birgt in Wirklichkeit ein Versprechen. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang auch an Halil Cibran: „Wenn der Winter sagen würde: Ich trage den Frühling in meinem Herzen, wer würde das glauben?“ In dieser Zeit, in der Staat und Kapital sehr mächtig sind, haben die Unterdrückten/Widerständigen und diejenigen, die eine Vision von einer freiheitlichen/nicht-ausbeuterischen Zukunft haben, kein anderes Kapital, als zusammenzustehen. Unsere Stärke kommt aus dem Zusammenstehen. Diejenigen, die sich eine freiheitliche, ausbeutungsfreie und grenzenlose Welt vorstellen, sind sich bewusst, dass sie mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben. Wir wissen, dass wir stark sind, solange wir zusammenstehen. Aus diesem Grund legen wir Wert auf die Politik der Freundschaft, die von Derida Named und Marc Nichanian um eine Dimension erweitert wurde, und auf Bündnispolitik als ein Instrument der Intersektionalität. Indem wir Seite an Seite und in Solidarität mit allen widerständigen Völkern der Welt stehen; indem wir uns jedoch auf den Widerstand gegen den Faschismus konzentrieren und unsere Gesichter den Brandherden zuwenden, die uns am stärksten betreffen. Um es mit den Worten von Cemal Süreyya zusammenzufassen: Es ist wahr, dass „wir gebrochen sind und noch mehr brechen werden“, aber „jetzt breiten wir uns aus und vermehren uns, an dem Tag, an dem wir die Luft der Freiheit singen, an diesem Tag können euch nicht einmal die Götter retten.“
Welche konkreten Ziele verfolgen Sie mit der Konferenz?
Jeder Ort, über dem die Sonne aufgeht, ist Anatolien. Kehren wir zunächst einmal zu dieser Definition zurück. Antatolien ist die Wiege, ein Ort der Schöpfung, ein Ort der Geburt ... Erinnern wir uns an Ahmet Arifs Gedicht Anatolien, in er von den künftigen Kindern Anatoliens und der Geburtsregion von Noah spricht. Arifs Hoffnung ist dieses Anatolien. Anatolien als kulturelle Geographie schließt Mesopotamien mit ein, und Mesopotamien schließt Anatolien ein, egal wie wir die Region nennen, es geht um dasselbe. Andererseits änderte Illan Pappé bei einem Verhör durch das FBI den berühmten Slogan des palästinensischen Widerstands, indem er sagte, dass alles zwischen den beiden Gewässern frei sein müsse. Er sprach von Freiheit vom Schwarzen Meer bis zum Mittelmeer, vom Euphrat bis zum Tigris, überall müssen die Menschen frei sein und in Frieden leben.
Indem wir über diese Dinge gesprochen haben, sind wir an den Punkt gelangt, ein „Forum“ zu schaffen, in dem der Dialog die Regel ist. Um zu diesem Punkt zu gelangen, haben wir die brennenden Probleme und schwierigen Fragen entlang der Linie von Freiheit und Frieden in der Region, in der wir leben, diskutiert. Alle diese Probleme wurden zunächst geschichtlich betrachtet und bewertet, indem sie (zusammen mit anderen Beispielen) in einen weltweiten Kontext gestellt wurden, nicht als Einzelfälle. Das heißt nicht, dass die Dimensionen dieser Probleme, die sie einzigartig machen, übersehen wurden; sie in einen historischen Kontext zu stellen, hilft, die Besonderheiten der einzelnen zu verdeutlichen. So wurde beispielsweise das Problem der Isolation von Abdullah Öcalan zusammen mit anderen Beispielen aus der ganzen Welt mit ähnlicher Dynamik analysiert, das werden Sie auch im vorläufigen Aufruf zur Konferenz lesen können. Auf diese Weise war es einfacher, die spezifische Dynamik dieses rechtswidrigen Vorgehens zu analysieren und in den richtigen Kontext zu stellen. Dieses Forum soll dazu dienen, die brennenden Probleme unserer eigenen Region aus einer kritischen Perspektive zu analysieren und eine andere Sprache zu finden, um sie auszudrücken. Ein weiteres Thema, das im Rahmen der Vorarbeiten diskutiert wurde, war die Rolle und Bedeutung der Frauen im Friedensprozess. In der Tat fällt hier niemanden sonst das Wort zu. Frauen, die auf der Straße für Freiheit und Frieden kämpfen, und „indigene“ Völker auf der ganzen Welt haben das Wort. Während patriarchale Positionen um Macht kämpfen, kämpfen Frauen für Frieden und Freiheit. Es ist notwendig, sich umzusehen und dahin zurückzublicken und den Schöpferinnen des Friedens das Wort zu erteilen.
Welchen Beitrag sollen die Ergebnisse dieser Konferenz zur kurdischen Frage und zur Suche nach regionalem Frieden leisten?
Wir haben schon früher gesehen, dass die Völker ohne Staat eher in Frieden leben. Freiheit ist in den Augen der Gesellschaft tatsächlich sehr wertvoll und noch Brücken gebaut werden können. Ich glaube, dass diese Konferenz und die dazugehörigen Workshops einen positiven Beitrag dazu leisten werden, diese Brücken zu bauen, eine wirksame Sprache zu finden, um die Probleme auszudrücken, und eine Friedenspolitik zu entwickeln. Um einander die Hand zu reichen, müssen wir einander ins Gesicht sehen und uns beim Namen nennen. Um gemeinsam eine Geschichte neu zu schreiben, müssen wir uns die Geschichten der anderen genau anhören. Wir hatten Erfahrung mit einer Friedensinitiative, wenn auch eine problematische, und was wir dort gesehen haben, bestätigt mein anfängliches Argument. Ein befreundeter Filmemacher, der während des Friedensprozesses mit kurdischen Kindern über Frieden durch Kunst diskutierte, führte an einer Stelle ein Theaterstück auf, und als eines der Kinder in die Rolle eines Türken schlüpfen und die Hand reichen sollte, weigerte sich dieses Kind vehement, ein Türke zu sein. Doch als ihm gesagt wird, dass es Frieden um Frieden gehe, blieb es stehen und sagte: „Kann ich wenigstens Kurde sein, bis wir uns die Hand geben?“ Wenn wir eine gemeinsame Geschichte schreiben wollen, wenn wir Frieden und Demokratie miteinander verweben wollen, müssen wir uns zuerst die Geschichte des anderen zu eigen machen. Dies wird durch eine Politik der Freundschaft erreicht. Ich möchte nicht, dass Sie denken, dass ich mich nicht um die Verhandlungs- und Friedenspolitik kümmere, die von politischen Akteuren umgesetzt werden muss, aber leider liegt die Lösung nicht nur dort. Wir müssen demütig irgendwo anfangen, und ich verweise demütig auf Marc Nichanian, dessen Vorschläge wir wertvoll finden.
Inwiefern ist auch die Isolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan Thema?
Einer der Workshops zur Vorbereitung der Konferenz befasste sich mit der rechtswidrigen Isolierung von Abdullah Öcalan. Die Teilnehmer:innen des Workshops analysierten dieses Thema im Detail. Da ich an einem anderen Workshop über den Aufbau von Solidarität teilgenommen habe, möchte ich einige Punkte aus den Berichten erwähnen, die auch unter www.forumforpeace.eu verfügbar sind. Erstens ist es wichtig, das Gleichgewicht zwischen Isolation und Demokratie zu verstehen. Unrechtmäßige Inhaftierungen und Isolationspolitiken, die weit über das Gesetz hinausgehen und auf Vernichtung und Geiselnahme abzielen, sind zur Norm geworden und blockieren die Demokratiebestrebungen in der ganzen Welt. Ein Druck auf die eine Seite wird die andere Seite verändern. Zunächst einmal ist es wichtig zu erkennen, dass es sich nicht um ein Problem der Namen, sondern um ein Problem des Rechts und der Demokratie handelt. Wenn neue Wege gefunden werden, um diesem Problem mehr Gehör und Sichtbarkeit zu verschaffen, z.B. durch die Stärkung des Diskurses, indem die Stimmen zusammengebracht werden, wird dies auch zum Kampf für Demokratie und Frieden beitragen. Lassen Sie mich mit dem letzten Artikel der Ergebnisse dieses Workshops schließen: „Wir befinden uns an einer Schwelle in der politischen Geschichte der Welt, wo der Kapitalismus am antidemokratischsten, der Kapitalismus am ungezügeltsten und der Staat am rücksichtslosesten ist. Aus diesem Grund haben lokale Probleme auch einen globalen Inhalt. Gerade deshalb sollte die Koalitionspolitik nicht nur kurdische oder türkische oppositionelle/demokratische Organisationen/Einzelpersonen, sondern auch demokratische/oppositionelle Netzwerke in den Ländern, in denen wir uns befinden, einbeziehen.
Denjenigen, die nicht in Berlin sind und die Konferenz mit dem Titel „Die Zukunft gemeinsam weben” verfolgen möchten, empfehle ich, unseren youtube-Kanal https://www.youtube.com/@EffpPeaceForum und unsere Webseite www.forumforpeace.eu zu verfolgen.