Repressionswelle gegen Kurd*innen und ihre Institutionen
AZADÎ e.V. erklärt Repressionswelle gegen Kurd*innen und ihre Institutionen als Abschiedsgeschenk von Bundesinnenminister de Maizière an türkisches Regime.
AZADÎ e.V. erklärt Repressionswelle gegen Kurd*innen und ihre Institutionen als Abschiedsgeschenk von Bundesinnenminister de Maizière an türkisches Regime.
Noch-Bundesinnenminister de Maizière verabschiedet sich von seinem Amt als Freund und Versteher des türkischen Regimes und katapultiert die Kurdinnen und Kurden in die Hochzeit der Repression, als das PKK-Betätigungsverbot im November 1993 erlassen und die Kriminalisierung kurdischer Aktivitäten ihren Anfang nahm, erklärt der Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland, AZADÎ e.V. in Köln in einer Pressemitteilung vom 10. März 2018. Weiter heißt es in der Erklärung:
Im 25. Jahr des Verbotes steht auf der politischen Agenda des türkischen Regimes und der geschäftsführenden CDU/CSU/SPD-Koalition der Plan, die kurdische Bewegung und ihre Organisationen endgültig zu liquidieren. Gestartet war de Maizière am 2. März 2017 mit seinem Rundschreiben an die Bundesländer und Strafverfolgungsbehörden, das die Erweiterung verbotener Symbole zum Inhalt hatte. Besonders brisant war hierbei die Aufnahme der Kennzeichen der nordsyrischen Partei PYD sowie der Volks- und Frauenverteidigungskräfte YPG/YPJ in die Liste der nunmehr insgesamt 33 Symbole, die unter das PKK-Betätigungsverbot fallen.
Die türkischen Politiker feierten 1993 die Erfüllung ihrer Forderungen nach einem PKK-Verbot durch die Regierung von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) ebenso wie die aktuellen Maßnahmen gegen Kurdinnen und Kurden und ihre Einrichtungen.
Nach den Drohungen der Polizeibehörde Hannover, die geplante Newroz-Versammlung am 17. März verbieten zu wollen, zog der kurdische Dachverband NAV-DEM seine Anmeldung zurück. Stattdessen schlossen sich verschiedene Bürgerrechtsorganisationen zusammen, um ihrerseits eine Newroz-Demonstration in Hannover anzumelden. Wie es scheint, ist auch diese öffentliche Versammlung von einem Verbot bedroht.
Der vorläufig letzte Repressionsakt – kaum war der türkische Außenminister Mevlüt Çavușoǧlu von der internationalen Tourismusmesse ITB aus Berlin abgereist – fand am 9. März in Neuss im kurdischen Mezopotamien-Verlag und der „MIR Multimedia GmbH“ statt. Auf Antrag des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes (LKA) hat die 18. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf am 5. März die Durchsuchung sämtlicher Geschäftsräume, Garagen und Fahrzeuge der beiden Unternehmen angeordnet. Eine vorherige Anhörung der Betroffenen hat es nicht gegeben.
Laut Durchsuchungsbeschluss gab es einen lebhaften Schriftwechsel zwischen Bundesinnenministerium, LKA und dem CDU-geführten NRW-Innenministerium, um die Durchführung der Razzien sicherzustellen. Begründet wurde dieses polizeiliche Vorgehen mit der Behauptung, die beiden Vereine würden durch ihre Tätigkeiten „den organisatorischen Zusammenhalt“ der „verbotenen PKK unterstützen“ und hierdurch eine „vorteilhafte Wirkung“ für diese hervorrufen. Vorgeworfen wird dem Verlag, dass er „einschlägige Bücher und Zeitschriften“ verlege und vertreibe sowie „sonstiges PKK-Propagandamaterial“ wie T-Shirts und Fahnen mit dem Bild von Abdullah Öcalan anbiete.
Die MIR Multimedia wiederum vertreibe und verkaufe „PKK-bezogene Musikprodukte“ und beteilige sich an „diversen Feiern und Festivals mit PKK-Bezug“.
Bei beiden Vereine sei aufgrund ihrer Tätigkeiten „unzweifelhaft“, dass es sich um auf längere Zeit ausgerichtete Vereinigungen handele, die sich zusammengeschlossen und einer „organisierten Willensbildung unterworfen“ hätten.
Außerdem bestehe der hinreichende Verdacht, dass sich die Vereine „gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung“ (!) richten würden, eine Zielrichtung, die auch Grundlage des PKK-Verbots gewesen sei.
Gegen diese Polizeirazzien wird der Verlag, in dem zahlreiche Bücher u. a. zur kurdischen Historie und Gegenwart, international bekannte Romane, Lyrikbände und viele Veröffentlichungen von Abdullah Öcalan – auch in deutschsprachiger Edition -, Publikationen über die Rolle der kurdischen Frau, Biografie-Bände der 2013 in Paris ermordeten Kurdin Sakine Çansiz und Bücher zur kurdischen Freiheitsbewegung und ihren Widerstand erscheinen, Beschwerde einlegen.
Beide Gesellschaften waren schon in der Vergangenheit von Durchsuchungen, Beschlagnahmungen und Verboten betroffen. Ihre Arbeit haben sie nach entsprechender juristischer Klärung fortsetzen können.
AZADÎ verurteilt dieses politisch motivierte entwürdigende Vorgehen des deutschen Staates gegen Kurd*innen und ihre Institutionen – einzig, um sich des Wohlwollens des türkischen Unrechtsregimes zu versichern. Das scheint weit gediehen: der türkische Außenminister Çavușoǧlu sprach den deutschen Amtskollegen in Berlin als „verehrten Freund“ an und Gabriel konterte mit „Freund Mevlüt“. In dieser Atmosphäre forderte Çavușoǧlu die Festnahme und Auslieferung von Salih Müslim, ehemaliger Vorsitzender der nordsyrischen Partei PYD. Dieser war erst Ende Februar in Prag festgenommen, aber wieder freigelassen worden. Verstärktes Interesse zeigte er auch an einer Entschärfung der Reisehinweise für die Türkei.
Es bleibt abzuwarten, welche politische Zielrichtung der künftige Außenminister Heiko Maas (SPD) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hinsichtlich der deutsch-türkischen Beziehungen verfolgen werden. Zu befürchten ist aber, dass die Gabriel-de Maizière-Repressionslinie fortgesetzt wird.
Was mithin weiterhin bleiben sollte: Solidarität mit den Kurd*innen und Widerstand gegen diese undemokratische staatliche Willkürpolitik.