Plakataktion: Erinnerung an Hanau

Kurdische Jugendliche haben in Frankfurt zwei Monate nach dem Anschlag von Hanau an die Toten erinnert. „Die von Politikern erklärte Solidarität ist ein Witz und erreicht uns Migrant*innen nicht“, teilen sie zu ihrer Plakataktion mit.

Kurdische Jugendliche haben am Sonntag in Frankfurt am Main eine Plakataktion durchgeführt, um an die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau vom 19. Februar 2020 zu erinnern. Auch die Ermordung des ezidischen Jugendlichen Arkan Hussein Khalaf am 7. April 2020 sehen sie in einer Reihe mit den seit Jahrzehnten andauernden rassistischen Angriffen auf migrantische Menschen in Deutschland.

Zu ihrer Aktion erklären die Jugendlichen: „Zwei Monate sind nach dem rechtsradikalen und rassistischen Anschlag auf die migrantischen Jugendlichen in Hanau am 19. Februar vergangen. Wir trauern, wir sind immer noch wütend. Das, was in Hanau passiert ist, ist für uns ein Wendepunkt. In diesen Tagen hören wir immer wieder von Politikern im Fernsehen, dass wir wegen der Pandemie solidarisch sein müssen. Diese von ihnen erklärte Solidarität ist ein Witz und erreicht uns Migrant*innen nicht.

Schaut: Arkan wurde am 7. April von einem deutschen Rassisten ermordet. Zumindest müsste eine Polizei, die gelernt hat, zuallererst von einem rassistischen und rechtsradikalen Motiv ausgehen. Aber das macht sie nicht, sondern erklärt, der Mörder sei ‚verwirrt‘ gewesen. Wir sagen nicht, dass ein Mörder nicht verwirrt ist. Wir sagen aber, dass der deutsche Rassismus kein psychisches oder individuelles Problem ist, sondern ein gesellschaftliches Problem. Die Lösung ist einfach, aber nicht leicht: Wir Migrant*innen müssen uns selbstorganisieren. Die gesamte Gesellschaft muss lernen zuzuhören.

Natürlich ist das schwierig, wenn die Behörden die Fälle nicht richtig aufklären. Bis heute wird zum Beispiel die NSU-Akte für die Öffentlichkeit gesperrt gehalten. Es ist schmerzhaft, wenn die Familien der Angehörigen der Opfer bei der Mahnwache nicht angehört werden, sondern drei deutsche Politiker die gesamte Redezeit für sich beanspruchen. Es ist schwierig für ezidische und kurdische Migrant*innen, wenn der türkische Staat an den Mahnwachen teilnimmt, obwohl der türkische Staat selbst Völkermorde und Massaker begeht. Es ist betrübend, wenn die gesamte Gesellschaft sich von der Pandemie komplett ablenken lässt.

Die Corona-Pandemie betrifft alle Menschen, dennoch müssen wir migrantischen Menschen doppelt aufpassen. Wenn wir spazieren oder einkaufen wollen, dann könnten wir uns wie alle anderen mit dem Virus anstecken oder genauso gut könnte ein deutscher Rassist, ein türkischer Faschist oder ein Nazi uns erstechen. Das ist unsere Lebensrealität im Jahr 2020.

Die Lage der geflüchteten oder flüchtenden Menschen ist noch schwieriger. Erdogan führt Krieg und zwingt immer mehr Menschen in die Flucht, dennoch wird er von der Bundesregierung unterstützt, aber die geflüchteten Menschen werden alleine gelassen. Welche Solidarität meinen also die deutschen Politiker? Wir sehen keine. Wir wollen auch keine mehr. Nicht nach Hanau. Wir vergeben nicht, wir vergessen nicht. Deshalb sind wir mit unseren Atemschutzmasken und unseren Handschuhen plakatieren gewesen, um uns und alle anderen trotz Corona an unsere Hanauer Freund*innen Ferhat, Mercedes, Sedat, Gökhan, Hamza, Kalojan, Vili, Said, Fatih und an Arkan aus Celle zu erinnern."