PKK: Es ist Zeit für die Freiheit Abdullah Öcalans

Zum Jahrestag des Beginns des internationalen Komplotts fordert die PKK die Staatengemeinschaft zur Abkehr von der kurdenfeindlichen Politik auf und Bedingungen für einen Dialog. Zudem wird zur Teilnahme an einem Aktionstag für Abdullah Öcalan aufgerufen.

Die kurdische Gesellschaft bezeichnet die Phase vom 9. Oktober 1998 bis zum 15. Februar 1999 als das „internationale Komplott”. Im Verlauf dieser Zeitspanne wurde Abdullah Öcalan, Vordenker und wichtigster politischer Repräsentant der Kurdinnen und Kurden, auf internationalen Druck durch die Türkei und die NATO zunächst in Syrien zur persona non grata erklärt, bevor er sich für einen Friedensprozess auf eine 130-tägige Odyssee durch Europa begab. Doch auf Drängen der USA verweigerten ihm alle Staaten den Aufenthalt. In Rom, wohin er unter Vermittlung italienischer Kommunisten geflogen war, versuchte Öcalan die kurdische Frage auf die internationale politische Tagesordnung zu setzen. Dort verkündete er auch eine weitgehende Friedensinitiative, die ein Ende des bewaffneten Kampfes im Gegenzug zu einer Amnestie und Demokratisierung der Türkei vorsah. Doch auch die linke Regierung des damaligen italienischen Ministerpräsidenten Massimo D’Alema gewährte dem Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistan, PKK) kein Asyl. Am Ende der Odyssee wurde Abdullah Öcalan aus der griechischen Botschaft der kenianischen Hauptstadt Nairobi verschleppt und völkerrechtswidrig an die Türkei übergeben. Seither wird er auf der Gefängnisinsel Imrali als politische Geisel festgehalten – die meiste Zeit in Totalisolation.

Anlässlich des Jahrestages des internationalen Komplotts, das heute vor 22 Jahren seinen Anfang nahm, hat sich der Exekutivrat der PKK mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt. Darin verurteilt die PKK zunächst den von den USA initiierten „Feldzug des globalen Systems der kapitalistischen Moderne“, welcher die „Kurdenfrage“ geschaffen habe. „Mit größtem Respekt und bewundernder Hochachtung grüßen wir Rêber Apo und alle anderen Menschen, die sich am Widerstand gegen diesen Angriff beteiligten und das weiterhin tun. Der Gefallenen, die unter der Devise ‚Ihr werdet unsere Sonne nicht verdunkeln können‘ im Verlauf des Komplotts ihr Leben ließen, insbesondere Mehmet Halit Oral und Aynur Artan [führten im Zuge der Odyssee Öcalans die ersten Selbstverbrennungen durch], gedenken wir in tiefer Verbundenheit“, heißt es weiter.

Situation Öcalans Gradmesser für Lage des kurdischen Volkes

In der Erklärung wird deutlich, dass die Situation Öcalans nach wie vor als Gradmesser für die Situation des kurdischen Volkes gilt. Die PKK beschreibt das Ziel des Coups gegen ihren Vorsitzenden als Liquidation der kurdischen Bewegung und Existenz sowie Sabotage gegen die Freiheit des kurdischen Volkes und dessen Bemühungen, die kurdische Frage auf demokratische Weise zu lösen und die Türkei und den Mittleren Osten zu demokratisieren. Die Pläne der am Komplott beteiligten Kräfte würden heute zwar nicht mehr offen fortgesetzt, dafür aber mit revidierten Methoden. Diese spiegelten sich auf verschiedene Weise wider, wie etwa in dem 2015 wiederaufgenommenen und bis heute andauernden Krieg des türkischen Regimes gegen das kurdische Volk, in der Auslobung von Kopfgeldern auf Führungskader der PKK durch die USA Ende 2018 und der Besatzung der nordsyrischen Städte Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) durch die Türkei und dschihadistische Milizen vor genau einem Jahr, die wie bei der Invasion in Efrîn zu hunderten Toten sowie tausenden Verletzten und die Vertreibung hunderttausender Menschen zur Folge hatte.

„In diesem Sinne stehen die USA nach wie vor hinter allen faschistisch-genozidalen Handlungen der Türkei gegen die Kurden. An dieser Stelle verurteilen wir ein weiteres Mal die am 9. Oktober 2019 auf Rojava begonnenen Besatzungsangriffe und ihre Verantwortlichen und erinnern uns in Respekt und mit Dankbarkeit an die selbstlosen Gefallenen dieses Widerstands. Wir sind fest davon überzeugt, dass sich das Volk von Rojava noch kraftvoller der Besatzung widersetzen wird und wünschen den dortigen Menschen viel Erfolg“, so die PKK.

Der „verschwörerische Angriff vom 9. Oktober 1998“ drücke die Realität einer spaltenden, konfrontativen, faschistischen, kolonialistischen und völkermörderischen Mentalität und Politik aus, unterstreicht die kurdische Arbeiterpartei. Er repräsentiere eines der „ungerechtesten“ Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ein grausames Eingreifen in den Lauf der Geschichte. Dass das Komplott heute weitergeführt wird, schließe nicht nur die Fortsetzung des kurdischen Völkermords ein, sondern bilde gleichzeitig die Grundlage für die Fragmentierung und den Despotismus im Mittleren Osten. „Das Komplott ist zugleich Quelle des seit dreißig Jahren andauernden Dritten Weltkrieges. Aus diesem Grund dürfen wir nicht zulassen, dass diese Verschwörung und die kurdische Frage noch länger andauern.“

Europarat verantwortlich für Aufrechterhaltung der Isolation

Rückhalt bei der Aufrechterhaltung des Komplotts erhielten die USA aus Europa, führt die PKK weiter aus. Als wichtigstes Standbein des Angriffs auf das kurdische Volk wird das Folter- und Isolationssystem im Inselgefängnis Imrali genannt. Hauptverantwortliche hierfür sei der Europarat und dessen Antifolterkomitee CPT (Komitee des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe), der einzigen und vor allem effizientesten Institution, die berechtigt und in der Lage ist, Imrali zu inspizieren und das dort herrschende Unrechtsystem zu beenden. „Doch statt der Folter und Isolation auf Imrali ein Ende zu setzen, wird dieser Schandfleck aufrechterhalten. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass diese Kräfte nicht nur aktiv gegen die Freiheit des kurdischen Volkes agieren, sondern direkt am Genozid an den Kurdinnen und Kurden beteiligt sind. In diesem Sinne stellen sie sich gegen die Demokratisierung der Türkei und des Mittleren Ostens und gelten als Bündnispartner der Türkei für Invasionen, faschistisch-kolonialistische Angriffe und Massaker. Diese Kräfte haben dem kurdischen Volk und dem Freiheitskampf großen Schaden zugefügt. Unser Wort an sie lautet: Gebt es auf, euch als ein feindlich gesinntes Wesen zu materialisieren, kehrt um von der genozidalen Mentalität und Politik gegen das kurdische Volk, Rêber Apo und die PKK. Setzt stattdessen auf die Stärke und Fähigkeit, Bedingungen für den Dialog zu schaffen, um politische Differenzen und gedankliche Konflikte auf demokratische Weise zu beseitigen“, fordert die PKK.

Faschistische Diktatur muss gestürzt werden

Der von der AKP Recep Tayyip Erdoğans angeführte türkische Staat wird in der Erklärung als „Wächter des Komplotts“ bezeichnet. Mit der MHP als Koalitionspartner halte das derzeitige Regime die pantürkisch-rassistische und turanistische Ideologie aufrecht, die sich seit dem Putsch der jungtürkischen Ittihadisten und dem darauffolgenden Völkermord an den Armeniern zu Beginn des 20. Jahrhunderts über den Militärputsch vom 12. September 1980 bis in die Gegenwart wie ein roter Faden durch die Geschichte der Türkei zieht, so die PKK. Denn wie die früheren Regierungen habe sich auch die „faschistische AKP/MHP-Diktatur“ für ihre eigenen Interessen und den Machterhalt mit den Kräften des Komplotts zusammengeschlossen und das Land heute in den ultimativen Abgrund geführt. Innenpolitisch mit einer kurdenverachtenden, frauen- und volksfeindlichen Mentalität, jenseits der Grenzen durch Terror, Massaker und Kriege habe das AKP/MHP-Regime die Türkei in die völlige Zerstörung und den Zusammenbruch manövriert. „Für die Befreiung der Völker in der Türkei, an erster Stelle der Kurdinnen und Kurden, sowie für die Freiheit der Frau, muss diese faschistische Diktatur gestürzt werden. Für die Errettung der Menschheit ist der Fall der AKP und MHP zwingend erforderlich“, so die PKK.

Zeit für die physische Freiheit Abdullah Öcalans

Zweifellos sei die 22-jährige Phase des Widerstands gegen das Komplott ein sehr schwieriger und bedeutungsvoller Teil des Freiheitskampfes und des Volkswiderstands, führt die PKK weiter aus. Der von Abdullah Öcalan und der Arbeiterpartei Kurdistans angeführte Widerstand, der mehr als 20.000 Gefallene, große Schmerzen und Hindernisse einforderte, habe zwar große Opfer abverlangt, aber gleichzeitig auch den Weg für große Entwicklungen und historische Errungenschaften geebnet. „In jedem Moment der vergangenen 22 Jahre ist das Komplott, das uns vernichten wollte, auf unseren harten Widerstand gestoßen und hat Niederlagen erlitten. Der Plan der globalen Komplottmächte ist gescheitert.

Natürlich war es Rêber Apo, der diesen Kampf mehr als alle anderen anführte. So wie er den Widerstand unter dem System der Folter und Isolation auf Imrali de facto lenkte, gab er die Richtung an, wie wir uns auf Grundlage seiner Verteidigungslinie erneuern, und wies dem kurdischen Volk sowie allen anderen unterdrückten Völkern den Weg zur Befreiung. Mit dem von ihm umgesetzten Paradigmenwechsel wandte sich die PKK ab von Macht und Staat und wurde zur Partei einer ökologischen, frauenbefreienden und demokratischen Gesellschaft. Mit dem Projekt der demokratischen Autonomie und des demokratischen Konföderalismus auf der Grundlage eines freien Individuums und einer demokratischen Kommune hat Rêber Apo den Weg zur Lösung aller sozialen Probleme geebnet. Dadurch wurde er zum universalen Repräsentanten der Unterdrückten. In diesen 22 Jahren des großen Kampfes, insbesondere durch die Auswirkungen unserer Revolution für die Befreiung der Frau und dem Widerstand gegen den sogenannten IS in Rojava, haben sich die Ideen der kurdischen Befreiungsbewegung überall auf der Welt verbreitet. Der kurdische Freiheitskampf hat sich zu einer Bewegung etabliert, die weltweit Anerkennung von Frauen, der Jugend und den Werktätigen erfährt.“

Der Kampf der letzten beiden Jahrzehnte gebe vor, wie der Widerstand in der bevorstehenden Phase auszusehen habe, teilt die PKK weiter mit. „Es ist Zeit für die Freiheit von Rêber Apo und das Ende von Völkermord und Besatzung.“ Weltweit werden Kurdinnen und Kurden und solidarische Menschen aufgerufen, sich der KCK-Offensive gegen Isolation, Faschismus und Besatzung anzuschließen und am globalen Aktionstag für die Freiheit Adullah Öcalans am Samstag, dem 10. Oktober, teilzunehmen. „Es ist Zeit, das Isolations- und Foltersystem auf Imrali, das synonym für das Komplott gegen Abdullah Öcalan steht, zu durchbrechen. Es ist Zeit, die physische Befreiung von Rêber Apo umzusetzen.“