NRW erlässt Abschiebestopp für ezidische Frauen und Kinder
Ezidische Frauen und Kinder werden nicht mehr aus NRW in den Irak abgeschoben. Grund dafür seien Gefahren für die religiöse Minderheit in ihrem Herkunftsland.
Ezidische Frauen und Kinder werden nicht mehr aus NRW in den Irak abgeschoben. Grund dafür seien Gefahren für die religiöse Minderheit in ihrem Herkunftsland.
Die Regierung von Nordrhein-Westfalen hat einen sofortigen Abschiebestopp für ezidische Frauen und Kinder erlassen. Die Maßnahme gilt zunächst für drei Monate und kann durch das Land einmal verlängert werden, wie das NRW-Ministerium für Flucht und Integration am Montag auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) bestätigte. Die Entscheidung sei in Anbetracht der „schwierigen menschenrechtlichen Situation“ für die ezidische Minderheit im Irak erfolgt.
„Die Berichte über die Situation für diese Gruppe im Nordirak sind besorgniserregend“, sagte die nordrhein-westfälische Fluchtministerin Josefine Paul. „Die irakische Regierung ist laut Einschätzung des Auswärtigen Amtes nicht in der Lage, den Schutz von religiösen Minderheiten in vielen Gebieten sicherzustellen.“ Insbesondere ezidische Frauen und Kinder seien im Nordirak erheblichen Gefahren ausgesetzt, so die Grünenpolitikerin.
Im August 2014 überfiel die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) das ezidische Kerngebiet Şengal (Sindschar) und verübte einen Völkermord. Zehntausenden Ezidinnen und Eziden, die von den Peschmerga-Einheiten der Barzanî-Partei PDK entwaffnet und schutzlos zurückgelassen wurden, blieb nur die Flucht ins Gebirge. Doch nicht allen gelang sie rechtzeitig.
Der IS verübte Massenmorde an Männern und entführte Frauen und Kinder, um sie zu vergewaltigen, zu versklaven oder zu Kindersoldaten zu rekrutieren. Schätzungen nach fielen über 10.000 Menschen den Massakern in Şengal zum Opfer, mehr als 400.000 Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Über 7.000 Frauen und Kinder sind verschleppt worden, bis heute werden etwa 2.700 von ihnen weiter vermisst. Daher stellt dieser Genozid in seiner Form zugleich auch einen Femizid dar.
Die Flucht der Ezidinnen und Eziden am 3. August 2014 Richtung Şengal-Berg
Der Bundestag hatte im Januar einen einstimmigen Beschluss gefasst, der den Genozid an den Ezidinnen und Eziden und die schweren Verbrechen des IS anerkennt. Bislang hat das Bundesinnenministerium daraus aber keinen besonderen Schutzstatus für diese Gruppe abgeleitet. Nach Recherchen des ARD-Magazins Monitor wurden in den vergangenen Monaten sogar wieder vermehrt ezidische Schutzsuchende abgeschoben. Hintergrund ist offenbar ein im Mai zwischen der Bundesregierung und dem Irak vereinbarter Deal im Bereich Migration, der es vereinfachen soll, Asylsuchende aus dem Irak zurückzuführen.
Kritik an Innenministerin Faeser
Nordrhein-Westfalen ist den Angaben nach das einzige Bundesland, das aktuell einen formalen Abschiebestopp für Angehörige der ezidischen Minderheit verhängt hat. Das kritisiert Fluchtministerin Josefine Paul. Gegenüber „Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung“ sagte sie, dass sie sich „mehrfach und über einen längeren Zeitraum“ beim Bundesinnenministerium erfolglos für einen bundesweiten Abschiebestopp eingesetzt habe. „Aus der verheerenden menschenrechtlichen Situation, insbesondere für Frauen und Kinder, zieht Ministerin Faeser aber leider keine Schlüsse und zeigt sich untätig.“