Norddeutsche Delegation in Südkurdistan appelliert an den Bund

Eine norddeutsche Delegation aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und Parlamentariern, die sich aktuell in Südkurdistan aufhält, fordert die Bundesregierung auf, gegen den kalkulierten Bruch des Völkerrechts durch die Türkei zu intervenieren.

Eine norddeutsche Delegation aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und Parlamentarier*innen aus Schleswig-Holstein, Hamburg und dem Deutschen Bundestag hält sich aktuell in einer humanitären Mission in Südkurdistan (Nordirak) auf. „Wir erleben gegenwärtig, dass die Spannungen in dieser Region dramatisch zunehmen“, erklärt Robert Jarowoy von der Hamburger Kurdistan-Hilfe e.V.. So wurde der Delegation (bisher) der Zugang  zu den ezidischen Gebieten in der Şengal-Region wie auch zu dem Flüchtlingscamp Mexmûr (Maxmur) verwehrt. Die Situation der Kurden spitze sich zu. Angesichts des drohenden Einmarsches der türkischen Armee in Rojava richten die Delegationsmitglieder einen dringenden Appell an die Bundesregierung.

„Wir fordern die Bundesregierung auf, gegen den kalkulierten Bruch des Völkerrechts durch die Türkei politisch zu intervenieren. Ein weiterer Angriffskrieg eines NATO-Mitgliedes kann nicht akzeptiert werden“, fordert Norbert Hackbusch, Mitglied der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft. Die Delegation protestiert dagegen, dass dem NATO-Mitglied Türkei von seinen Bündnispartnern offenbar ein expansionistischer Angriffskrieg gegen eine friedliche Nachbarregion zugestanden werden soll.

Im Nordwesten Syriens ist es der von jahrelanger Kriegs- und islamistischer Unterdrückungsgewalt gebeutelten Bevölkerung gelungen, ein multiethnisches, emanzipatorisches, demokratisches Gesellschaftsmodell zu etablieren. Diesem, auf die benachbarte Autokratien bedrohlich wirkende alternative Politikmodell den Garaus zu machen, ist möglicherweise das eigentliche Motiv für die türkischen Interventionspläne.

Bundesweit haben im ersten Halbjahr 2019 schon 1.306 Asylsuchende aus der Türkei in Deutschland Zuflucht gesucht. Auch in Schleswig-Holstein gehört die Türkei inzwischen zu den fünf Hauptherkunftsländern. „Jetzt schickt sich die türkische Regierung an, nicht nur im eigenen Land, sondern nun auch im Norden Syriens für die kurdische Bevölkerung massenweise Fluchtgründe zu schaffen“, mahnt Martin Link, als Vertreter des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein und Teilnehmer der Delegation. „In dieser Situation müssen die unerträglichen Waffenlieferung Deutschlands an die Türkei sofort unterbunden werden.“ stellt Flemming Meyer, Vorsitzender des SSW und Mitglied des Kieler Landtags, fest.

Die türkische Wirtschaft befindet sich seit Monaten in einer rasanten Talfahrt. Leidtragende sind auch die 3,6 Mio. im Lande lebenden syrischen Flüchtlinge, die zunehmend als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen werden. Diesen innenpolitischen Druck weiß Präsident Erdogan mit der Drohung, die syrischen Flüchtlinge weiter auf den Weg nach Europa zu schicken, geschickt zu kanalisieren. „Das türkische Festhalten am EU-Türkei-Flüchtlingsdeal soll offenbar mit dem Stillschweigen des Westens über die türkische Interventionspolitik in Rojava erkauft werden“, kritisiert Link.

Zu der Delegation, die sich seit dem 5. Oktober im Nordirak aufhält, gehören unter anderem Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, Prof. Dr. Jochen Dahm-Daphi und Dr. Marcial Velasco Garrido von der Vereinigung Demokratische Ärzte, Robert Jarowoy und Susanne Klewitz von der Kurdistan-Hilfe e.V. und die Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic von der Fraktion Die Linke, Flemming Meyer, schleswig-holsteinischer Landtagsabgeordneter für den SSW und Norbert Hackbusch, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft für die Fraktion Die Linke.