Vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe musste die Stadt Mannheim eine umfassende Schlappe einstecken: Das Verbot, das sie gegen die für den 8. April 2017 angemeldete Demonstration „Staatsterrorismus stoppen! Weg mit dem Verbot der PKK!“ verhängt hatte, wurde auf ganzer Linie für rechtswidrig erklärt. Im Folgenden dokumentieren wir eine Erklärung der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD/iL) zum Prozess um das Demonstrationsverbot.
„Für den 8. April 2017 hatte ein breites Bündnis linker Gruppen aus der Rhein-Neckar-Region eine Demonstration durch die Mannheimer Innenstadt angemeldet, um gegen die brutale Verfolgung von kurdischen und türkischen Oppositionellen in der Türkei sowie gegen die Kriminalisierung dieser Gruppen in der Bundesrepublik – insbesondere durch das seit 1993 anhaltende Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – zu protestieren. Nachdem bei einem ersten Kooperationsgespräch zwischen der Anmelderin und dem Ordnungsamt nur geringe Routenänderungen aufgrund von Baustellen vereinbart worden waren, folgte wenige Tage später eine 180-Grad-Wende der Stadtverwaltung: Ein überraschend anberaumtes zweites Kooperationsgespräch stand von Anfang an unter der Ankündigung eines bevorstehenden Verbots wegen einer vermeintlich veränderten Gefahrenlage. Die einzige Neuerung, die die zahlreichen Vertreter*innen der Behörde als Veränderung zum Vorgespräch wenige Tage zuvor anführen konnten, war ein Mobilisierungsvideo, das in sozialen Netzwerken kursierte und in dem seit kurzem verbotene kurdische Fahnen gezeigt wurden. Daraus leitete die Behörde angeblich drohende massenhafte Verstöße gegen das Vereinsgesetz im Verlauf der anstehenden Versammlung ab, was in ihren Augen einen Verbotsgrund darstellte. Auch ansonsten entwarf die Stadt Mannheim ein absurdes Gefahrenszenario, das nicht kontrollierbar sei, und verhängte am 4. April 2017 ein Verbot der Demonstration und aller Ersatzveranstaltungen. Gegen diesen schwerwiegenden Grundrechtseingriff ging die Anmelderin mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage vor, um die Unrechtmäßigkeit der Maßnahme gerichtlich feststellen zu lassen. In der Verhandlung am vergangenen Montag (27. Mai 2019) wurde die Verbotsverfügung vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe in einer dreistündigen Verhandlung überprüft, wobei die beiden Vertreter*innen der Mannheimer Behörde keine Belege für ihre Behauptungen vorbringen konnten und die meisten Fragen unbeantwortet ließen. Zu den absurden Konstruktionen, die die Stadt Mannheim für ihr Verbot bemüht hatte, gehörten die angeblich AKP-nahen Bewohner*innen an der angemeldeten Route, die die prokurdische Demonstration provozieren und somit Unruhe seitens der VersammlungsteilnehmerInnen auslösen könnten.
Auf Nachfrage des Gerichts konnte allerdings keine Grundlage für die behauptete politische Zusammensetzung der Anwohner*innen gefunden werden – ganz abgesehen von der Tatsache, dass die bloße Möglichkeit von Provokationen und Störungen durch zufällige Passant*innen, die sich gegen eine angemeldete Demonstration richten, keinesfalls die Aushebelung des elementaren Grundrechts auf Versammlungsfreiheit bedeuten kann. Auch die seitens des Ordnungsamts angeführten Straftaten und Konflikte am Rand früherer Versammlungen ließ das Gericht nicht als relevant gelten, da es sich jeweils um einzelne Vorkommnisse handle.
In dem als zentralen Verbotsgrund angeführten Video konnte das Gericht die von der Stadt Mannheim behaupteten Straftaten großteils nicht erkennen. Schon gar nicht schien es dem Gericht geeignet, um die Grundrechte von mehreren hundert erwarteten Teilnehmer*innen außer Kraft zu setzen. Auch ansonsten blieb die Behörde jeden konkreten Beleg für eine reale Gefahrenlage schuldig und konnte die Fragen des Gerichts, was denn genau einen so umfassenden Grundrechtseingriff rechtfertige, nicht beantworten.
Dem entsprechend erklärte das Gericht am 29. April in einer ersten Stellungnahme das Demonstrationsverbot für rechtswidrig und erlegte der Stadt Mannheim die Kosten des Verfahrens auf. Das schriftliche Urteil wird erst in einigen Wochen folgen. Damit wurde der willkürlichen Verbotspolitik der Stadt Mannheim, die nach politischen Kriterien missliebige oppositionelle Meinungen aus dem öffentlichen Raum verbannen will und sich so zur Erfüllungsgehilfin des türkischen AKP-Regimes macht, klar ein Riegel vorgeschoben.
Wir werden auch weiterhin allen Kriminalisierungs- und Verbotsdrohungen zum Trotz unsere Solidarität mit den kurdischen und türkischen Linken sowie unseren Protest gegen die Verfolgungen dieser Bewegungen auf die Straße tragen.”