Die Münchner Polizei ermittelt wieder gegen den kurdischen Aktivisten Azad Yusuf Bingöl. Allein in der vergangenen Woche hat der 29-Jährige vier Vorladungen zur Vernehmung erhalten. In einem fünften Schreiben, das der Aktivist vor wenigen Tagen in seinem Briefkasten vorfand, verlangt die Polizei seine schriftliche Äußerung als Beschuldigter. In dem Fall soll sich Bingöl zu einem Beitrag äußern, den er im Januar über den Kurznachrichtendienst Twitter teilte.
In dem Post eines anderen Nutzers (Retweet) wird auf den Hungerstreik des Aktivisten Şiyar Xelil in Nürnberg aufmerksam gemacht. Zu sehen ist auch das Foto zum Text, das unter anderem eine Flagge des „Freiheits- und Demokratiekongresses Kurdistan“ (Kongreya Azadî û Demokrasiya Kurdistanê, KADEK) zeigt. Dabei handelte es sich um eine im Jahr 2002 aus der PKK hervorgegangenen Organisation, die wenige Monate nach ihrer Gründung wieder aufgelöst wurde.
„Kriminalisierung von Kurden Geschenk an türkischen Staat”
Bei der Polizei persönlich vorsprechen soll Azad Yusuf Bingöl wegen des Tragens eines T-Shirts mit dem Konterfei Öcalans und einer YPG-Fahne auf Protesten am Rande der Müncher Sicherheitskonferenz. Gegenüber ANF erklärte der Aktivist: „Ich denke, dass diese gezielte Politik der Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden hierzulande nicht nur ein Geschenk an den türkischen Staat ist, sondern darüber hinaus auch die deutschen Waffenexporte an die Türkei ergänzt und diese Politik vervollständigt.
Jeder, der zu kritisch ist, soll eingeschüchtert und mundtot gemacht werden. Anders ist es nicht zu erklären, wieso man neben Versammlungen und Aktivitäten auch sämtliche Profile von politischen Aktivist*innen in den sozialen Netzwerken durchleuchtet und unzählige Ermittlungen einleitet. Vor allem sollen über diese Fälle Exempel statuiert werden, sodass alle anderen potentiellen Kritiker*innen in Zukunft zu der deutsch-türkischen Kriegspartnerschaft schweigen. Deshalb werden wir das in Zukunft noch lauter und deutlicher benennen und weder schweigen noch uns einschüchtern lassen”, so Bingöl.
Rund 30 Ermittlungsverfahren gegen Bingöl
Bisher leitete die Münchner Polizei rund 30 Ermittlungsverfahren gegen den Aktivisten wegen angeblichen Verstößen gegen das Vereinsgesetz ein. „Die Behörden sollten lieber auf die Forderungen der Hungerstreikenden eingehen, bevor sie Beiträge zu dem Hungerstreik auf Twitter und Facebook kriminalisieren und sich immer offensichtlicher bei der Verfolgung von Kurdinnen und Kurden auf die Seite des türkischen Staates stellen”, kritisiert Bingöl.
Von der deutschen Öffentlichkeit erwartet der Aktivist mehr Aufmerksamkeit für die Anliegen von Kurdinnen und Kurden. „Öcalan wird von Millionen Menschen als politischer Repräsentant anerkannt. Anstatt seine Bilder, Bücher und Ideen zu verbieten, sollte seine Isolation bekämpft und seine Freiheit eingefordert werden. Nur so ist langfristig eine friedliche Lösung angesichts der Kriege in Kurdistan und im Mittleren Osten möglich. Der türkische Staat isoliert Öcalan, der deutsche Staat verbietet seine Bilder und Bücher. Deshalb ist es umso wichtiger, sich solidarisch mit der Hungerstreikbewegung zu zeigen und die Kriminalisierungsversuche nicht hinzunehmen”.