London: Zehntausende protestieren nach Tod von kurdischem Jungen

Nach der Ermordung eines 17-jährigen Kurden bei einem Gewaltverbrechen sind Zehntausende Menschen in London auf die Straße gegangen. Sie werfen dem Staat vor, Migrant:innen nicht zu schützen.

Nach dem Mord an dem 17-jährigen Kurden Ali Baygören am 18. Juni kommt es in Nordlondon zu Massendemonstrationen. Baygören war mit mehreren Messerstichen getötet worden. Der 15-jährige mutmaßliche Täter wurde festgenommen. Das Gewaltverbrechen brachte das Fass zum Überlaufen. Die Bewohner:innen von Nordlondon protestieren gegen die Zunahme von Morden, Erpressung, Raub und Drogenhandel und sehen dies als Konsequenz einer systematischen Vernachlässigung von vorwiegend von Migrant:innen bewohnten Vierteln durch die Polizei.

Zehntausende Menschen versammelten sich vor dem Tottenham-Stadion und folgten einem Aufruf der Union der Demokratischen Kräfte. Zu dem Bündnis gehören der kurdische Volksrat, Day-Mer, Gik-Der, alevitische Organisationen und lokale Vereine. Die Wut richtete sich vor allem gegen die Polizei und den Staat, die Menschen riefen „Mörder-Staat, mörderische Polizei“, „Schulter an Schulter gegen die Banden“. Die Demonstration zog vor die polizeiliche Zentralstation in Edmonton.

Ibrahim Baygören, der Vater des Ermordeten, marschierte an der Spitze des Demonstrationszuges. Die Menschenmassen blockierten Straßen mit Sit-Ins und protestierten lautstark vor dem Polizeirevier.

Vor der Polizeistation ergriffen der Präsident der Migrantischen Arbeiter:innen (Gik-Der), Ibrahim Avcil, Ercan Akbal im Namen des kurdischen Volksrats, Day-Mer-Präsident Ahmet Sezgin, die Präsidentin der Britisch-Alevitischen Föderation (BAF), Dilek Incedal, und der ehemalige BAF-Präsident Israfil Erbil sowie mehrere Jugendorganisationen das Wort. In den Reden wurde die Unsensibilität und das Desinteresse des britischen Staates an der Situation in vorwiegend von Migrant:innen bewohnten Vierteln kritisiert, die die Ursache der Gewaltkriminalität sei.

Die BAF-Vorsitzende Dilek Incedal sagte, dass die Migrant:innen aufgrund von Verfolgung nach Großbritannien gekommen seien: „Wir haben hier viele Probleme. Vielleicht haben wir hier einen Verdienst gefunden, aber Geld ist nicht die Lösung. Unser Leben ist kostbar. Die Lösung dafür ist, unsere Werte zu verteidigen.“

„Selbstverteidigung aufbauen statt auf kapitalistisches System zu vertrauen“

Der Ko-Vorsitzende kurdischen Volksrats, Ercan Akbal, erinnerte daran, dass der britische Staat im Nahen Osten durch Waffenverkäufe für das andauernde Blutvergießen verantwortlich ist. Er rief zum Aufbau eigener Selbstverteidigungsstrukturen auf, anstatt sich auf das kapitalistische System zu verlassen.

Ibrahim Avcil von Gik-Der erklärte, die wahren Mörder seien die Polizisten und der Staat, die nichts gegen die Gangs unternähmen. Alis Vater, Ibrahim Baygören, dankte der Gemeinde für ihre Solidarität und sagte: „Ich habe meinen Sohn auf der Grundlage von Werten und Prinzipien erzogen. Die Gesellschaft soll aufeinander achten.“