London: „Graue Wölfe“ attackieren kurdisches Zentrum

Aus Frust über die Niederlage der türkischen Nationalmannschaft beim Viertelfinalspiel gegen die Niederlande haben Anhänger der „Graue Wölfe“ in London das Kurdish Community Centre attackiert. Auch in Berlin rasteten türkische Hooligans aus.

Türkischer Nationalismus im Fußball

Offenbar aus Frust über die Niederlage der türkischen Nationalmannschaft beim Viertelfinalspiel gegen die Niederlande am Samstagabend in Berlin attackierten Anhänger der faschistischen Bewegung „Graue Wölfe“ in London das Kurdish Community Centre. Die Gruppe zog grölend und den sogenannten Wolfsgruß zeigend vor das Gesellschaftszentrum im Stadtteil Harringay und rief rassistische Parolen. Einzelne Personen schwenkten die Türkei-Flagge sowie eine Fahne, auf der drei Halbmonde auf grünem Grund zu sehen waren. Die Fahne, die im Osmanischen Reich als Kriegsflagge diente, gehört ebenfalls zu den beliebten Symbolen rechtsextremer Türken.

Die Londoner Polizei war mit vielen Kräften vor Ort und bildete einen Kreis um kurdische Aktivist:innen, die auf der Straße vor dem Verein einen Sitzstreik abhielten. Mehrmals gab es Versuche Grauer Wölfe, die Absperrung zu überwinden und in das Sit-in zu stürmen. Auf einem vom Journalisten Erem Kansoy auf der Plattform X geteilten Video sind mehrere der türkischen Randalierer zu sehen, wie sie Polizist:innen anpöbeln und attackieren. Mindestens zwei von ihnen sollen festgenommen worden sein, schrieb Kansoy auf X. Zu möglichen Verletzten konnte er keine Angaben machen.


Graue Wölfe

Als „Graue Wölfe“ werden die Anhänger der faschistischen „Ülkücü-Bewegung“ (zu Deutsch: „Idealisten“) bezeichnet. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamistischen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, ihr Symbol ist der „Wolfsgruß“, bei dem der Mittel- und Ringfinger die Spitze des Daumens berührt, während Zeigefinger und kleiner Finger gerade ausgestreckt sind. In der Ideologie der „Grauen Wölfe“ gilt das Türkentum als überlegen. Als Feindbilder dienen dabei all jene, die nicht in ein von ihnen angestrebtes türkisches Großreich passen. Dazu zählen neben Kurd:innen, Armenier:innen, Griech:innen, Alevit:innen, Christ:innen und jüdischen Menschen auch Homosexuelle, Linke und Feministinnen. Der türkische Nationalspieler Merih Demiral hatte im EM-Achtelfinale gegen Österreich den Wolfsgruß gezeigt und damit für einen Skandal gesorgt.

Auseinandersetzungen in Berlin

Auch in Berlin rasteten Anhänger der türkischen Nationalmannschaft nach der Partie Türkei - Niederlande aus. Auf der Fanmeile kam es noch während des EM-Viertelfinales zu Auseinandersetzungen zwischen Fans beider Teams. Auf einem Video, das die „Berliner Zeitung“ bei X gepostet hat, ist zu sehen, wie Anhänger der Mannschaften aufeinander zurennen und schließlich von Ordnern und anderen Menschen getrennt werden, die schlichten wollen. Türkische Fans warfen Gegenstände und griffen Niederländer an. Sicherheitskräfte eines privaten Dienstleisters mussten einschreiten.

Auslöser der Krawalle türkischer Fans soll das entscheidende Tor zum späteren Endstand von 2:1 für die Niederlande in der 76. Minute gewesen sein. Polizist:innen kamen erst nach dem Abpfiff dazu. Die Polizei konnte zunächst keine Angaben machen. Der Vorfall sei bekannt, sie könne aber noch nicht sagen, ob Beamte eingreifen mussten, sagte eine Sprecherin. Zuvor hieß es, dass der Einsatz insgesamt bis kurz nach dem Abpfiff des EM-Viertelfinals im Berliner Olympiastadion weitgehend ohne besondere Vorkommnisse verlaufen sei. Es habe vereinzelte Festnahmen gegeben.

Weil viele türkische Fußball-Anhänger fortlaufend den Wolfsgruß gezeigt haben, hatte die Polizei den Fanmarsch vor dem Spiel aufgelöst. Grund seien „fortgesetzte politische Botschaften“, hieß es. Die türkischen Fans waren per Lautsprecherdurchsagen aufgefordert worden, sich individuell zum Stadion zu bewegen, sofern sie ein Ticket für das Spiel hätten, hatte es weiter geheißen. Tausende Fans der türkischen Fußball-Nationalmannschaft zeigten dann während der Nationalhymne im Berliner Olympiastadion den nationalistischen Wolfsgruß.

Erdoğan im Olympiastadion

Auch der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan besuchte das Spiel am Sonnabend. Er saß zusammen mit seiner Ehefrau Emine im Olympiastadion auf der Tribüne. Erdoğan war erst kurz vor Anpfiff in der Hauptstadt gelandet und sollte unmittelbar nach dem Spiel wieder zurückfliegen.