Kriegsverbrechen der Türkei in Efrîn

Prof. Dr. Norman Paech bewertet den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg des türkischen Staates gegen Efrîn.

Am 19. Januar 2018 hat die türkische Armee damit begonnen, Ortschaften im Norden Syriens in Efrîn mit schwerer Artillerie anzugreifen. Am Tag darauf ist sie mit Bodentruppen über die Grenze in syrisches Territorium eingefallen, unterstützt von schweren Waffen aus der Luft. Dies erfüllt den strafbaren Tatbestand des „Verbrechens der Aggression“, wie er in Art. 8 bis des Statuts des Internationalen Strafgerichtshof (IGH-Statut, Römisches Statut) als „die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt,“ definiert wird.

Türkei wurde nicht aus Efrîn angegriffen

Die Bombardierung und Invasion syrischen Territoriums sind eine eindeutige Verletzung der territorialen Integrität Syriens und des Gewaltverbots gem. Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta. Dieser Angriff ist weder durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrats nach Art. 39/42 UN-Charta noch durch Selbstverteidigung gem. Art. 51 UN-Charta gerechtfertigt. Türkisches Territorium wurde von Efrîn aus weder angegriffen noch droht ein Angriff in der Zukunft. Erklärtes Ziel der türkischen Armee sind die Vernichtung der kurdischen Verteidigungskräfte YPG und die Kontrolle der kurdischen Gebiete im Norden Zürichs. Diese Ziele werden vom Völkerrecht nicht gedeckt.

Angriffe auf die Zivilbevölkerung sind Kriegsverbrechen

Es hat offensichtlich starke Zerstörungen ziviler Objekte und zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung gegeben. Die Angriffe haben zudem eine große Flüchtlingsbewegung ausgelöst. Menschen, die nach Norden über die Grenze in die Türkei flüchten, berichten, dass sie von türkischen Grenzsoldaten angegriffen und beschossen wurden. Die Zivilbevölkerung ist ebenso wie zivile Objekte nach den Genfer Konventionen v. 12. August 1949 geschützt, ihre Verletzung oder Tötung stellt ein schweres Kriegsverbrechen nach Art. 8 IGH-Statut dar. Die Türkei kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Opfer unvermeidbare Kollateralschäden ihres Kampfes gegen die YPG seien. Denn schon dieser Kampf ist völkerrechtswidrig.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Zudem besteht der dringende Verdacht, dass sich die türkische Kriegsführung eines „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ schuldig gemacht hat. Art. 7 IGH-Statut fasst darunter u.a. die „vorsätzliche Tötung…, die im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen wird.“ Die Zahl der zivilen Toten ist zwar nicht genau bekannt, muss aber nach Berichten aus dem Kriegsgebiet schon erheblich sein. Auf jeden Fall muss die Invasion mit schweren Waffen auf dem Boden wie aus der Luft als „ausgedehnter oder systematischer Angriff“ beurteilt werden.

MAF-DAD sammelt Beweise

Diese Verbrechen gehören vor den IStGH in Den Haag. Dafür kann jeder Vertragsstaat, also auch die Bundesrepublik, „eine Situation, in der es den Anschein hat, dass eines oder mehrere dieser Verbrechen begangen wurden, …nach Art. 14 dem Ankläger“ unterbreiten (Art. 13 IGH-Statut). Allerdings kann die Anklagebehörde auf Grund erlangter Informationen auch eigenständig Untersuchungen einleiten. Die deutsch-kurdische Juristenvereinigung MAF-DAD ist dabei, umfangreiche Beweise für die Verbrechen zu sammeln, und wird sie der Anklagebehörde in Den Haag vorlegen.

Kriegsgerät aus deutscher Produktion

MAF-DAD wird ebenso Beweise dafür vorlegen können, dass die türkische Armee nur deswegen ihre Angriffe mit dieser zerstörerischen Kraft vorantreiben kann, weil sie über Kriegsgerät aus deutscher Produktion, Panzer, Motoren und Handfeuerwaffen, verfügt. Diese wurden ihr durch deutsche Unternehmen mit der Genehmigung der Bundesregierung verkauft. Dies ist eine aktive Unterstützung und Beihilfe zu den von der Türkei verübten völkerrechtlichen Verbrechen. Waffen sind dazu da, im Krieg eingesetzt und nicht nur auf Paraden oder bei Truppenübungen gezeigt zu werden. Das ist der deutschen Regierung immer bewusst gewesen. Es hat schon vorher den Einsatz deutscher Waffen im Krieg gegen die Kurden in der Türkei gegeben. Die deutsche Bundesregierung kann sich nicht darauf berufen, sie habe den Einsatz der aus deutscher Produktion gelieferten Waffen im Krieg vertraglich ausgeschlossen. Sie hat sich insoweit der Beihilfe zu den von der türkischen Armee verübten Verbrechen ebenso schuldig gemacht.