Das zentrale Newroz-Fest in Deutschland findet am kommenden Samstag in Frankfurt am Main auf dem Rebstockgelände (Messe Frankfurt) statt. Der Beginn der Feierlichkeiten ist auf 11 Uhr angesetzt. Der kurdische Dachverband KON-MED erwartet mehrere tausend Teilnehmer:innen aus dem gesamten Bundesgebiet. Auf dem Plan stehen Redebeiträge von Vertreter:innen verschiedener zivilgesellschaftlicher Vereine und Organisationen, Livemusik und Tanz.
Als Redner:innen angekündigt sind unter anderem Prof. Dr. Gerhard Trabert, Leyla Imret und Hatip Dicle (HDP), Kaweh Mansoori (MdB, SPD), Women Defend Rojava und die Ko-Vorsitzenden von KON-MED, Zübeyde Zümrüt und Engin Sever. Musikalisch wird der Tag begleitet von Nasir Rezazî, Şehrîbana Kurdî, Koma Bajar, Hozan Dîno, Xecê, Sherif Omerî und Koroya Denge Mezopotamya.
KON-MED lädt zur Teilnahme an dem Fest ein und erklärt in einem Aufruf zum Hintergrund von Newroz und den Inhalten der Feier in Frankfurt:
Kommt zum Newroz-Fest in Frankfurt!
Am 21. März feiern die Völker des Nahen Ostens das Newroz-Fest als Beginn des Frühlings und somit den Beginn des neuen Jahres. Der kurdischen Mythologie nach haben sich die Menschen in Kurdistan an Newroz der Herrschenden entledigt und sich aus der Tyrannei befreit. An jenem Tag erhob sich der Schmied Kawa gegen den König Dehak, um das Leben seiner Kinder und der Bevölkerung zu schützen, und stürzte den Tyrann vom Thron. Kawa entfachte im Palast ein großes Feuer, um der Bevölkerung die Botschaft der Freiheit zu übermitteln.
Diese mythologische Geschichte stellt bis heute ein wichtiges Element der kurdischen Gesellschaft und vieler weiterer Völker im Mittleren Osten dar. Auch die Symbolik des Feuers als Hoffnung steht bis heute im Zentrum vieler Geschichten, Traditionen und sogar Religionen. Deshalb repräsentiert Newroz wie kein anderer Tag im Jahr die Bestrebungen für Frieden, Freiheit und Demokratie.
Demokratie und Frieden gegen patriarchale Diktatoren verteidigen
Unsere heutige Epoche ist geprägt von globalen Kriegen, gezeichnet von zahlreichen ethnisch und konfessionell konnotierten Konfliktlinien. Dabei stellt der jetzige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine einen neuen traurigen Höhepunkt dar, der den Krieg zurück nach Europa gebracht hat. Besonders in diesen Zeiten, da patriarchale Diktatoren Angriffskriege führen um ihre Macht und die ihres Reiches auszubauen, müssen wir die Demokratie und den Frieden verteidigen.
Newroz ist eine Tradition, welche den Widerstand gegen Tyrannei und Diktatur feiert. Es ist kein Heldenepos eines Soldaten der ein Imperium schafft, sondern die Geschichte eines Schmiedes, eines einfachen Menschen, der für sich und seine Mitmenschen aufsteht. Dieses Aufbegehren gegen Tyrannei tragen wir bis heute im Herzen, von hier bis in die Berge Kurdistans. Wir stehen an der Seite der Freiheitsliebenden, wir kämpfen für unsere Freiheit und an Newroz feiern wie sie.
Während die Welt auf den Krieg in der Ukraine schaut, intensiviert auch der türkische Staat seine völkerrechtswidrigen Angriffe in Kurdistan. In Nord- und Ostsyrien richten sich diese Angriffe gegen ein Gesellschaftskonzept, das auf Pluralismus, Demokratie, Ökologie und Geschlechterbefreiung beruht. Parallel befinden sich innerhalb der türkischen Staatsgrenzen abertausende Menschen, die für ein demokratisches und gleichberechtigtes Leben eintreten, hinter Gittern. Während diese Gefangenen menschenunwürdigen Bedingungen und tagtäglicher Folter ausgesetzt sind, wird der wichtigste politische Gefangene der Türkei, Abdullah Öcalan, seit 1999 unter Totalisolation auf der Gefängnisinsel Imrali festgehalten.
Newroz symbolisiert Hoffnung
Doch gerade in schwierigen Zeiten wie diesen symbolisiert das Newrozfest nicht nur die Hoffnung, sondern auch die Willenskraft, um für eine bessere Zukunft einzutreten. Wir Kurdinnen und Kurden in Deutschland möchten Newroz 2022 zum Anlass nehmen, unsere Position gegen Kriege und unser Lösungskonzept für Frieden zum Ausdruck zu bringen. Eine starke Gesellschaft mit einer demokratischen Lebensweise wird keinem Autokraten in den Krieg folgen.
Als eine der größten migrantischen Gruppen in Deutschland fordern wir Anerkennung. Noch immer werden wir nationalstaatlich subsumiert, was uns in Bezug auf zahlreiche Rechte, z.B. die Namensgebung, diverse Beratungsangebote im kommunalen Bereich oder das Recht auf Muttersprach-Unterricht, vor große Herausforderungen stellt.
All diese Herausforderungen, sowohl in Deutschland als auch in unserem Herkunftsland Kurdistan, gilt es gemeinsam anzugehen. Unser Newroz-Fest, welches wir in diesem Jahr in Frankfurt am Main begehen, ist hierfür ein Anlass und Aufruf zugleich. Es ist ein Fest von uns allen, zu dem alle Völker dieser Welt eingeladen sind. Wir möchten an diesem Tag gemeinsam mit euch ein Zeichen für Frieden, Demokratie und Freiheit, gegen Rassismus, Ausgrenzung und Krieg setzen!