Istanbul: Kundgebung zum Tag des bedrohten Anwalts

Istanbuler Juristenvereinigungen haben zum internationalen Tag des bedrohten Anwalts vor dem pakistanischen Generalkonsulat auf die Situation ihrer Kolleginnen und Kollegen in Pakistan aufmerksam gemacht und Schutzmaßnahmen gefordert.

Zum internationalen Tag des bedrohten Anwalts am 24. Januar haben Juristenvereinigungen in mehreren Städten der Türkei Erklärungen abgegeben. Im Istanbuler Stadtteil Levent versammelten sich Mitglieder des Vereins progressiver Juristen (Çağdaş Hukukçular Derneği, ÇHD), der Juristen für Demokratie (Demokrasi için Hukukçular, DİH) und der Freiheitlichen Juristenvereinigung (Özgürlük için Hukukçular Derneği, ÖHD) vor dem pakistanischen Generalkonsulat zu einer Kundgebung. Den Anwältinnen und Anwälten in Pakistan ist der diesjährige weltweite Aktionstag gewidmet.

Die Teilnehmer*innen der Kundgebung trugen Fotos des im November 2015 in Amed (Diyarbakir) ermordeten Anwaltskammerpräsidenten Tahir Elçi sowie von in der Türkei inhaftierten Kolleginnen und Kollegen. Auf einem Transparent wurde darauf aufmerksam gemacht, dass seit 2014 in Pakistan 86 Anwältinnen und Anwälte ermordet worden sind. Oğuzhan Topalkara vom ÇHD verlas eine gemeinsame Petition internationaler Juristenvereinigungen zur Situation in Pakistan und wies darauf hin, dass der 24. Januar im vergangenen Jahr den Anwälten in der Türkei gewidmet war. Die Kundgebung endete mit der Forderung nach Schutzmaßnahmen für die Rechtsanwälte in Pakistan.

Internationaler Tag des bedrohten Anwalts

Der Tag des bedrohten Anwalts geht zurück auf den 24. Januar 1977 bei dem vier Gewerkschaftsanwälte und ein Mitarbeiter in ihrem Büro in Madrid, Spanien, wegen der Ausübung ihrer rechtsanwaltlichen Tätigkeit ermordet wurden. Während einer der Mörder, der im Kontakt zu rechtsextremen Parteien und Organisationen stand, gefasst wurde und eine Haftstrafe von 15 Jahren erhielt, konnten die anderen beiden Täter ins Ausland fliehen. Einer der Täter setzte sich nach Brasilien ab, während der dritte Täter später in Bolivien wegen Drogenschmuggels inhaftiert wurde.

Erstmals wurde der Tag des bedrohten Anwalts im Jahr 2009 begangen und findet 2020 zum zehnten Mal statt. In den letzten Jahren konzentrierte sich der Tag des bedrohten Anwalts auf die Länder China, Kolumbien, Ägypten, Honduras, Iran, Philippinen, Spanien/Baskenland und auf die Türkei.

Mit dem Tag soll das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass Anwältinnen und Anwälte während ihrer Berufsausübung belästigt, unter Druck gesetzt, bedroht, verfolgt, gefoltert, zum Schweigen gebracht und ermordet werden. Es soll eine Diskussion über mögliche Schutzmaßnahmen angestoßen werden.

Die Situation in Pakistan

In den letzten Jahrzehnten wurden Anwältinnen und Anwälte in Pakistan bei der Ausübung ihrer beruflichen Pflichten massenhaft Terrorakten, Mord, Mordversuchen, Angriffen, (Todes-)Drohungen, Verachtungsverfahren, Belästigungen und Einschüchterungen ausgesetzt. Sie wurden inhaftiert oder gefoltert. In einigen Fällen weiteten sich die Übergriffe auch auf die Familienmitglieder bereits ermordeter Anwälte aus, die ebenfalls Opfer gewaltsamer Überfälle wurden. Zum Teil wird Rechtsanwälten das Berufsverbot angedroht oder sie werden von Ermittlungsbeamten überfallen. Christliche Anwälte oder Mitglieder muslimischer Minderheitengruppen wurden angegriffen oder mit dem Tod bedroht. 

Der berüchtigtste Angriff auf Anwälte in Pakistan ereignete sich am 8. August 2016, als Terroristen das Regierungskrankenhaus von Quetta mit einem Selbstmordanschlag und Schüssen überfielen, bei dem 56 Anwälte ums Leben kamen. Jedes Jahr wird weiterhin eine alarmierende Zahl von Anwälten während und wegen ihrer Tätigkeit umgebracht.

Die Täter dieser Anschläge waren nicht nur Terroristen und religiöse Fanatiker, sondern auch Mitglieder des Polizeiapparates. Es existieren Berichte, wonach einige Morde von Rechtsanwälten regierungsfreundlichen Milizen zugerechnet werden.