Iran: Weitere Festnahmen von Protestierenden

Im Zusammenhang mit dem Volksaufstand gegen das iranische Regime hat es wieder Festnahmen gegeben. In Kerman soll ein „Netzwerk“ namens Zagros zerschlagen worden sein, unter den Betroffenen seien Doppelstaatsbürger mit Verbindungen nach Großbritannien.

In Iran hat es am Sonntag im Zusammenhang mit dem Volksaufstand gegen das Regime nach Angaben staatlicher Medien erneut Festnahmen gegeben. Sieben Hauptakteure der jüngsten Proteste seien von den Geheimdiensten der Revolutionsgarden in der zentraliranischen Provinz Kerman festgenommen worden, hieß es in einer Erklärung. Darunter seien auch „Doppelstaatsbürger, die versuchten, das Land zu verlassen“. Die Betroffenen sollen „Verbindungen“ zu Großbritannien haben und hätten ein „Netzwerk namens Zagros aufgebaut, um Unruhen zu schüren“. Dieses Netzwerk sei nun „zerschlagen“ worden. Das britische Außenministerium teilte mit, man versuche mit Hochdruck, an mehr Informationen zu kommen.

Festnahmen in Teheran

Auch in Teheran soll es wieder Festnahmen gegeben haben. Dort seien vier Personen festgesetzt worden, die eine Schlüsselrolle bei Protesten auf dem Enghelab-Platz im Zentrum der iranischen Hauptstadt gespielt haben sollen, meldeten staatliche Medien. Angaben zu Identität und Geschlecht der in Gewahrsam Genommenen machten die Revolutionsgarden nicht.

Seit 100 Tagen Proteste

Genau 100 Tage sind inzwischen vergangen, seit sich in Rojhilat (Kurdisch: „Osten“ - bezeichnet alle Gebiete Kurdistans, die im westlichen und nordwestlichen Teil des iranischen Staates liegen) der Funken einer Revolution entzündete und sich wie ein Lauffeuer im ganzen Land verbreitete. Auslöser des Aufstands mit dem Ziel eines Systemwandels war der Feminizid an Jina Mahsa Amini. Die 22-Jährige aus der kurdischen Stadt Seqiz starb im September einen gewaltsamen Tod in Polizeihaft, nachdem sie wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die iranische Kleiderordnung von der sogenannten Moralpolizei in Teheran festgenommen worden war. Die Proteste der revoltierenden Bevölkerung stellen die bislang größte Bedrohung des klerikalfaschistischen Regimes seit dessen Bestehen dar.

Über 500 getötete Demonstrierende

Der Sicherheitsapparat reagiert mit äußerster Härte. Mindestens 506 Demonstrantinnen und Demonstranten sind nach Einschätzungen der Menschenrechtsorganisation HRANA bislang bei Protesten getötet worden, darunter 69 Minderjährige. Mehr als 18.500 Protestierende sollen zudem festgenommen worden sein. Teheran spricht von einer „ausländischen Verschwörung“ und macht die Erzfeinde USA, Israel und Saudi-Arabien für den Aufstand verantwortlich.

Bokan: Nieder mit dem Diktator

In Rojhilat endete am Sonntag indes die 40-tägige Trauerzeit um mehrere Demonstrierende, die beim Generalstreik Mitte November von iranischen Regimekräften ermordet worden waren. Mindestens zehn Menschen waren in weniger als 48 Stunden in mehreren kurdischen Städten erschossen worden, die meisten Opfer gab es in Bokan. Dort strömten zahlreiche Menschen heute auf die Straßen und besuchten den örtlichen Friedhof, um der Toten zu gedenken. „Nieder mit dem Diktator“ wurde immer wieder skandiert, wie auch in Videos zu hören ist, die von der kurdischen Menschenrechtsgruppe Hengaw veröffentlicht wurden. Die Lage sei angespannt, es werden Truppenkonzentrationen aus Miandoab und Ûrmiye nach Bokan gemeldet. Auch in Kamyaran, Sine und Seqiz, wo die Streiks vor knapp sechs Wochen mehrere Opfer gefordert hatten, gab es zum Ende der Trauerzeit wieder Proteste.

Generalstreik in Gedenken an „blutigen November“

Der dreitägige Streik vom 15. bis zum 17. November war nicht nur für weitere Proteste gegen den herrschenden Klerus ausgerufen worden, sondern auch im Gedenken an die Opfer des „blutigen November“ von 2019. Damals ging es zunächst um steigende Benzinpreise, die Demonstrationen richteten sich jedoch schnell auch gegen das Mullah-Regime. Teheran reagierte mit einer gewaltsamen Niederschlagung der Proteste: Etwa 1.500 Menschen wurden in nur wenigen Tagen weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit getötet.