Hanau: Damit niemals vergessen wird

In Hanau ist ein Gedenkraum für die neun Todesopfer des rassistischen Angriffs im Februar eröffnet worden. Der Ort ist gleichzeitig eine Begegnungsstätte für die Hinterbliebenen und ihren Kampf für Gerechtigkeit.

Am Heumarkt in Hanau ist am Dienstag ein Gedenkraum für die neun Todesopfer eröffnet worden, die am 19. Februar aus rassistischen Gründen von einem 43-jährigen Deutschen ermordet wurden. Dilan Karacadağ von der Tageszeitung Yeni Özgür Politika war bei der Eröffnung dabei und hat ihre Eindrücke festgehalten.

Der von der Initiative 19. Februar eingerichtete Raum am Heumarkt, dem ersten Tatort des Massakers in Hanau, soll als Gedenkort und Begegnungsstätte dienen, in der an die Toten erinnert wird und die Hinterbliebenen in ihrem Kampf für Gerechtigkeit unterstützt werden. Es soll auch ein Ort sein, an dem Aufklärung über Rassismus stattfindet und der Kampf dagegen organisiert wird.

Çetin Gültekin, der seinen Bruder Gökhan Gültekin bei dem Massaker verloren hat, sagt bei der Eröffnung: „Hierher zu kommen, ist wie ein Besuch im Haus unserer Geschwister. Dieser Raum gibt uns Kraft.“

Am Eingang des Gedenkorts hängen Fotos von Gökhan Gültekin, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Vili Viorel Paun, Fatih Saraçoglu, Hamza Kurtovic, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov, außerdem von Gedenkveranstaltungen, den Beerdigungen und antirassistischen Aktionen.

„Gemeinsam können wir Druck ausüben und die Politik in Deutschland verändern“, sagt Newroz Duman, die die Initiative 19. Februar mitgegründet hat. „Wir müssen jetzt gemeinsam handeln und weiter dafür kämpfen, damit sich ein solcher Angriff nicht wiederholt.“

Hinterbliebene besorgt über den Ermittlungsverlauf

Die Familien der Toten haben sich von der Renovierung der Räumlichkeiten bis zur Eröffnung aktiv an allen Arbeiten beteiligt. Es wird ein Video gezeigt, in dem das Zentrum vorgestellt wird. Die Atmosphäre im Raum ist emotional, viele weinen und halten sich an den Händen. Die Mütter von Said Nessar Hashemi, Vili Viorel und Gökhan Gültekin haben zwar keine gemeinsame Sprache, aber sie teilen ihren Schmerz miteinander.

In den Gesprächen der Hinterbliebenen untereinander geht es hauptsächlich um den Tattag und den Verlauf der Ermittlungen. Die Väter von Vili Viorel Paun, Mercedes Kierpacz und Hamza Kurtovic gehen von polizeilicher Fahrlässigkeit aus. Filip Geoman, der Vater von Mercedes, sagt: „Meine Enkel haben ihre Mutter verloren. Der Staat sagt keinen Ton zu den Ermittlungen und denkt, dass unser Schmerz mit einer Entschädigungszahlung aufhört.“ Hamzas Vater Armin Kurtovic meint: „Sowohl ich als auch mein Sohn sind in Deutschland geboren. Wir sind trotzdem immer als Menschen zweiter Klasse behandelt worden.“

Vili Viorel Pauns Vater erklärt, dass er erst durch eigene Bemühungen vom Tod seines Sohnes erfahren hat. Aufgrund von Sprachschwierigkeiten fällt es ihm schwer, die Ermittlungen zu verfolgen und Gerechtigkeit für seinen Sohn einzufordern. Dass er in der neuen Gedenkstätte Unterstützung bekommen kann, macht ihn glücklich, sagt er: „Es macht Hoffnung, dass es jetzt einen Raum und Menschen gibt, an die ich mich wenden kann, wenn ich ein Problem habe. Nach dem Tod unseres Sohnes hat uns die Gleichgültigkeit der Polizei psychisch fertig gemacht. Jetzt geht es uns wieder besser.“

Das Haus unserer Geschwister

In den Unterhaltungen der Geschwister der Ermordeten geht es vor allem um die Frage, was jetzt zu tun ist. Gökhan Gültekins Bruder Çetin Gültekin hat an den Vorbereitungen für die Gedenkstätte von Anfang an mitgewirkt. „Dieser Raum ist eingerichtet worden, damit niemals vergessen wird“, sagt er und fährt fort: „Hierher zu kommen, ist wie ein Besuch im Haus unserer Geschwister. Als Angehörige haben wir jetzt einen Raum, in dem wir zusammen sein können. Es ist ein Ort, der uns zusammen hält und an dem wir gemeinsam unsere Tätigkeiten fortsetzen können. Er gibt uns Kraft.“

Gültekin weist darauf hin, dass es immer noch keine Akteneinsicht für die Hinterbliebenen gibt. Die Angehörigen fordern, dass der Prozess so schnell wie möglich beginnt.

Es geht nicht um die Tat einer Einzelperson

Serpil Temiz, die Mutter des ermordeten kurdischen Jugendlichen Ferhat Unvar, sagt: „Ich freue mich über die Eröffnung dieses Raums. Es ist ein Ort, an dem wir als Familien zusammenkommen und unsere Erinnerungen und Schmerzen teilen können. Gleichzeitig werden wir hier die notwendigen Schritte in unserem gemeinsamen Kampf, dem Prozess gegen den Mörder unserer Kinder, besprechen können. Hierher zu kommen, ist für mich fast so, als würde ich meinen Sohn Ferhat sehen.“

An den Mörder ihres Sohnes und seiner Freunde denkt sie nicht, sagt Serpil Temiz: „Ich verspüre auch keinen Hass. Es geht ja nicht um die Tat einer Einzelperson. Viele Menschen denken wie er und solange es Rassismus gibt, sind unsere Kinder nicht in Sicherheit.“