Gewerkschaftlicher Antikriegsprotest in Istanbul

In Istanbul haben Gewerkschaften gemeinsam mit Berufsverbänden gegen die russische Invasion in der Ukraine protestiert. Alle fremden Truppen in dem angegriffenen Land wurden zum umgehenden Rückzug aufgefordert.

Unter dem Motto „Nein zum Krieg – Frieden jetzt sofort“ ist in Istanbul gegen die russische Invasion in der Ukraine protestiert worden. Aufgerufen zu der Kundgebung am Hafenplatz im asiatischen Stadtteil Kadıköy hatten die linken Gewerkschaftsverbände DISK und KESK zusammen mit dem türkischen Ärztebund (TTB) und der Union der türkischen Architekten- und Ingenieurkammern (TMMOB). Unterstützung für den Protest gab es von der politischen Opposition und der Zivilgesellschaft. Unter den Teilnehmenden waren auch die HDP-Abgeordneten Züleyha Gülüm und Musa Piroğlu.

Größte Opfer und Verlierer sind die Völker

„Seit über einer Woche dauert der Krieg Russlands gegen die Ukraine infolge der künstlich angeheizten Spannungen gewisser Kräfte bereits an. Es droht eine Katastrophe, deren größte Opfer und Verlierer die Völker dieser beiden Länder sein werden“, erklärte die DISK-Vorsitzende Arzu Çerkezoğlu. Die Gewerkschafterin las aus einer gemeinsamen Stellungnahme der aufrufenden Organisationen vor, mit der zu einem sofortigen Ende der kriegerischen Handlungen in der Ukraine aufgerufen wurde: „Krieg bedeutet Tod, Schmerz, Tränen und Zerstörung. Krieg bedeutet Unterdrückung, Gewalt und Ausbeutung. Krieg bedeutet: Während das Brot der Werktätigen knapper wird, werden die Kassen der Reichen voller. Krieg bedeutet die vollständige Abschaffung der Rechte der Werktätigen. Krieg bedeutet die Formalisierung und Rationalisierung der repressiven Politik von Regierungen. Krieg ist die Missachtung der Menschenrechte, des Rechts und der Gerechtigkeit. Er bedeutet die Zerstörung des Planeten, auf dem wir leben, seines Ökosystems und seiner Natur. Krieg bedeutet mehr Hunger, Armut, Flucht und ein Zustand des Unpässlichseins in allen Dimensionen. Krieg bedeutet zunehmenden Rassismus, Sexismus und Diskriminierung“, hieß es in der Stellungnahme.

Rassismus auf der Flucht

Im weiteren Verlauf kam Çerkezoğlu auch auf das Thema „Rassismus auf der Flucht” zu sprechen. Hintergrund waren Berichte über Erfahrungen von BIPoC, Nicht-Weißen Menschen, die auf ihrer Flucht aus der Ukraine massiver rassistischer Diskriminierung ausgesetzt worden sein sollen. Vor allem Studierende berichteten in den letzten Tagen in digitalen Netzwerken, dass sie von ukrainischen Sicherheitskräften am Besteigen von Zügen oder Bussen gehindert worden seien. Nach langen Fußmärschen in klirrender Kälte an Grenzübergängen angelangt, würden sie dort oft mit Gewalt zurückgehalten, während weiße Flüchtlinge passieren könnten. Çerkezoğlu zeigte sich schockiert: „Es darf nicht sein, dass Menschen auf der Flucht vor Krieg Rassismus erfahren. Die Regierungen der Nachbarländer der Ukraine dürfen Schutzsuchende nicht abweisen, sondern müssen ihre Grenzen uneingeschränkt für alle Flüchtenden öffnen.“

Auflösung aller Militärbündnisse

Moskau habe immer noch die Gelegenheit zu deeskalieren, sagte Çerkezoğlu. Die russische Regierung müsse die Friedensaufrufe auf den Straßen des Landes hören und die Angriffe auf die Ukraine umgehend einstellen. „Um die Gefahr eines noch größeren Krieges zu verhindern, fordern wir deshalb auch den Rückzug aller fremden Truppen aus der Ukraine. Die Völker dieses Landes haben das Recht, fernab vom Schatten der Waffen über ihre Zukunft bestimmen zu können. Alle Konfliktparteien müssen sofort die Waffen niederlegen und zur Waffenruhe übergehen. Wir verlangen die Auflösung aller Militärbündnisse und die Beendigung fremder militärischen Präsenz – in jedem Land. Der Politik der Aufrüstung muss überall ein Ende gesetzt werden. Wir sagen Abrüstung statt Aufrüstung.“

Eine andere Welt ist möglich

Das „Aufeinanderprallen verschiedener imperialistischer Projekte und expansionistischer Träume“ bringe Zerstörung über die arbeitende Bevölkerung und führe die Welt und die Völker in die Katastrophe, so Çerkezoğlu. „Wir lehnen alle Legitimationen, Argumente und Rechtfertigungen verschiedener imperialistischer Lager für den Krieg ab. Unser Leitsatz lautet: Eine andere Welt ist möglich. Wir rufen alle Gleichgesinnten auf, sich dafür einzusetzen, dass die Welt in einen neuen Gesellschaftsvertrag, Menschen, Beschäftigung und Frieden investieren muss. Frieden statt Krieg, soziale Gerechtigkeit statt Aufrüstung, die Geschwisterlichkeit der Völker statt Rassismus und Diskriminierung, Demokratie statt Unterdrückung, Gleichheit statt Ausbeutung. Von der AKP/MHP-Regierung verlangen wir ein Ende der bestehenden Nuklearabkommen mit Russland. Wir wollen die Ressourcen unseres Landes nicht für die Kriegspolitik nutzen, um Aggressorstaaten mit unseren Steuern zu füttern.“