Um auf die aktuelle Situation im Nordosten Syriens aufmerksam zu machen und für einen gerechten, demokratischen Frieden in Syrien einzustehen, gingen am Samstag etwa 400 Menschen in Leipzig auf die Straße. Zu bundesweiten Aktionen aufgerufen hatten die Kampagne RiseUp4Rojava und Defend Kurdistan. Zudem hatte die Kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E) einem europaweiten Aktionstag initiiert.
Leipziger Internationalist:innen verschiedener Gruppen wie die feministischen Organisationen Gemeinsam Kämpfen, Junge Frauen Kommune und Zora gingen gemeinsam auf die Straße mit Aktivist:innen aus den Ortsgruppen von Women Defend Rojava und Defend Kurdistan sowie Teilen der kurdischen Gemeinschaft aus Leipzig, wovon viele selbst aus Nord- und Ostsyrien kommen.
Angriffe auf ein alternatives Lebensmodell
In verschiedenen Redebeiträgen wurden Einschätzungen der aktuellen Lage in Syrien geteilt. KON-MED, die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V., ging in ihrem Statement verstärkt darauf ein, welche Rolle die sogenannte „Syrische Nationalarmee“ (SNA) und Hayat Tahrir al Sham (HTS) spielen. So wurden die Angriffe der SNA gegen die Demokratische Selbstverwaltung (DAANES) verurteilt – sie seien keine „Rebellengruppe“, sondern eine von der Türkei gesteuerte Dschihadistenallianz, so die Sprecherin. Die momentanen Angriffe zielten auf eine Schwächung eines multiethnischen Lebensentwurfs, der Frauenbefreiung, Ökologie und Demokratie als Basis habe. Dies sei für die Türkei, die eine Grenze mit der DAANES hat, ein Problem, da das dortige Paradigma die eigene undemokratische Praxis infrage stelle, was die erneuten Angriffe von Seiten der Türkei begründe.
Krieg im Krieg: Angriffe auf Frauen
Auf die Errungenschaften eben dieses System des demokratischen Konföderalismus im Nordosten Syriens, welches gerade angegriffen wird, ging auch die lokale Gruppe Women Defend Rojava (WDR) ein. So stelle „die Rojava-Revolution, die eine Revolution der Frau mit einem System ist, in dem sich die Frauen in jedem Bereich der Gesellschaft autonom organisieren, wirtschaftliche Kooperativen aufbauen und in jedem Bereich eine Doppelspitze mit einem Mann und einer Frau haben, jedes westliche liberale feministische System in den Schatten“. Darüber hinaus betonte die Aktivistin, dass dieses System gerade deshalb von islamistischen Kräften angegriffen werde und was für „riesige Unterschiede“ es insbesondere für Frauen mache, die wie in der Stadt Minbic bisher in einer demokratischen Selbstverwaltung gelebt haben, von islamistischen Gruppen angegriffen zu werden. Auch die feministische Gruppe Zora stellte heraus, dass die Demütigung, Vergewaltigung, Verschleppung und Tötung von Frauen in jeglichen Kriegen, die gerade stattfinden, sei es in Kurdistan, in Palästina oder im Sudan, nicht nur nebensächlicher Teil, sondern integraler, strategischer Teil des Krieges gegen die Gesellschaft sei.
Verbindungen zu Deutschland
Die Situation im Mittleren Osten und insbesondere in Kurdistan und den selbstverwalteten Gebieten in Nord- und Ostsyrien sei zudem in verschiedener Art und Weise mit dem „hier“ verbunden. Insbesondere auf die Rolle von Deutschland als Teil der NATO und wichtiger Bündnispartner der Türkei ging die Internationalistische Jugendkommune ein.
Gedenken an Bager Nûjiyan
Der 14. Dezember sei zudem ein wichtiger Tag für Internationalist:innen, die sich solidarisch mit der kurdischen Bewegung zeigen: an diesem Tag vor sechs Jahren tötete die Türkei den deutschen Internationalisten Michael Panser. Er wurde gewürdigt als Mensch, der sich „sein Leben lang für eine gerechte, freie Welt und eine friedliche Lösung in Kurdistan eingesetzt“ habe. Panser, den viele auch unter seinem Nom de Guerre Bager Nûjiyan kennen, hatte sich der kurdischen Befreiungsbewegung angeschlossen. Er starb als Guerillakämpfer der Volksverteidigungskräfte (HPG) bei einem türkischen Luftangriff auf die Medya-Verteidigungsgebiete.