Das Komitee von Women Defend Rojava Berlin ruft dazu auf, am morgigen Samstag (27. Februar) in der Bundeshauptstadt an einer Solidaritäts-Demonstration für Dimitris Koufontinas teilzunehmen. Der seit 18 Jahren inhaftierte griechische Revolutionär ist seit dem 8. Januar 2021 im Hungerstreik. Er protestiert damit gegen seine Verlegung in das Hochsicherheitsgefängnis in Domokos durch die rechtskonservative Regierung Griechenlands und fordert, in das Gefängnis Korydallos in Athen verlegt zu werden. Sein Hungerstreik dauert jetzt seit 49 Tagen an und vor vier Tagen erweiterte er ihn mit einem Durststreik.
Dimitris Koufontinas - Ein Revolutionär unserer Zeit
„Koufontinas war Mitglied der griechischen antikapitalistischen und antiimperialistischen Stadtguerilla ‚Revolutionäre Organisation 17. November’. Die Gruppe, deren Name sich auf das Datum des Volksaufstandes gegen die griechische Militärdiktatur 1973 bezieht, wurde vor allem durch über 100 Anschläge im Zeitraum von 1975 bis 2002 bekannt. Die Ziele der Anschläge waren Militär, Konzerne und Repräsentanten aus den USA, dem Vereinigten Königreich, der Türkei und Deutschland sowie griechische Kapitalisten. Dabei bemühte sich die Gruppe, keine Unbeteiligten zu gefährden, und erhielt viel Zuspruch der griechischen Bevölkerung. ‚Für die Bevölkerung sollte es keinen Grund geben, die Guerilla zu fürchten. Für die Reichen und Mächtigen hingegen umso mehr’, schreibt Koufontinas in seinem Buch ‚Geboren am 17. November – Eine Geschichte der griechischen Stadtguerilla’.
Im Sommer 2002 kam es dann zu einer verfrühten Zündung eines Sprengsatzes, wodurch ein Mitglied schwer verletzt wurde. Dieser Vorfall ermöglichte es den beteiligten Repressionsorganen zum ersten Mal, Mitglieder festzunehmen und die Guerilla-Gruppe zu zersprengen. Koufontinas, der erfolgreich untergetaucht war, stellte sich daraufhin freiwillig den Behörden, um als einziger die Verantwortung für alle Aktionen der Gruppe zu übernehmen und die Geschichte des 17. November offensiv zu verteidigen. Er erhielt dafür dreizehn Mal lebenslänglich und befindet sich nun seit achtzehn Jahren in Gefangenschaft.
Auch während seiner Gefangenschaft hat er nicht aufgehört, zu kämpfen. Er leistet weiterhin entschlossenen Widerstand und hatte auch vorher schon an vier weiteren Hungerstreiks teilgenommen. Dabei ging es sowohl um eigene Forderung, als auch um Solidarität mit anderen Gefangenen.
Stoppt den Mord an Dimitris Koufontinas!
Der Gesundheitszustand von Koufontinas verschlechtert sich aktuell stündlich und ist bereits lebensbedrohlich. Er befindet sich mittlerweile auf der Intensivstation im Krankenhaus von Lamia. Diese Woche ordnete die Staatsanwaltschaft eine Zwangsernährung an. Doch das Verfahren der Zwangsernährung wird schon seit mehreren Jahren von unterschiedlichen medizinethischen Konferenzen und Menschenrechtsorganisationen als Folter gewertet und würde die Lebensbedrohung enorm erhöhen. Mit diesem Mittel will der griechische Staat die Beendigung des Hungerstreiks erzwingen und versucht Dimitris Koufontinas zu brechen. Anstatt den Forderungen gerecht zu werden, foltert und tötet er.
Die Herrschenden nehmen den Tod der Gefangenen in Kauf, um Widerstand zu brechen
Die Regierung Griechenlands ist nicht die einzige, die auf Hungerstreiks von Gefangenen mit Repression antwortet. In der langen Geschichte des linken Widerstands in der Türkei kam es immer wieder zu gemeinsamen Hungerstreiks der politischen Gefangenen. Auch aktuell findet seit dem 27. November ein unbefristeter Hungerstreik in Fünftagesschichten in türkischen Gefängnissen statt. Mittlerweile haben sich Tausende Gefangene an der Aktion beteiligt. Sie protestieren gegen die unmenschlichen Haftbedingung und für die Freiheit von Abdullah Öcalan. Die türkische Regierung antwortet seitdem mit vermehrten Übergriffen auf die Gefangenen, willkürlichen Disziplinarmaßnahmen und dem Vorenthalten von lebenswichtigen Ressourcen.
Plakat der Solidaritäts-Demonstration für Dimitris Koufontinas
Auch in der deutschen Widerstandsgeschichte wurden Hungerstreiks zur Durchsetzung von Forderungen angewendet. Wir erinnern uns hierbei an den Widerstand der RAF-Gefangenen. Dieser führte im Fall von Holger Meins durch eine Zwangsernährung zu seinem Tod.
Immer wieder haben Regierungen den Tod von Gefangenen in Kauf genommen, um sich nicht dem letzten aber starkem Druckmittel zu beugen, das gefangenen Revolutionär*innen bleibt: Hungerstreik.
Hungerstreik: Weltweit ein Werkzeug zur Selbstermächtigung und des Widerstands
Doch der Hungerstreik bleibt weltweit weiterhin ein politisches Mittel im Kampf für Gerechtigkeit und Frieden. Der Einsatz des eigenen Körpers und des eigenen Lebens ist in gewissem Maße immer Teil revolutionärer Praxis. So grausam der Hungerstreik auch ist, er ist eines der letzten Mittel, die den Gefangenen bleiben, um sich Gehör und Selbstermächtigung zu verschaffen. Viele Hungerstreiks haben in den letzten Jahren zu zeitweisen Erfolgen geführt. So führte der 200-tägige Hungerstreik von Leyla Güven von 2018 bis 2019 dazu, dass sich weltweit um die 7.000 Menschen ihrer Aktion anschlossen. Mit der begleitenden Solidarität auf den Straßen konnte ein Erfolg durch den Widerstand verzeichnet werden. Das erste Mal nach circa acht Jahren konnten Anwält*innen Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali besuchen.
Auch die RAF-Gefangenen konnten durch Hungerstreiks manche Ziele selbst noch in Gefangenschaft durchsetzen, und so wehrhaft bleiben, trotz grausamster Umstände: Die Zusammenlegungen von gefangenen Revolutionär*innen und die Aufhebung von Isolationsfolter konnten so teilweise erkämpft werden. Auch als Begleitung von Gerichtsprozessen fand der Hungerstreik Anwendung, denn er schärft den Blick der Öffentlichkeit auf die Geschehnisse. Das Entfachen breiter gesellschaftlicher Debatten um Haft und Militanz, öffentlicher Zuspruch, viele Solidaritätsaktionen, sowie die gesteigerte Aktivität des militanten Widerstands zeigten auch während der Hungerstreiks der RAF, dass der Hungerstreik ein öffentlichkeitswirksames und erfolgreiches politisches Mittel sein kann.
Die Verschiedenheit der Formen des revolutionären Kampfes ist unsere Stärke
Wir müssen verstehen, dass die Realität in den Gefängnissen auch die Realität draußen widerspiegelt. Innerhalb der Gefängnismauern zeigen sich die wahren Gesichter der Staaten. Deshalb liegt es auch in unserer Verantwortung, außerhalb der Mauern für Veränderung zu kämpfen und damit niemals aufzuhören. Wollen wir nicht alle in einer befreiten Gesellschaft leben, in der Isolation, Vereinzelung und Gewalt ein Ende finden? Damit wir das schaffen, müssen wir uns mit Hungerstreiks und den Kämpfen innerhalb der Gefängnisse auseinandersetzen. Denn so können wir die gesamtgesellschaftlichen Probleme verstehen und angehen. Vor allem zeigen wir unseren Freund*innen hinter den Mauern, dass sie nicht alleine sind und wir Schulter an Schulter für ein besseres Morgen kämpfen. Denn zwar wollen und können wir nicht alle unsere eigenen Körper und Leben im Kampf um eine bessere Gesellschaft aufs Spiel setzen - aber wir können alle etwas tun, um miteinander solidarisch zu sein und zu zeigen, dass der Kampf der*des anderen auch unser Kampf ist. Die Verschiedenheit der Formen des revolutionären Kampfes ist unsere Stärke und wir müssen diese Formen und diese Kämpfe verbinden!
Wir schicken all unsere Kraft an den Revolutionär Dimitris Koufontinas, all unsere Liebe an die griechischen Freundinnen und Freunde und alle Menschen, die für Befreiung kämpfen.
Kommt am Samstag, dem 27. Februar, um 15 Uhr zur Demonstration für Dimitris Koufontinas zum Kottbusser Tor in Berlin. Als Frauen rufen wir dazu auf, den Widerstand zu erhöhen und die Gesellschaft vor der mörderischen Politik zu verteidigen! Wir wollen uns und unsere Genoss*innen, Freund*innen und Weggefährt*innen lebend!”