Figen Yüksekdağ erneut wegen Präsidentenbeleidigung angeklagt

In Ankara ist ein weiterer Prozess gegen Figen Yüksekdağ wegen Präsidentenbeleidigung eröffnet worden. Die Politikerin erklärte, das Verfahren sei zum Fremdschämen. Erdoğan solle doch einen Blick auf tatsächlich ihrerseits getätigte Beleidigungen werfen.

Die ehemalige Ko-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Figen Yüksekdağ, steht erneut wegen des Vorwurfs der Präsidentenbeleidigung in der Türkei vor Gericht. Grundlage des am Freitag vor der 10. Strafkammer am Schwurgerichtshof in Ankara eröffneten Verfahrens ist eine Stellungnahme der Politikerin aus dem Jahr 2015 zur Verhaftung der Journalisten Can Dündar und Erdem Gül wegen ihres Berichts in der Cumhuriyet über Waffenlieferungen der Türkei an Dschihadisten in Syrien. Yükekdağ hatte nach der Inhaftierung von Dündar und Can erklärt, dass der Justizmechanismus in der Türkei vollkommen zum Erliegen gekommen sei und der gesamte Apparat vom Präsidentenpalast kontrolliert werde. Erdoğan habe die Verhaftung der Journalisten angeordnet, weil jemand für die bekanntgewordenen Waffenlieferungen bezahlen muss, hieß es außerdem in Yükekdağs Stellungnahme.

„Diese Aussage stellt keine Beleidigung dar, sondern beinhaltet diplomatisch formulierte Kritik“, erklärte Yüksekdağ zu ihrer Verteidigung. Persönlich war die 48-Jährige nicht vor Gericht erschienen, stattdessen wurde sie aus dem Hochsicherheitsgefängnis Kandıra nach vierstündiger Wartezeit im Haftraum über das Videokonferenzsystem SEGBIS in die Verhandlung eingebunden. Erdoğan ließ sich von einem Anwalt im Gerichtssaal vertreten.

Yüksekdağ führte weiter aus, dass das neuerliche Verfahren gegen sie zum Fremdschämen sei. „Es gibt jede Menge Aussagen von mir, die tatsächlich Merkmale für eine Strafwürdigkeit im Sinne der Präsidentenbeleidigung darstellen würden. Statt sich diese Äußerungen vorzunehmen, wird jegliches Wort von uns seitens Erdoğan als vermeintliche Straftat ausgelegt.“ Es sei sonderbar, dass diese Vorwürfe aus dem Lager des Präsidenten kämen, der doch im Herbst 2016 die Inhaftierung Yüksekdağs und zahlreicher weiterer führender HDP-Vertreter*innen anordnete und sie bei jeder Gelegenheit als „Mörder“ diffamiere. „Auf diese Weise zeigt sich, wie stark die türkische Justiz inzwischen politisiert ist. Wir haben uns bisher diesen Zuständen nicht gebeugt und werden auch weiterhin erhobenen Hauptes unser Wort sprechen“, sagte Yüksekdağ.

Maviş Aydın, die Verteidigerin von Figen Yüksekdağ, wies das Gericht auf einen Formfehler hin, da Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung nach der aktuellen Rechtsprechung nicht in den Zuständigkeitsbereich der Strafkammern fielen. Zudem wies sie die Anschuldigungen gegen ihre Mandantin zurück und forderte Freispruch. Der Erdoğan-Anwalt Sami Kabadayı beantragte die Zulassung des Präsidenten als Nebenkläger und forderte das Höchstmaß des Strafrahmens, nämlich bis zu vier Jahre Haft. Die Verhandlung wurde auf den 12. November vertagt.

Wer ist Figen Yüksekdağ?

Figen Yüksekdağ ist Mitgründerin der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (Ezilenlerin Sosyalist Partisi, ESP) und war bis September 2014 deren Vorsitzende. Nach der Niederlegung ihres Amtes trat sie zur HDP über. Noch im gleichen Jahr schloss sich die ESP der als Dachpartei mehrerer Kleinparteien fungierenden HDP an. Auf dem zweiten HDP-Kongress wurde Figen Yüksekdağ am 22. Juni 2014 zur Ko-Vorsitzenden gewählt. Zeitgleich mit Selahattin Demirtaş und zahlreichen weiteren HDP-Abgeordneten wurde sie am 4. November 2016 auf Betreiben des türkischen Präsidenten Erdoğan verhaftet.