„Du weißt, dass wir unser Leben einsetzen“

„Du weißt, dass wir unser Leben einsetzen, die Regierung muss zum Handeln gebracht werden“, erklärte gestern die hungerstreikende Gönül Erdoğan aus dem Frauengefängnis von Gebze bei einem Telefongespräch nach Berlin.

Seit 2013 hat Susanne Rößling Kontakt mit gefangenen Frauen im Frauengefängnis von Gebze. Sie schreibt sich regelmäßig – soweit möglich – mit Ayten Gülsüm. Ayten ist seit 159 Tagen im Hungerstreik. Sie gehört zu der ersten Gruppe der Gefangenen, die am 16. Dezember 2018 für die Aufhebung der Isolation von Abdullah Öcalan in einen unbefristeten Hungerstreik getreten ist.

Susanne Rößling ist unter anderem im Frauenrat DEST-DAN in Berlin aktiv. Gegenüber ANF teilte sie mit , dass sie gestern überraschend einen Anruf aus dem Gefängnis bekam: „Um 13.30 Uhr erhielt ich einen Anruf von Gönül Erdoğan aus dem geschlossenen Gefängnis für Frauen in Gebze; der Anruf war über ein Telefon eines Angehörigen vermittelt. Wir hatten so vorher schon ein paarmal miteinander telefonieren können.

Gönül berichtete als erstes, dass Ayten Gülsüm extra vorher zu ihr gekommen sei, um Grüße an alle Freund*innen, Sozialist*innen, Demokrat*innen und Friedensbewegte ausrichten zu lassen. Sie könnten sich ab und an gegenseitig besuchen, erklärte sie, und dass es ihnen gut ginge. Gönül sagte auch noch einmal, dass es ihnen allen gut ginge. ‚Du weißt, dass wir unser Leben einsetzen, die Regierung muss zum Handeln gebracht werden‘, betonte sie. Sicher seien schon Teilerfolge erreicht worden, aber das sei nicht genug für eine wirkliche Richtungsänderung.

Auf meine Frage, ob sie Kontakt zu Journalist*innen oder Agenturen hätten, antwortete sie mit Nein. Auch die Frage, ob sie die Zeitungen bekämen, die sie wollten, beantwortete sie mit Nein. Dann fragte ich, ob sie meine Briefe – zwei im März und einen im April – erhalten hätten, was sie ebenfalls mit Nein beantwortete.

Sie sagte daraufhin, dass sie nicht einmal Besuch von ihren Anwält*innen bekämen, die einzigen, zu denen sie Kontakt hätten, seien ihre Angehörigen, daher erführen sie viele Einzelheiten nicht, aber dass es einen erneuten Anwaltsbesuchsversuch gegeben habe, hätten sie erfahren. Sie bat mich erneut, den Erhalt von Zeitungen zu vermitteln und selbst Zeitungen zu schicken. Diese Telefonate werden immer mit ein paar schrillen Tönen jäh auseinander gerissen. Doch ich habe ihre schöne Stimme jetzt noch im Ohr.“