Der Fall Zozan G. aus Oberhausen zieht immer breitere Kreise. Der Mutter von fünf Kindern droht der Sorgerechtsentzug, weil sie sich in der kurdischen Bewegung engagiert. Am 22. Januar findet vor dem Familiengericht Oberhausen eine Verhandlung statt. Im Vorfeld solidarisieren sich immer mehr Menschen mit der Familie, unter anderem mit dem Hashtag #WirSindAlleZozan.
Die Initiative für Frieden in Kurdistan aus Dresden erinnert diese Geschichte an das Vorgehen von DDR-Repressionsorganen gegen Dissident*innen. In Dresden wird am 18. Januar eine öffentliche Solidaritätsbekundung stattfinden. In dem Aufruf schreibt die Initiative:
„Eventuell habt ihr schon vom Fall der alleinerziehenden Mutter und Aktivistin Zozan G. aus Oberhausen gehört. Zozan ist kurdische, politische Aktivistin und hat fünf Kinder im Alter zwischen vier und 15 Jahren. Weil ihre 13-jährige Tochter an einer Aktion zur Unterstützung des Hungerstreiks politischer Gefangener gegen die Totalisolation Abdullah Öcalans im März 2019 teilnahm, droht Zozan nun der Entzug des Sorgerechts für all ihre fünf Kinder durch das Amtsgericht Oberhausen. Der Prozess läuft bereits seit November 2019.
Zozan wird vorgeworfen, ihre Kinder mit PKK-Propaganda zu indoktrinieren. Die politische Motivation für diese Verfahren liegt auf der Hand. Zozan ist in der kurdischen Freiheitsbewegung aktiv. Sie ist oft Rednerin bei Solidaritätsdemonstrationen und Kundgebungen für Rojava in Duisburg, Oberhausen und Mülheim. Ihre Tochter L. nimmt an legalen Protestaktionen der kurdischen Bewegung teil und beansprucht damit ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit für sich. Bei einem Protestmarsch gegen die Totalisolation des Abdullah Öcalans von Mannheim nach Karlsruhe trug sie eine Warnweste mit dem Konterfei Öcalans. Öcalan ist Vorsitzender der in Deutschland als ‚terroristische Vereinigung‘ verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Das Zeigen von Öcalan-Bildern steht in der BRD unter Strafe. Der polizeiliche Staatsschutz beobachtete den Protest und legte Akten über Zozan G. und ihre Familie an. Daraufhin beschloss die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, eine Eingabe beim zuständigen Jugendamt in Oberhausen einzureichen. Das Jugendamt besuchte daraufhin Zozan G.s Wohnung während ihrer Abwesenheit. Außerdem wurden neben ihrer Tochter L. alle weiteren Kinder verhört. Besonders für den sechsjährigen S., der durch einen angeborenen Hörfehler entwicklungsverzögert ist und entgegen dem Anraten der Verfahrensbeiständin verhört wurde, müssen die teilweise bis zu 20 Minuten langen Verhöre eine Qual für die Kinder gewesen sein. Zozan befürchtet, dass ihr Sohn durch den ganzen Stress und die Verhörsituation noch einmal in seiner Entwicklung zurückgeworfen werden könnte. Den Kindern geht es momentan schlecht und sie leiden unter großen Verlustängsten. Gegenüber der Tageszeitung Neues Deutschland sagte Zozan G.: »Das Vorgehen der Justiz ist eine Drohung gegen alle politisch aktiven Mütter. Sie werden so zur Zielscheibe.« Ihre Töchter betonen immer wieder, dass sie freiwillig politisch aktiv seien. Zozan ermuntert ihre Kinder, sich eine eigene Meinung zu bilden und Mitmenschlichkeit zu leben. Auch das Jugendamt sieht keine Kindeswohlgefährdung vorliegen. L. sei unauffällig und habe gute schulische Leistungen. Trotzdem will das Amtsgericht Oberhausen das Verfahren nicht beenden und der nächste Termin ist auf den 22. Januar angesetzt.
Zeigen wir unsere Solidarität mit Zozan!
Uns erinnert diese Geschichte stark an das Vorgehen von DDR-Repressionsorganen gegen Dissident*innen. Der Fall von Zozan G. ist ein weiterer Versuch, politisch aktive Kurd*innen in Deutschland mundtot zu machen und zu kriminalisieren. Seit dem sog. Flüchtlingsdeal mit Erdogan und dem Einmarsch türkischer Truppen in Afrin Anfang 2018 kommt es vermehrt zu Repressionsfällen gegen Kurd*innen und deren Unterstützer*innen in Deutschland. Durch den erneuten Angriffskrieg gegen die Demokratische Föderation Nordsyrien scheint es zu einer erneuten Repressionswelle zu kommen. Allzu oft ist die BRD dabei der verlängerte Arm des Regimes in Ankara. Darüber hinaus wird zur Zeit gegen rund 400 politisch aktive Kurd*innen aus Deutschland in der Türkei ermittelt. Bei der Einreise in die Türkei droht ihnen die Verhaftung. Dass der deutsche Staat im Fall von Zozan G. so weit geht, das Sorgerecht entziehen zu wollen, ist eine erschreckende Praxis. Kurz gesagt: Was das Amtsgericht und die Ermittlungsbehörden machen, finden wir einfach nur ekelhaft.
Oberhausen ist relativ weit weg und eine gemeinsame Anreise aus Dresden erscheint uns nicht sonderlich sinnvoll. Trotzdem wollen wir unsere Solidarität ausdrücken und rufen zu einem schönen Gruppenfoto auf. Kommt mit euren Freund*innen und Kolleg*innen am Samstag, den 18. Januar um 14 Uhr zum Canaletto-Blick an die Elbe (Königsufer). Bringt selbstgebaute Plakate und Schilder mit Solidaritätsbotschaften mit. Wir werden den Hashtag auf Plakaten mitbringen.
Du kommst nicht aus Dresden oder hast an dem Tag keine Zeit?
Das macht gar nichts: Solltet ihr am 18. Januar keine Zeit haben, dann macht einfach selbst ein Foto in der Schule, in der Uni, am Arbeitsplatz, beim Spazieren, Sport oder beim Chillen auf dem Sofa, allein oder mit Freund*innen und teilt es unter den Hashtags #WirSindAlleZozan #WeAreFamily via Social Media. Zeigen wir in der Woche vor der Verhandlung, dass Zozan und ihre Kinder nicht allein sind!“