Im Vorfeld der vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei am morgigen Sonntag ist die Repression gegen die demokratische Opposition und insbesondere gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) kontinuierlich gesteigert worden. Die HDP spielt bei den Wahlen eine ausschlaggebende Rolle und steht damit besonders im Fokus der Repression. In einem vor zehn Tagen von der HDP veröffentlichten Bericht heißt es, dass 208 Parteimitglieder festgenommen und 16 Personen inhaftiert worden sind. In dieser Zeit haben 57 Angriffe stattgefunden. In den letzten zehn Tagen hat sich die Anzahl der Angriffe verdoppelt. Laut aktuellen Zahlen wurden 94 Angriffe auf die HDP verübt. Die Täter dieser Angriffe stammen aus dem Spektrum der MHP/AKP und der Sicherheitskräfte.
Bei den Angriffen gab es Verletzte und Tote. In Pirsûs wurden drei HDP-Unterstützer ermordet, im gesamten Land wurden bei Angriffen 49 Personen misshandelt und verletzt.
Nach dem Bericht der Menschenrechtsorganisationen IHD und TIHV vom 22. Juni wurden 26 Personen gefoltert und misshandelt. Außerdem wurden 33 HDP-Unterstützer von Sicherheitskräften im Gewahrsam und außerhalb des Gewahrsams gefoltert.
361 Festnahmen
Mittlerweile wurden im Wahlkampf mindestens 361 HDP-Unterstützer festgenommen und 20 Personen inhaftiert. In dieser Phase wurden auch 17 Kundgebungen und Demonstrationen der HDP verboten.
Bewaffneter Angriff auf Häuser von HDP-Aktivisten
Die Angriffe dauern bis heute an. So wurde gestern ein bewaffneter Angriff auf das Haus des Kandidaten der HDP für Kocaeli, Necmettin Doğrul, verübt. Aus einem mit AKP-Fahnen behängten Fahrzeug heraus wurde auf das Haus geschossen. Die Angreifer zeigten den faschistischen Wolfsgruß.
Landrat bedroht Dorfschützer, damit sie nicht die HDP wählen
In der vergangenen Woche drohte der Landrat von Qilaban (Uludere), Mehmet Fatih Yakınoğlu, Dorfschützern damit, sie auf Militäroperationen zu schicken, wenn sie bei den Wahlen für die HDP stimmen. Yakınoğlu besuchte das Dorf Kiror (Ortabağ) und forderte die Bevölkerung auf, nicht die HDP zu wählen. Zuvor waren bereits Dorfschützer vom Landrat und dem AKP-Kreisvorsitzenden Fikret Demir bedroht worden, damit sie die AKP wählen.
Behinderung internationaler Delegationen
Die Beobachtung des Wahlbetrugs, der Ungerechtigkeiten und der antidemokratischen Praxis soll verhindert werden. So wurde Wahlbeobachtern, unter anderem dem Abgeordneten der Partei DIE LINKE, Andrej Hunko, und dem Abgeordneten der schwedischen Grünen, Jabar Amin, die Einreise verweigert. Beide waren offizielle OSZE-Wahlbeobachter.
Zusammenfassung einiger Vorgehensweisen der AKP gegen die HDP:
Gegen Selahattin Demirtaş, den inhaftierten Präsidentschaftskandidaten der HDP, wurde eine Diffamierungskampagne geführt. Demirtaş wurde für Ereignisse verantwortlich gemacht, die ihm nicht einmal von der abhängigen Justiz vorgeworfen werden.
Der Ausreise des HDP-Ko-Vorsitzenden Sezai Temelli für den Wahlkampf im Ausland wurde verhindert und sein Pass eingezogen.
Die türkischen Gouverneure und Landräte in kurdischen Städten begleiteten den Wahlkampf der AKP und setzten die Bevölkerung unter Druck, nicht die HDP zu wählen.
Viele Eröffnungen von Wahlbüros wurden von der Polizei blockiert und behindert. Die Plakate und Fahnen an den Büros wurden zerrissen.
In vielen Städten haben rassistische und faschistische Gruppen der AKP/MHP Stände der HDP und Gebäude angegriffen und Fahrzeuge der Partei gestoppt. Die Polizei schaute bei den Angriffen zu oder unterstützte diese mancherorts.
In Wahlkreisen, in denen die HDP stark ist, wurden die Wahlurnen verlegt oder zusammengelegt.
In Ankara-Karapürçek wurden kurdische Bauarbeiter angegriffen, in Kayseri rammte ein Lastwagenfahrer das Wahlfahrzeug der HDP absichtlich.
Es wurden gefälschte Broschüren mit hetzerischem Inhalt mit der Unterschrift der HDP verteilt.