Am Morgen des 11. September wurde der österreichische Journalist, Autor und Student Max Zirngast von einer Antiterroreinheit in seiner Wohnung in Ankara festgenommen. Nach zehn Tagen in Polizeigewahrsam wurde er am 20. September vom zuständigen Haftrichter in Untersuchungshaft überführt. Seitdem ist er im Hochsicherheitsgefängnis Sincan 2, 60 Kilometer von Ankara entfernt, inhaftiert. Die Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast hat sich in Wien bereits im September gegründet. Auf ihrer neuen Internetseite freemaxzirngast.org berichtet sie aktuell über die Situation von ihm. Außerdem sind eine Chonologie der bisherigen Ereignisse, die Daten des Spendenkontos und weitere Informationen zur Unterstützung der Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast dort zu finden.
Aktuell ist ein Bericht über die Haftsituation von Max Zirngast veröffentlicht worden, in dem im Besonderen auf die Schwierigkeiten des Kontaktes mit ihm eingegangen wird, den wir hier dokumentieren möchten:
Max Zirngast ist mittlerweile seit über einem Monat in Haft. Einen Großteil davon ist er im Hochsicherheitsgefängnis von Sincan 2 inhaftiert, das etwa 60 Kilometer von Ankara entfernt ist. Der Kontakt mit ihm ist schwierig und wird stark begrenzt. Erst jetzt kommen seine ersten Briefe an, die er um den 28. September abschicken konnte. Wohlgemerkt handelt es sich dabei um diejenigen Briefe, die er nach Ankara geschickt hat. Auch die Post, die türkeiweit an ihn geschickt wurde, kommt jetzt erst so langsam bei ihm an. Von den Briefen, die aus dem Ausland geschickt wurden, kamen noch keine an. Das liege daran, dass Sincan 2 ein Hochsicherheitsgefängnis sei, meint der Anwalt Murat Yılmaz gegenüber der Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast. In anderen Gefängnissen würde dies viel schneller gehen. Eine Brieflesekommission müsse jeden Brief akribisch auf verdächtige Inhalte überprüfen, bevor diese weiter zugestellt werden. Das könne in Sincan 2 auch schon mal bis zu 30 Tage dauern.
Es helfe, so der Anwalt, immer am Ball zu bleiben und die ganze Zeit nachzuhaken, wo die Briefe blieben. Max habe diesbezüglich ausgerichtet, dass man ihm (via Anwalt) mitteilen solle, wenn ein Brief – insbesondere aus dem Ausland – an ihn geschickt werde und vor allem wann er geschickt wurde. Dann könne er aus dem Gefängnis heraus bei der Verwaltung nachhaken, falls der Brief nicht überstellt wird – und damit dafür sorgen, dass dieser nicht untergeht. Max versucht nun, seine eigenen Briefe nach außen zuerst per Post an den Anwalt zu schicken in der Hoffnung, dass sich die Zeiträume damit verkürzen. Als Solidaritätskampagne rufen wir dazu auf, uns eine Mail zu senden, wann und wo ein Brief an Max losgeschickt wurde.
Derzeit stehen zwei Kommunikationskanäle mit Max offen. Seit zwei Wochen kann er einmal in der Woche für zehn Minuten mit einer Familienangehörigen telefonieren, was er auch tut. Zum anderen besucht ihn der Anwalt wöchentlich für etwa eine Stunde. Bei beidem darf Max weder Papier, Stift oder vorherig Geschriebenes hinein- oder hinausnehmen. Da seine Briefe bisher immer noch kaum angekommen sind und wenn doch mit starker Verspätung und er in den Treffen keine Notizen weitergeben darf, haben wir nur mündlich übermittelte kurze Eindrücke und Einschätzungen von und über Max. Dies stellt eine starke Beschränkung der Kommunikation mit Max dar.
Eigentlich hat Max auch ein Anrecht auf den wöchentlichen „offenen“ Besuchstag und Familienangehörige können auf Antrag noch zusätzlich einen „geschlossenen“ Besuchstag nutzen. Er kann zusätzlich eine Liste mit drei Freund*innen einreichen, die ihn dann besuchen dürfen. Die Bearbeitung des Antrags für die Freund*innen kann allerdings bis zu 60 Tage dauern und die Gefängnisleitung scheint diese Frist ausnutzen zu wollen. Und weil Max und seine Familienangehörigen ausländische Staatsbürger*innen sind, muss von diesen jedes Mal extra ein sehr umständlicher Besuchsantrag eingereicht werden. Dessen Bewilligung muss vorliegen, bevor ein Besuch stattfinden kann. Die Familie hat bereits drei solcher Anträge eingereicht, zwei davon schon seit fast drei Wochen. Der neuste Antrag ist eine Woche alt, für einen Besuch am „offenen“ Besuchstag nächsten Montag. Die Familie hat Max also seit über einem Monat nicht sehen können. Allerdings: Heute kam die Bestätigung für den ersten face-to-face Besuch der Familie, der nächste Woche stattfinden wird. Bei den anderen beiden heißt es „wird noch bearbeitet“, wenn nachgehakt wird.
Gegenüber der Solidaritätskampagne meinte Anwalt Murat Yılmaz, dass diese lange Dauer eigentlich nicht normal sei und nicht akzeptiert werden sollte. Die Bearbeitung der Anträge von Familienangehörigen habe Priorität, für diese gäbe es keine Maximalbearbeitungsfrist von 60 Tagen wie bei den Anträgen der drei Freund*innen. „Wenn das Ministerium es will, kann es das Besuchsrecht innerhalb einer Stunde erteilen“, so seine Einschätzung. Es müsse permanent Druck auf die türkischen Behörden aufgebaut werden, damit sich was bewege.
Das gelte auch für das Verfahren. „Wenn man den Staatsanwalt für sich selbst belässt, dann stellt er die Anklage vielleicht auch erst in einem Jahr“, so Anwalt Yılmaz. Bisher habe er drei Mal beim Staatsanwalt nach dem Stand der Anklage nachgehakt. Die Antwort sei in etwa immer dieselbe: „Die Ermittlungen dauern noch an.“
Abseits dieser schwierigen Kommunikation und den Besuchen geht es Max den Umständen entsprechend gut. Er ist gemeinsam mit Mithatcan Türetken in einer Zelle, gestern soll noch eine dritte Person dazugekommen sein. Sie haben eine alltägliche Routine, die aus viel Sport und Lesen besteht. Sie können sich aus dem überteuerten Gefängnismarkt wöchentlich Obst, Gemüse, Hygieneartikel, Schreibutensilien und dergleichen bestellen. Dies ist insbesondere für Max sehr wichtig, da er sich als Tierbefreiungsaktivist vegan ernährt und er sich diese Ernährung im Prinzip fast ausschließlich über seine privaten Einkäufe im Gefängnismarkt organisiert. Auch deshalb rufen wir als Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast zu einer Spendenaktion auf, um sicher zu stellen, dass die Ausgaben von Max im Gefängnis gedeckt sind.
Die Kleiderordnung ist strikt reglementiert – jeder darf nur zwei Pullis, zwei Hemden, zwei Jogginghosen und so weiter besitzen, rot, navyblau und Militärfarben sind verboten. Jeder darf jeweils fünf Bücher auf Türkisch besitzen, die zuvor selbstverständlich auf ihre Inhalte hin seitens der Gefängnisverwaltung überprüft werden. Max habe ein Tagebuch in Sincan 1 geführt, bevor er nach Sincan 2 überführt wurde, war vom Anwalt zu erfahren. Bei der Überführung habe die Verwaltung sein Tagebuch in Beschlag genommen, da die Inhalte „zu überprüfen“ seien. In Sincan 2 habe Max deshalb ein neues Tagebuch zu schreiben begonnen.
Als Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast finden wir die Umstände der Haft von Max unerträglich. Ohne Anklage wird er so behandelt als ob er schon verurteilt sei. Er wurde in ein Hochsicherheitsgefängnis gebracht wie ein staatsgefährdender Verbrecher, den man isolieren und dessen Kontakt zur Außenwelt man abschirmen müsse. Max ist ein Journalist und Wissenschaftler, kein Schwerkrimineller. Es muss ihm umgehend ermöglicht werden, auch aus dem Gefängnis heraus als Journalist und Wissenschaftler arbeiten zu können. Dafür ist es unerlässlich, dass der schriftliche Verkehr mit ihm gewährleistet ist. Auch Tagebücher oder Notizen, die er sich macht, müssen ihm zugänglich bleiben, ansonsten kann er nicht arbeiten. Wir fordern deshalb die türkischen Behörden auf, umgehend einen lückenlosen und einwandfreien schriftlichen Verkehr mit Max zu gewährleisten. Wir fordern die türkischen Behörden ebenfalls dazu auf, den Familienangehörigen sofort und umstandslos das Besuchsrecht auch in Zukunft zu erteilen. Und nicht zuletzt wiederholen wir unsere Forderung, die wir von Anfang an stellen: Max Zirngast ist unverzüglich freizulassen!