Zweiter Tag der Öcalan-Konferenz in Rom
Am zweiten Tag der internationalen Konferenz „Freiheit für Abdullah Öcalan – Eine politische Lösung der kurdischen Frage“ in Rom standen die Themen Isolationshaft auf Imrali, die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit sowie konkrete Perspektiven für einen nachhaltigen Friedensprozess im Vordergrund. Organisiert wird die Veranstaltung von der italienischen Gewerkschaft CGIL, unterstützt von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Gruppen aus Europa und dem Nahen Osten.
„Das Imrali-Regime ist zum Modell repressiver Politik geworden“
Die Juristin Rengin Ergül eröffnete das Panel zum Thema „26 Jahre Isolation auf Imrali“. Sie schilderte, wie sich die auf der Gefängnisinsel etablierte Sonderbehandlung Abdullah Öcalans zum exemplarischen Ausnahmezustand für das gesamte türkische Justizsystem entwickelt habe. „Die auf Imrali etablierten Methoden – rechtliche Grauzonen, Isolation, Entrechtung – wurden nach und nach auf weite Teile der Gesellschaft übertragen. Das Regime der Ausnahmerechtsprechung hat sich normalisiert.“
Internationale Normen ignoriert
Ergül verwies insbesondere auf das „Recht auf Hoffnung“, das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 2014 bestätigt worden war – und das demnach auch Öcalan zustehe. Die Juristin kritisierte, dass die Türkei die Verpflichtungen aus Urteilen des EGMR weiterhin ignoriere. „Ohne die Abschaffung der lebenslangen Isolation ist ein echter Friedensprozess nicht denkbar“, betonte sie.
„Freiheit für Öcalan ist Schlüssel für Frieden“
Faik Özgür Erol von der Istanbuler Kanzlei Asrin, die Öcalan und seine drei Mitgefangenen auf Imrali juristisch vertritt, erinnerte daran, dass es in den vergangenen Monaten mehrere Familien- und Delegationsbesuche auf Imrali gab – nach Jahren vollständiger Isolation. „Diese Besuche sind ein Resultat der weltweiten Kampagne für Öcalans Freiheit“, so Erol. Er berichtete von der Bedeutung des 27. Februar, an dem Öcalan eine vielbeachtete Friedens- und Demokratieerklärung abgegeben hatte.
„Öcalan geht davon aus, dass das Sykes-Picot-System in der Region bricht – die alten Machtverhältnisse lösen sich auf. Es braucht neue Formen des Zusammenlebens“, so Erol. Der Jurist betonte, dass Öcalans Paradigma auf den Grundpfeilern basisdemokratischer Selbstverwaltung, sozialer Gerechtigkeit und Befreiung der Frau basiere. „Ohne Frauenbefreiung gibt es keine Demokratie – das ist für ihn kein Nebenaspekt, sondern zentral.“
Buldan: „Ein politisches Fenster hat sich geöffnet“
Im dritten Panel sprach die DEM-Abgeordnete Pervin Buldan, Mitglied der aktuellen Imrali-Delegation, ausführlich über die jüngsten Entwicklungen: „Nach zehn Jahren Schweigen konnten wir in den letzten Wochen wieder Gespräche mit Öcalan führen. Er betont: Jetzt ist der Moment für eine neue Phase – eine des Friedens und des Dialogs.“
Die Politikerin schilderte, wie Öcalan in den Gesprächen betont habe, dass es für die Kurd:innen und Türk:innen nur gemeinsam eine demokratische Zukunft geben könne. „Er hat das historische Verhältnis zwischen Atatürk und Ismet Inönü analysiert, als Ausgangspunkt einer möglichen türkisch-kurdischen Allianz.“
Buldan berichtete auch vom kürzlichen Gespräch mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan, das laut der Politikerin auf Öcalans Wunsch stattfand. „Wir haben unsere Erwartungen klar kommuniziert: Es braucht gesetzliche Reformen, vor allem die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für neue Friedensverhandlungen.“
Laut Buldan ist die Hoffnung, dass der Prozess bis Ende Juni konkrete Ergebnisse zeigen könnte. Sie betonte: „Öcalans physische Freiheit und sein aktives Mitwirken sind unverzichtbar für einen glaubwürdigen Friedensprozess.“
Baluken: „Öcalans Freiheit betrifft die Menschheit“
Der frühere HDP-Abgeordnete und Delegierte der früheren Imrali-Abordnung, Idris Baluken, zog Parallelen zum Dialogprozess zwischen 2013 und 2015, der seinerzeit scheiterte. „Auch damals war Öcalan bereit, Verantwortung zu übernehmen – trotz Paris-Attentat oder Blockaden durch die Regierung.“ Er unterstrich, dass Öcalans Rolle nicht nur für Kurd:innen, sondern für alle, die für Gerechtigkeit kämpfen, wichtig sei: „Seine Freiheit ist vergleichbar mit der Symbolkraft Nelson Mandelas.“
Rojava: „Wir haben mit uns selbst begonnen“
Die Vertreterin der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens, Foza Yûsif, betonte, wie stark Öcalans Philosophie den Aufbau der Gesellschaften Rojavas geprägt habe: „Wir begannen mit einem mentalen Bruch: mit der Überwindung der kolonialen Denkweise. Hunderte Akademien fördern heute freies Denken und kollektives Leben.“
Die Konferenz wird mit weiteren Panels, kulturellem Programm und politischen Diskussionen fortgesetzt. Im Zentrum steht dabei ein klares Ziel: Öcalans Freiheit als Schlüssel für Gerechtigkeit, Dialog und Frieden im Nahen Osten und darüber hinaus.