Seit gestern ist eine weitere Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP) mit der Forderung nach Aufhebung der Isolation des PKK-Gründers Abdullah Öcalan in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Die Politikerin Dersim Dağ erklärte am Sonntag in Amed (Diyarbakir), sich der von Leyla Güven initiierten Protestbewegung gegen das erschwerte Isolationssystem auf der Gefängnisinsel Imrali, auf der Öcalan seit 20 Jahren inhaftiert ist, anzuschließen. Gemeinsam mit Dağ nahmen gestern auch fünf HDP-Mitglieder einen Hungerstreik auf; die Aktivist*innen wurden jedoch nach einer Razzia festgenommen und befinden sich weiterhin in Polizeigewahrsam.
Ihre Aktion führt Dağ in der Zentrale des Provinzverbands der HDP durch. Dort erhielt die 23-jährige Politikerin heute Besuch von Nora Morales Cortinas. Die 88-jährige Aktivistin und Menschenrechtsverteidigerin gehört zu den Müttern des Plaza de Mayo in Buenos, die ähnlich wie die „Samstagsmütter“ in Istanbul unermüdlich nach dem Verbleib ihrer verschwundenen Angehörigen fragen. Nach einer innigen Umarmung begann ein langes Gespräch zwischen Dağ und Cortinas. Die Argentinierin war sichtlich gerührt und erklärte, tief beeindruckt davon zu sein, „dass so eine junge Frau einen unbefristeten Hungerstreik aufnimmt“.
Appell an türkische Regierung und UN
Nach ihrer Unterhaltung richtete Cortinas einen Appell an die türkische Regierung und die Vereinten Nationen. Vor wenigen Tagen hatte sie bereits Leyla Güven besucht, die seit mittlerweile 117 Tagen im Hungerstreik ist. „Ganz gleich, was geschieht, es muss jetzt geschehen. Die Regierung und die UN müssen endlich handeln. Auch das Volk muss aktiv werden. Angesichts der Situation von Leyla und der hungerstreikenden Gefangenen kann es zu einer großen Tragödie kommen. Aus diesem Grund rufe ich die Regierung und die Vereinten Nationen auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen“, sagte Cortinas.
Türkische Regierung muss repressive Politik aufgeben
Anlässlich der Isolation Öcalans und dem Hungerstreik dagegen hat sich die argentinische Aktivistin an das Präsidentenamt sowie an zuständige Ministerien gewandt. In dem Brief äußerte Cortinas ihre tiefe Sorge über die repressive Regierungspolitik der AKP.
„So kann es nicht weitergehen. Den Forderungen der Hungerstreikenden nach Aufhebung der Isolation muss Aufmerksamkeit geschenkt werden. Erst gestern wurden hier fünf Personen festgenommen. Dies ist eine Form der Gewalt und ein Produkt der Unterdrückung. Wir müssen mit allen erdenklichen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, aktiv werden, damit die Regierung ihre repressive Politik aufgibt. Dieser Brief kann auch internationalistische Formen annehmen. Die Unterdrückung des kurdischen Volkes, die Isolation, die Öcalan auferlegt wird und die Repression gegenüber den Hungerstreikenden muss aufhören“, sagte Cortinas.
Der Hungerstreik von Leyla Güven
Der Hungerstreik der kurdischen Politikerin Leyla Güven gegen die Isolation des PKK-Gründers Abdullah Öcalan hält seit fast vier Monaten an. Güven, die ihren Protest am 7. November im Gefängnis von Amed aufnahm, wo sie aufgrund ihrer Kritik an der türkischen Militärinvasion in der nordsyrischen Kantonshauptstadt Efrîn ein Jahr in Untersuchungshaft saß, fordert mit ihrer Aktion die Gewähr regelmäßiger Kontakte zu Öcalan, der als Schlüsselfigur für eine Lösung der kurdischen Frage gilt.
Der Vordenker der kurdischen Freiheitsbewegung befindet sich seit seiner Verschleppung im Februar 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer. Der letzte Besuch seiner Anwälte fand vor fast acht Jahren statt. Seit Abbruch der Friedensverhandlungen mit der PKK durch die türkische Regierung im Jahr 2015 wird Öcalan von der Öffentlichkeit abgeschottet. Nach dem letzten Familienbesuch im September 2016 war sein Bruder Mehmet Öcalan erstmalig wieder am 12. Januar für ein 15-minütiges Gespräch auf Imrali. Die Hungerstreikenden erklärten anschließend, dass ihre Forderung damit nicht erfüllt sei. Sie fordern Bedingungen für Öcalan, in denen er als Vorsitzender einer legitimen Bewegung frei leben und arbeiten kann, um so zur Lösung der kurdischen Frage beizutragen.