Aufruf an Europa wegen gefangener IS-Mitglieder in Rojava

Auf einer Pressekonferenz in Brüssel ist über die 800 Dschihadisten in nordsyrischer Gefangenschaft berichtet worden.

Im Brüsseler Presseclub hat Dr. Abdulkerim Omar vom Rat für auswärtige Angelegenheiten des nordsyrischen Kantons Cizîrê gemeinsam mit dem Psychologie-Professor Gerrit Loots von der Vrije Universiteit Brussel und Philippe Vansteenkiste als Vorsitzender des Vereins für Terrorismusopfer V-Europe auf die Situation der 800 IS-Mitglieder aus verschiedenen Ländern hingewiesen, die sich in Nordsyrien in Gefangenschaft befinden. Loots und Vansteenkiste waren vor kurzem in Rojava, um die Situation vor Ort zu recherchieren.

Auf der vom Kurdischen Institut Brüssel einberufenen Pressekonferenz wurde auf die Rolle Europas aufmerksam gemacht. Die aus europäischen Staaten stammenden IS-Mitglieder müssten in ihren Herkunftsländern vor Gericht gestellt werden, auch für ihre Familien trage Europa Verantwortung, wurde auf der gut besuchten Pressekonferenz betont.

„Türkische Angriffe sind eine offene Unterstützung des IS“

Abdulkerim Omar aus Rojava verwies auf die jüngsten Angriffe des türkischen Staates auf Kobanê und Girê Spî, die zeitgleich zur Befreiungsoffensive der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und der internationalen Koalition gegen den IS in Deir ez-Zor stattgefunden haben. „Bei diesen Angriffen, die unmittelbar nach dem Istanbuler Syrien-Gipfel erfolgt sind, handelt es sich um eine offene Unterstützung des IS“, erklärte Omar, der die internationale Staatengemeinschaft und insbesondere die Anti-IS-Koalition aufrief, zum Vorgehen der Türkei nicht zu schweigen.

„Dank der Militäroperationen der QSD, die mit Unterstützung der internationalen Koalition geführt werden, sind in Nord- und Ostsyrien große Gebiete von der IS-Herrschaft befreit worden. Schätzungen zufolge handelt es sich um 30 Prozent des syrischen Territoriums“, fuhr Omar fort. Der Kampf gegen den IS-Terror werde fortgesetzt, da der IS weiterhin die freie Welt und gemeinsame humanitäre Werte bedrohe.

„Um im Namen der Menschheit den Terrorismus zu besiegen, haben unsere Kräfte einen sehr hohen Preis gezahlt. 8000 Männer und Frauen haben im Kampf gegen den Terror ihr Leben verloren und knapp 5000 Menschen haben bleibende Schäden davongetragen. Der IS hat Städte und Dörfer komplett zerstört, Tausende Menschen mussten ihre Heimatorte verlassen“, erläuterte Omar. Nur die Neugründung eines demokratischen Syriens könne eine Ausbreitung von Dschihadisten wie des IS verhindern.

790 IS-Mitgliedern aus 46 Ländern in nordsyrischer Gefangenschaft

Im Kampf gegen den IS sind nach Angaben Omars 790 Mitglieder der Terrormiliz aus 46 Ländern in Nord- und Ostsyrien gefangen genommen worden. 584 Frauen und 1248 Kinder leben unter Aufsicht in den Flüchtlingslagern al-Hol, Roj und Ain Isa. Da die Offensive gegen den IS in Deir ez-Zor fortgesetzt wird, muss von einem Ansteigen dieser Anzahl ausgegangen werden. In der letzten IS-Bastion Hajin an der syrisch-irakischen Grenze, gegen die sich die aktuelle QSD-Offensive richtet, werden knapp 5000 IS-Mitglieder vermutet.

Türkische Angriffe gefährden die öffentliche Sicherheit

Abdulkerim Omar erklärte weiter, dass die Versorgung der gefangenen IS-Mitglieder problematisch sei und diese insbesondere aufgrund der türkischen Angriffe eine große Gefahr darstellten. Sollten sich die Angriffe ausweiten und dadurch eine Sicherheitslücke entstehen, sei es gut möglich, dass die Gefangenen flüchten und auch eine Gefahr für Europa bedeuten könnten.

Die internationale Gemeinschaft trage außerdem Verantwortung für die Kinder aus den IS-Familien. Aufgrund der schwierigen Situation in Nordsyrien seien die dortigen Strukturen mit der Erziehung der Kinder überfordert, sagte Omar und forderte, dass die IS-Mitglieder in ihren Herkunftsländern verurteilt und bestraft werden.

Kein europäisches Land will seine IS-Mitglieder zurück

Mit der internationalen Koalition gegen den IS findet nach Angaben Omars ein Dialog zu dem Thema statt, aber es wird immer noch keine Unterstützung geleistet. Omar forderte die anwesenden Medienvertreter dazu auf, über diese Frage zu berichten, damit die jeweiligen Regierungen unter Zugzwang gesetzt werden. „Unter den IS-Gefangenen sind Staatsbürger aller europäischen Länder, aber kein einziges Land Europas hat sich bisher darum gekümmert. Das gilt auch für die anderen Länder der internationalen Koalition. Einige wenige IS-Angehörige sind an Russland überführt worden und Belgien hat sich in einer Email nach den belgischen Kindern erkundigt.“

Aus Sicherheitsgründen nannte Omar keine Zahlen darüber, wie viele IS-Mitglieder aus welchen Ländern in Nordsyrien festgehalten werden.