Antwort auf Verfassungsschutzbroschüre zur PKK
Die Bundesregierung antwortet auf eine Kleine Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, zur Broschüre des Bundesamtes für Verfassungsschutz über die PKK.
Die Bundesregierung antwortet auf eine Kleine Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, zur Broschüre des Bundesamtes für Verfassungsschutz über die PKK.
Im Februar veröffentlichte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eine Broschüre über Aktivitäten, Ideologie und Ziele der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Da diese Broschüre von Fehler, verkürzten Darstellungen und Falschinformationen nur so strotzte, hat die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, eine Kleine Anfrage dazu an die Bundesregierung gestellt. In der Beantwortung der Fragen zeigt sich die Bundesregierung wie kaum anders zu erwarten patzig und kritikunwillig. „Die Inhalte der Broschüre ergeben sich aus einer sorgfältigen und umfassenden Analyse sowie Aufbereitung des beim BfV im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages aus offenen und nachrichtendienstlichen Quellen gesammelten Materials“, versichert die Bundesregierung. Welche nachrichtendienstlichen Quellen genutzt wurden, bleibt offen. Doch können dies beispielsweise Spitzel im PKK-Umfeld, Informationen des türkischen Geheimdienstes oder abgehörte Telefongespräche sein. Besonders zuverlässig scheinen diese Geheimdienstquellen jedenfalls nicht zu sein.
So zeigt bereits das Titelbild der Broschüre nicht etwa die PKK-Fahne, sondern die rot-weiß-grüne Fahne mit der gelben Sonne, wie sie von der kurdischen Regionalregierung im Nordirak verwendet wird. Es handele sich um ein Foto, dass auf einem von der PKK im März 2008 in Frankfurt organisierten zentralen Newroz-Fest aufgenommen wurde, rechtfertigt die Bundesregierung die Verwendung dieses Bildes. Die PKK nutze die abgebildete Fahne zudem selbst – etwa in einem Aufruf zum 23. Internationalen Kurdischen Kulturfestival im Jahr 2015 – und „mache sich die Symbolik somit zu eigen“, behauptet die Bundesregierung. So erscheint es wohl nur als eine Frage der Zeit, bis auch diese Fahne in Deutschland mit einem Verbot belegt wird.
In ihrer Antwort verteidigt die Bundesregierung die Behauptung aus der Broschüre, es sei „wahrscheinlich, dass die PKK immer noch die Gründung eines eigenen Staates anstrebt, dies aktuell jedoch aus taktischen Gründen nicht offensiv vorantreibt“. Als Beispiel für das vermeintliche Streben nach „quasistaatlicher Struktur“ wird die Ausrufung der „Selbstverwaltung“ kurdischer Städte in der Türkei im August 2015 benannt. Dass zwischen der Ausrufung kommunaler Selbstverwaltung und dem Aufbau eines über Militär, Außenpolitik und Währung gebietenden Staates nun doch ein gewaltiger Unterschied besteht, fällt hier kurzerhand unter den Tisch.
Der Bundesregierung liegen nach eigenen Angaben die Schriften von Abdullah Öcalan vor. Und ihr ist bewusst, dass „Öcalan für seine Anhänger nach wie vor die unumstrittene Führungs- und Symbolfigur des kurdisches Volkes“ ist und die „Auslegung der von ihm verfassten Schriften nach wie vor eine wichtige Rolle in der PKK-Ideologie“ einnehmen. Der Bundesregierung ist auch – wie sie in der Antwort auf Frage 13 versichert – bekannt, dass laut Öcalan „Nationalstaaten zu ernsthaften Hindernissen für jegliche gesellschaftliche Entwicklung geworden“ sind und das Ziel des „Demokratischen Konföderalismus“ daher explizit nicht „die Gründung eines kurdischen Nationalstaates“ sei. Dennoch kann die Bundesregierung zwischen Öcalans Aussagen und dem angeblichen Ziel einer Nationalstaatsgründung „keine Diskrepanz“ erkennen.
In der Broschüre wurde behauptet, heutzutage würden „Attraktivität und Erfolg der PKK hauptsächlich durch Elemente getragen, die vom Islam, diversen Stammes- und Clanstrukturen sowie strengen Wert-, Moral- und Ehrvorstellungen abgeleitet sind“. Diese Einschätzung basiere „auf der Gesamtheit der Erkenntnisse des BfV“ und spiegele sich auch in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung, zieht die Bundesregierung sogar Gerichtsurteile gegen die PKK in Deutschland als Beweis ihrer abstrusen Thesen heran. Angeführt wird weiterhin der „strikt hierarchische Kaderaufbau der Organisation mit dem Prinzip von Befehl und Gehorsam“, bei dem angeblich „regionale Clanstrukturen eine machterhaltende Rolle“ spielen. Immerhin gibt die Bundesregierung nun zu, dass der Islam in der Ideologie der PKK „als linksextremistischer Organisation eine untergeordnete Rolle“ spielt. Gleichwohl unterhalte die PKK Massenorganisationen als Sammelbecken für Muslime, um diese „für ihre primär weltanschaulichen Positionen zu gewinnen“.
Als wesentliches Element der behaupteten strengen Wert-, Moral- und Ehrvorstellungen der PKK sieht die Bundesregierung den „Märtyrerkult“. Wörtlich heißt es: „Gerade diese Praxis, ‚Märtyrer‘ über Jahre hinweg als beispielhaft zu verehren, selbst wenn diese für Gewalttaten verantwortlich waren, offenbart ein archaisches Weltbild, das nicht in das propagierte Selbstverständnis einer progressiven Bewegung passt.“ Das Gedenken an die im Kampf um Befreiung gefallenen Genossen ist keineswegs eine Erfindung oder Besonderheit der PKK. Jede sozialistische Organisation und jede nationale Befreiungsbewegung weltweit gedenkt ihrer gefallenen Vorkämpfer, lernt aus deren Siegen und Niederlagen, schöpft aus deren Vorbild Kraft und sieht sich aufgrund ihrer Opfer zum Weiterkämpfen verpflichtet. Auch von Sozialisten in Deutschland wird das Andenken an die Gründer der Kommunistischen Partei, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, 100 Jahre nach deren Ermordung hochgehalten. Doch dem Verfassungsschutz wäre wohl eine geschichtslose und geschichtsvergessene „progressive“ Linke am liebsten. Verwunderlich ist das nicht. Denn eine solche wurzellose Linke ließe sich schnell demoralisieren, manipulieren und zerstören.
*QUELLE: Yeni Özgür Politika