Das Rechtsbüro Asrin, das Abdullah Öcalan seit seiner Verschleppung in die Türkei vor zwanzig Jahren juristisch vertritt, hat sich zum Besuch von Mehmet Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali geäußert. Der Bruder des PKK-Gründers hat Öcalan am vergangenen Samstag erstmalig nach zweieinhalb Jahren sehen können.
„Am 12. Januar 2019 hat unser Mandant Abdullah Öcalan seinen Bruder Mehmet Öcalan getroffen. Wie der Öffentlichkeit bereits bekannt ist, hat dieser Besuch unter außerordentlichen Umständen und außerhalb der regulären Prozedur stattgefunden. Seit dem letzten Besuch der HDP-Abordnung auf Imrali am 5. April 2015 war es die zweite Kontaktaufnahme mit unserem Mandanten durch einen Familienangehörigen. Am 11. September 2016 hat nach großer Besorgnis in der demokratischen Öffentlichkeit ein ähnliches kurzes Gespräch stattgefunden, mit dem bestätigt wurde, dass das Lebensrecht unseres Mandanten gewahrt ist“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme des Verteidigerteams.
Kein Mandantengespräch seit 2011
Zur Isolationshaft von Abdullah Öcalan und den drei weiteren Gefangenen auf Imrali erklärt die Kanzlei:
„Herr Öcalan kann seit dem 27. Juli 2011 nicht mehr mit seinen Anwälten sprechen. Bis heute sind 781 unserer Besuchsanträge abgelehnt worden. Mit unseren drei anderen Mandanten, die mit Herrn Öcalan im Gefängnis Imrali inhaftiert sind, gibt es seit ihrer Verlegung nach Imrali im März 2015 keine direkte Kommunikation.
Bis zum 15. Juli 2016 wurden Herrn Öcalan und unseren anderen Mandanten das Recht auf Anwaltsgespräche und Familienbesuch mit willkürlichen Begründungen wie einem Defekt des Bootes oder der schlechten Wetterlage verwehrt. Seit am 20. Juli 2016 der Ausnahmezustand ausgerufen wurde, werden Besuche per Gerichtsbeschluss verhindert. Zusätzlich ist mit dem Verbot von Kommunikationsmitteln wie Telefon und Schriftverkehr jede Verbindung zur Außenwelt unterbunden worden. Es handelt sich um eine ‚Totalisolation‘.“
Imrali als rechtsfreier Raum
Die Öcalan-Anwälte bezeichnen Imrali als „rechtsfreien Raum“, in dem „Willkür“ herrsche, und machen auch den europäischen Menschenrechtsgerichtshof und das Antifolterkomitee des Europarats für die fortgesetzte Isolation verantwortlich:
„Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und das europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) treffen keine Entscheidung zu diesem Vorgehen, das eine Ebene von Folter erreicht hat, oder sie verfolgen die getroffenen Entscheidungen nicht. Dadurch tragen sie dazu bei, die angewandte Totalisolation zu vertiefen.“
Seit Öcalans Verhaftung im Februar 1999 herrsche auf Imrali ein rechtswidriges System ohne legale Grundlage, so das Rechtsbüro Asrin. Dieses System wirke sich dauerhaft auf die gesamte Gesellschaft aus, daher sei ein gesamtheitlicher Umgang mit dem Imrali-System erforderlich. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigten, dass eine einmalige Ausnahme keine Veränderung bedeute.
„Der Besuch von Mehmet Öcalan am 12. Januar hat dem Zweck gedient, eine Bestätigung über das Leben und die Gesundheit von Abdullah Öcalan zu bekommen. Er bedeutet nicht, dass sich die Bedingungen geändert haben und die Totalisolation aufgehoben ist. Zweifellos hat dieser erste Kontakt nach 28 Monaten eine wertvolle Bedeutung. Jeder Kontakt und jede Information über die Gesundheit und die Lebensbedingungen von Herrn Öcalan haben eine Bedeutung, die nicht gering geschätzt werden kann. Das öffentliche Interesse und die Erwartungen zeigen die dahinter stehende Ernsthaftigkeit. Damit hat sich ein weiteres Mal bestätigt, was Herr Öcalan für die Öffentlichkeit bedeutet. Da jedoch die unrechtmäßige Willkür und die Isolationsbedingungen anhalten, ist nicht abzusehen, wann eine Kommunikation das nächste Mal möglich sein wird. Auch unser Antrag auf ein Mandantengespräch vom 16. Januar ist willkürlich abgelehnt worden.“
Die Rechtsanwaltskanzlei fordert, dass ihrem Mandanten Öcalan unverzüglich seine gesetzlich verbrieften Rechte zugestanden werden.