Hunderte von Anwältinnen und Anwälten aus 22 Ländern der Welt haben beim türkischen Justizministerium beantragt, Abdullah Öcalan und seine drei Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş im Hochsicherheitsgefängnis Imrali besuchen zu dürfen. Über den Hintergrund des Antrags wurde heute auf einer Pressekonferenz in Brüssel informiert.
Redner:innen auf dem Podium im Brüsseler Presseclub waren Hélène Debaty, Präsidentin der Union der Anwält:innen für Demokratie (SAD) und Mitglied der European Democratic Lawyers (AED), Selma Benkhelifa vom Brussels Progressive Lawyers Network, Stéphane Boonen, Direktor der belgisch-deutschen und französischen Anwaltskammern, und Maurice Krings, ehemaliger Präsident der Brüsseler Anwaltskammer.
Vor der Pressekonferenz erklärte Rechtsanwalt Mahmut Şakar von MAF-DAD e.V. (Verein für Demokratie und internationales Recht), dass 350 Anwältinnen und Anwälte aus aller Welt die Petition für den Besuch von Imrali unterzeichnet hätten. Hélène Debaty wies darauf hin, dass in diesem Zusammenhang auch ein detaillierter Bericht über die Situation auf Imrali bei den zuständigen staatlichen Stellen in der Türkei eingereicht wurde und bereits am 10. Juni 2022 775 Anwält:innen aus der Türkei und Nordkurdistan einen Besuch auf der Gefängnisinsel beantragt haben. Gemäß Artikel 25 der Verordnung über Besuche bei Untersuchungs- und Strafgefangenen haben ausländische Anwält:innen das Recht, Verurteilte in der Türkei zu besuchen, wenn sie die internationalen Übereinkommen einhalten, denen die Republik Türkei beigetreten ist.
Schreiben an das türkische Justizministerium
Hélène Debaty verlas auf der Pressekonferenz ein Schreiben an das türkische Justizministerium. In dem Anschreiben, in dem es um die systematischen Rechtsverletzungen im Imrali-Gefängnis geht und das von 350 Anwält:innen unterzeichnet wurde, heißt es:
„Abdullah Öcalan, Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş, die im Hochsicherheitsgefängnis Imrali F-Typ inhaftiert sind, werden unrechtmäßig daran gehindert, ihre Anwältinnen und Anwälte zu sehen. Während Abdullah Öcalan seine Anwälte seit dem 7. August 2019 nicht mehr sehen darf, haben Veysi Aktaş, Hamili Yıldırım und Ömer Hayri Konar seit ihrer Verlegung im Jahr 2015 kein einziges Mal Kontakt zu ihren Rechtsbeiständen gehabt.
Im Imrali-Gefängnis wird seit dem 15. Februar 1999 eine besondere und diskriminierende Form der Isolation angewendet. Das Verbot von Anwaltsbesuchen gilt seit acht Jahren ununterbrochen, seit dem 27. Juli 2011 bis zum 2. Mai 2019. Im Jahr 2019 fanden fünf Anwaltsbesuche statt. Nach dem letzten Anwaltsbesuch am 7. August 2019 wurde das Verbot wieder eingeführt.
Es muss festgestellt werden, dass seit einem letzten kurzen Telefonat am 25. März 2021 nichts mehr von Öcalan gehört wurde. Dies ist ein besorgniserregender Umstand. Als Anwalt, der die Geschehnisse in der Türkei aufmerksam verfolgt, bin ich mir der politischen und sozialen Auswirkungen dieser Situation sehr bewusst.
In seinem Bericht über einen Besuch im Imrali-Gefängnis im Jahr 2019, der am 5. August 2020 veröffentlicht wurde, bezeichnete das CPT [Komitee des Europarats zur Verhütung von Folter] das totale Kontaktverbot von Öcalan und den anderen drei Gefangenen zur Außenwelt als eine Art von Isolationshaft. Das CPT stellte fest, dass ein solcher Zustand inakzeptabel sei und gegen die einschlägigen internationalen Menschenrechtsinstrumente und -standards verstoße.
Die ständigen Eingriffe in das Recht auf Verteidigung und der Zustand der Isolation, der Öcalan und den anderen Häftlingen auferlegt wurde, haben bei verschiedenen Gelegenheiten Erklärungen von internationalen Rechtsorganisationen wie ELDH, AED und Anwalt für Anwalt sowie kritische Reaktionen eines breiten Netzwerks von Anwälten hervorgerufen.
Ich möchte daran erinnern, dass am 10. Juni 2022 775 Anwälte, die in 29 verschiedenen Anwaltskammern registriert sind, bei der Generalstaatsanwaltschaft von Bursa beantragt haben, Anwaltsbesuche bei Herrn Abdullah Öcalan, Herrn Hamili Yıldırım, Herrn Ömer Hayri Konar und Herrn Veysi Aktaş durchführen zu dürfen, indem das rechtswidrige Verbot von Anwaltsbesuchen im Imrali-Gefängnis aufgehoben wird.
Das Verbot von Anwaltsbesuchen im Imrali-Gefängnis verstößt eindeutig gegen die 2015 aktualisierten Standard-Mindestregeln der Vereinten Nationen (UN) für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), die Empfehlungen des CPT und das türkische Vollzugsgesetz (Gesetz Nr. 5275). Die Staaten sind verpflichtet, sicherzustellen, dass Häftlinge und Gefangene ihre Rechte unabhängig von ihrer Identität und der Art ihrer Strafe wahrnehmen können.
Es handelt sich auch um einen Verstoß gegen die Rechte und Privilegien von Anwälten, wie sie in den Grundprinzipien der Vereinten Nationen zur Rolle der Anwälte, insbesondere in den Grundprinzipien 8 und 16, festgelegt sind.
Grundprinzip 8 ist sehr eindeutig: Allen festgenommenen, inhaftierten oder verhafteten Personen ist in angemessener Weise Gelegenheit und Zeit zu geben, von einem Rechtsanwalt aufgesucht zu werden und mit ihm zu kommunizieren und ihn zu konsultieren, und zwar ohne Verzögerung, Unterbrechung oder Zensur und in voller Vertraulichkeit. Solche Konsultationen können in Sichtweite, aber nicht in Hörweite von Strafverfolgungsbeamten stattfinden.
In ähnlicher Weise heißt es in Grundprinzip 16, dass die Regierungen sicherstellen müssen, dass Rechtsanwälte in der Lage sind, alle ihre beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Belästigung oder unzulässige Einmischung auszuüben und sowohl im eigenen Land als auch im Ausland frei zu reisen und sich mit ihren Mandantinnen und Mandanten zu beraten.
Gemäß Artikel 25 der Verordnung über den Besuch von Verurteilten und inhaftierten Personen haben ausländische Rechtsanwälte - auch ohne Vollmacht - das Recht, eine verurteilte Person in der Türkei zu sehen, sofern sie die internationalen Übereinkommen, denen die Republik Türkei beigetreten ist, und den Grundsatz der Gegenseitigkeit einhalten.
Die anhaltenden Bemühungen unserer Kollegen in der Türkei gegen die Isolierung und Verletzung des Rechts auf Verteidigung sind im Wesentlichen ein Kampf für die Umsetzung der Rechte, die in den internationalen Konventionen, denen die Türkei beigetreten ist, geschützt sind, insbesondere in der Europäischen Menschenrechtskonvention. Daher übermittle ich Ihnen meinen Antrag, Abdullah Öcalan und die anderen in Imrali inhaftierten Gefangenen, Veysi Aktaş, Hamili Yıldırım und Ömer Hayri Konar, im Rahmen von Artikel 25 der genannten Verordnung zu sehen."
Unterzeichnende
Unterzeichnet wurde das Schreiben von folgenden Personen:
Evelyn Durmayer (Wien, Österreich), Robert Atcheson (NSW Australien), Dr. Ian D. Elis-Jones, Dr. Vicki Sentas, Karen Fletcher, Hasan Tarique, Alexis Deswaef, Dounia Alamat, Elisa Fontaine, Georges Henri Beauthier, Hélène Debaty, Hind Riad, Jan Fermon, Jean Marc Picard, Jean-Philippe de Wind, Joke Callewaert, Loica Lambert, Marie Doutrepont, Maurice Krings (Anwaltskammerpräsident), Mieke Van Laer, Oliver Stein, Robin Bronlet, Selma Benkhelifa, Thomas Mitevoy, Veronique Laurent, Jan Buelens (Antwerpen), Jo Dereymaeker, Miriam Tarwe (Charloi), Louise Laperche (Lüttich), Marianne Petre (Mons), Xavier Van Gils, Luis Carlos, Dainela Muradas Aantunes, Jose Fernando Moro, Victoria Figueiredo Moro, Henrik C. Winkel (Kopenhagen, Dänemark), Thorkild Hoyer (Klampenborg), Alice Becker (Paris, Frankreich), Antoine Comte, Celine Moreau, Christian Charriere (Bournazel), David Appelbaum, David Andic, Eduardo Mariotti, Elsa Marcel, Emile Bonvarlet, Etienne Ambroselli, François Devedijan, Hanna Rajbenbach, Juan Prosper, Jean-Louis Malterre, Marie Malterre, Matteo Bonaglia, Raphael Kempf, Servane Meyniard, Xavier Sauvignet, Antoine Chaudey (Lille), Muriel Ruef, Camille Vannier (Seine Saint Denis), Guillaume Arnaud, Chloe Chalot (Rouen), Claudine Page (Toulouse), Clemence Durand, Julien Brel, Coline Boullon (Creteil), Zerrin Bataray (Vienne), Carolin Kaufmann (Berlin), Dr. Gregor Gysi, Ursula Groos, Lukas Theune, Heinz R. 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